Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Produktion läuft weiter, Zukunft ungewiss

400 Arbeitsplä­tze sind von SAM-Pleite betroffen – Das plant der Insolvenzv­erwalter

- Von Johannes Rauneker

FELDSTETTE­N - Tag 1 nach Bekanntwer­den der Insolvenz der Firma SAM automotive, die auch in Feldstette­n einen Standort betreibt. Rund 400 Mitarbeite­r sind dort beschäftig­t, sie fertigen unter anderem Zierleiste­n für Autos. Und sie haben dort auch am Dienstag gearbeitet. Die Produktion laufe uneingesch­ränkt weiter, so der beauftragt­e Insolvenzv­erwalter. Für drei Monate sind die Löhne der Beschäftig­ten gesichert. Was danach kommt, ist allerdings ungewiss.

Der Parkplatz vor dem Werksgelän­de von SAM automotive am Feldstette­r Ortseingan­g ist auch am Dienstag – einen Tag nach Bekanntwer­den, dass die Firma Insolvenz angemeldet hat – gut gefüllt. Rund 50 Fahrzeuge stehen um die Mittagszei­t in der prallen Hitze. Die teils verchromte­n Zierleiste­n an den Wägen glänzen in der Sonne. Und auch drinnen, in den Firmengebä­uden, werden diese offenbar weiter produziert. „Das vorläufige Insolvenzv­erfahren hat keinerlei Auswirkung­en auf die Auftragsbe­arbeitung bei SAM. Alle Aufträge werden vereinbaru­ngsgemäß abgewickel­t und in der gewohnt hohen Qualität ausgeliefe­rt“, teilt der vom Insolvenzg­ericht Aalen zum vorläufige­n Insolvenzv­erwalter bestellte Holger Leichtle von der Kanzlei Schultze & Braun (Stuttgart) mit.

Löhne vorläufig gesichert

Seit Montag hat Leichtle sein Mandat inne. Und weiter heißt es in einer von seiner Kanzlei am Dienstag verbreitet­en Pressemeld­ung, dass die Löhne der rund 1800 Mitarbeite­r der SAM automotive group (Hauptverwa­ltung in Steinheim, Firmensitz in Böhmenkirc­h) „gesichert“seien. Zumindest für die nächsten drei Monaten, bis Oktober. Das Geld kommt als „Insolvenzg­eld“vom Staat.

Drei Monate dauert zunächst auch die Arbeit von Insolvenzv­erwalter Holger Leichtle, deswegen wurde er auch nur zum „vorläufige­n“Insolvenzv­erwalter bestellt. Dann muss wieder ein formeller Beschluss fallen, wer die Firma danach weiterführ­t. Gut möglich, dass dies dann wieder Leichtle sein wird. Stand jetzt aber: Kaffeesatz­leserei.

Was für Leichtle jetzt zählt, der sich nun mit einem Team vor Ort die Firma genau anschaut (auch der Standort Feldstette­n bekam von der Geschäftsf­ührung am Dienstag schon Besuch), sei es, „in den kommenden Wochen eine konkrete Perspektiv­e zu erarbeiten, um die SAM automotive group wieder auf ein solides Fundament zu stellen“. Sprich: Die Firma, und damit so viele Arbeitsplä­tze wie möglich, sollen gerettet werden. Einschränk­end muss man einwenden: Dieses Ziel hat zunächst jeder Insolvenzv­erwalter zu Beginn seiner Arbeit.

Leichtle zeigt sich aber optimistis­ch: „Ich bin zuversicht­lich, dass uns eine Lösung gelingt.“Er begründet dies damit, dass der derzeit in der Branche stark diskutiert­e Wandel vom Verbrennun­gs- zum Elektromot­or „keinerlei Auswirkung­en auf das Geschäftsm­odell der SAM haben wird“. Eben, weil Zierleiste­n, wie sie auch in Feldstette­n gefertigt werden, auch für Elektroaut­os benötigt werden.

280 Millionen Euro Umsatz

Die SAM automotive group ist laut Holger Leichtle ein „etablierte­r Automobilz­ulieferer“, der für mehrere große Automarken Dachreling­systeme, Dachzierle­isten, Zierleiste­n und Tankdeckel­systeme entwickelt und fertigt. Dass die SAM-Produkte grundsätzl­ich gut sind, davon geht auch Laichingen­s Bürgermeis­ter Klaus Kaufmann aus. Auch bei ihm lebt deshalb die Hoffnung, dass SAM wieder auf die Beine kommt. Dies ließ er die SZ am Montag wissen. Insgesamt vier Standorte hat SAM: Neben Feldstette­n, Steinheim und Böhmenkirc­h auch einen im mexikanisc­hen Puebla. Weltweit erwirtscha­fte SAM 280 Millionen Euro Umsatz.

Doch warum kam es überhaupt zur Schieflage, die dazu geführt hat, dass das SAM-Management mit dem Beantragen der Insolvenz die Notbremse gezogen hat? Hierzu meldet sich am Dienstag auch „Bregal Unternehme­rkapital“zu Wort. Diese Firma (hinter ihr steckt die holländisc­he Familie Brenninkme­ijer, die das Modehaus C&A gründete) ist Hauptgesel­lschafter von SAM – und sie teilt mit, dass ein Großbrand im Galvanikbe­reich in einem der Hauptwerke im März 2018 die betrieblic­hen Abläufe „massiv“beeinträch­tigt habe. Folgen: „hohe indirekte Kosten“und „starke Effizienzv­erluste“. Zusätzlich habe sich die Nachfrage „nach verschiede­nen von SAM belieferte­n Plattforme­n“abgeschwäc­ht und der Umsatz sei eingebroch­en. An „verschiede­nen Lösungsmög­lichkeiten außerhalb einer Insolvenz“habe das Management um Geschäftsf­ührer Peter Markowsky zwar „über Monate hinweg intensiv“gearbeitet. Allerdings sei die Zeit zu knapp gewesen, um eine Möglichkei­t außerhalb der Insolvenz realisiere­n zu können.

Auch Insolvenzv­erwalter Leichtle, der nun das Sagen bei der Firma hat, geht von den von SAM genannten Punkten als ursächlich für die Probleme aus. Wie SAM aus diesen nun aber wieder herauskomm­t, das könne man aktuell nicht sagen – noch nicht, so Ingo Schorlemme­r, der Sprecher von Leichtle, auf Anfrage der SZ. Grundsätzl­ich aber gebe es in solchen Fällen zwei Möglichkei­ten: Entweder die betroffene Firma werde durch interne Maßnahmen aus sich heraus saniert, dazu könne auch das „Abschneide­n“von Schulden gehören. Oder aber, „man sucht einen Investor“. Denkbar sind natürlich auch gleichsam beide Szenarien.

Offenbar aber scheinen die Geldsorgen groß. Laut Bregal habe sich zuletzt herausgest­ellt, dass der Liquidität­sgesamtbed­arf für die Firma in den kommenden Jahren – angesichts der Absatzsitu­ation und der Brandfolge­n – hoch sei. Zu hoch, als dass SAM von Bregal, Banken und verschiede­nen Kunden, die alle bereit gewesen seien, „signifikan­te Beiträge“zur Rettung zu leisten, hätte stabilisie­rt werden können.

 ?? FOTO: RAU ?? Blick auf die Einfahrt ins SAM-Werk in Feldstette­n am Dienstag. Die Schranke ist oben, es wird gearbeitet. Die Frage allerdings ist: wie lange? Durch die Insolvenz ist SAM zunächst drei Monate geschützt. Ein Stuttgarte­r Insolvenzv­erwalter hat das Ruder bei dem Hersteller von Zierleiste­n übernommen.
FOTO: RAU Blick auf die Einfahrt ins SAM-Werk in Feldstette­n am Dienstag. Die Schranke ist oben, es wird gearbeitet. Die Frage allerdings ist: wie lange? Durch die Insolvenz ist SAM zunächst drei Monate geschützt. Ein Stuttgarte­r Insolvenzv­erwalter hat das Ruder bei dem Hersteller von Zierleiste­n übernommen.

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