Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Sana: Lückenschluss trotz Notarztmangel
Klinikbetreiber wehrt sich gegen den Vorwurf, dass der Raum Riedlingen schlecht versorgt sei
RIEDLINGEN – Schlechte Notarztversorgung in Riedlingen? So ist der Eindruck der Bürger. Doch dem widerspricht die Sana GmbH, Krankenhausbetreiber im Kreis. Gerade mal fünf Schichten im laufenden Jahr 2018 seien in Riedlingen nicht besetzt gewesen. Doch der Engpass bleibt: Es gibt einfach zu wenig Notärzte.
Wenn ein Notfall eintritt, erwarten Betroffene und Angehörige, dass so schnell als möglich ein Notarzt kommt. Das ist im Normalfall in Riedlingen gegeben. Aber nicht immer. Am 1. Mai etwa oder am 14. Juli musste der Notarzt aus Friedrichshafen oder Ulm eingeflogen werden, weil der Standort nicht besetzt war. Dass dem so war, bestätigt der Ärztliche Leiter der Sana Kliniken im Kreis Biberach, Dr. Ulrich Mohl. Wobei dies zum Teil auch kurzfristige Ausfälle durch Krankheit gewesen seien, die auf die Schnelle nicht ausgeglichen werden konnten.
Mohl widerspricht dem Eindruck, dass der Notarzt-Dienstplan in Riedlingen viele Lücken aufweist. Gerade mal fünf Schichten von 2500, so Mohl, seien in den ersten sieben Monaten des Jahres 2018 nicht besetzt gewesen. Das entspricht umgerechnet rund 25 Minuten/Tag. Deutlich weniger als in der jüngsten Vergangenheit. Dass die Fehlzeiten in Riedlingen reduziert wurden, dazu haben Umstellungen in der Vergütung und im Arbeitszeitmodell bei der Sana beigetragen, die seit gut einem Jahr greifen. Seither erhält der Notarzt unabhängig von der Anzahl der Einsätze eine feste Vergütung. Früher war die an Einsatzzahlen gekoppelt – mit der Folge, dass es etwa attraktiver war in Biberach als Notarzt zu fahren. Zudem können nun Bereitschaftsdienste in der Klinik als Freizeitausgleich genommen werden, was mehr Freiraum lässt, Notarztschichten zu übernehmen. Diese Umstellungen haben für Riedlingen tatsächlich Verbesserungen gebracht. Dennoch: Im Kreis ist alles auf Kante gestrickt.
Kaum noch Niedergelassene
Mohl wehrt sich allerdings dagegen, dass früher alles besser war. Aus seiner Sicht waren die Fehlzeiten deutlich höher, als der Notarztdienst weitgehend von Anästhesisten im Krankenhaus übernommen wurde. Die hätten sich weitaus häufiger abgemeldet, wenn sie im OP oder in einer Behandlung waren. Allerdings sei das weniger aufgefallen, weil nur stundenweise kein Notarzt da war. „2009 war der Notarzt im Schnitt eine Stunde pro Tag abgemeldet“, sagt Mohl. Allerdings ist darin nicht enthalten, dass es früher noch drei Hausärzte aus Riedlingen gab, die im Hintergrunddienst diese Fehlzeiten weitgehend abdeckten, wie die Leitstelle bestätigt.
Nur noch die „Tagschicht“
Doch diese niedergelassenen Ärzte, die zusätzlich zur Praxis noch als Notarzt fahren, gibt es im Kreis immer weniger und in Riedlingen gar nicht mehr. Gleichzeitig wird nur noch die „Tagschicht“von 7 bis 17 Uhr in Riedlingen von Ärzten der Klinik abgedeckt, werktags. Nachtschichten und am Wochenende sind freiberufliche Notärzte im Einsatz. Das heißt: Ärzte, die in der Regel tagsüber in der Klinik gearbeitet haben und die dann nach Riedlingen fahren und dort den Notarztpiepser übernehmen. „Viele Notärzte haben eine riesige Verbundenheit mit dem Landkreis“, betont Mohl.
Dass die Ärzte diese Aufgabe freiberuflich übernehmen, hat Vorteile. So gelten nicht die Dienstzeitregelungen wie für angestellte Ärzte; die Notärzte sind frei, sich ihre Schichten auszusuchen. Das System ist damit sehr flexibel. Doch dieses Freiberufler-Modell hat auch Kehrseiten: „Es ist alles freiwillig, wir können keinen Dienst anordnen“, sagt Dr. Mohl. Vieles hängt also am Willen und der Motivation der Notärzte. Und es bedeutet eine hohe Belastung für die Ärzte. Dass allerdings ein angestellter Arzt der Klinik eine Notarzt-Lücke abdeckt und dafür Freizeitausgleich erhält, wird bei der Sana nicht praktiziert. Weil dann wieder eine Lücke in den Klinikalltag gerissen würde.
Dass Notärzte bei einem Klinikträger angestellt werden, wird in wenigen Städten oder Bundesländern praktiziert. Allerdings: Auch hier ist es schwierig, das entsprechende Personal zu finden. Denn die wenigsten wollen nur als Notarzt tätig sein, betont Mohl. Auch weil die Arbeit psychisch belastend ist. Doch das Ganze wäre dann auch extrem teuer. Er bräuchte rund 36 zusätzliche Stellen, um den Notarztdienst im Kreis rund um die Uhr mit Hauptamtlichen abdecken zu können.
Der Flaschenhals bei der Notarztversorgung ist und bleibt die Zahl der Notärzte. Derzeit sind rund 35 im Kreis aktiv, die an den sechs Standorten die Dienste versehen. Mancher macht dies nur, weil er vor Ort wohnt und den Dienst von Zuhause aus machen kann. In manchen Standorten ruht der Notarztdienst noch vorwiegend auf den Schultern von niedergelassenen Ärzten, die aber bereits im Rentenalter sind. „Es ist eine große Aufgabe, weiter die Notarztdienste zu besetzen“, so Mohl. Sollte Sana die Aktivitäten an der Riedlinger Klinik weiter reduzieren, wird es noch prekärer. Dann müssten auch die Notarztdienste tagsüber besetzt werden.
Was also tun? Zum einen will die Sana GmbH erneut niedergelassene Ärzte mit der Notarztqualifikation ansprechen. Zudem hat der Krankenhausbetreiber im Deutschen Ärzteblatt nach Notärzten für den Kreis Biberach gesucht. Zudem werden im Hause Notärzte ausgebildet. Wenn ein Arzt in der Klinik die Zusatzqualifikation „Notarzt“erwerben wolle, werde er unterstützt, sagt Mohl. Benötigt werden 80 Fortbildungsstunden, 50 Notfall-Einsätze und ein halbes Jahr auf einer Intensivstation. Alle Anästhesisten der Sana sind Notärzte, aber sonst ist das Interesse mäßig. Im Schnitt erwirbt pro Jahr ein Arzt bei den Sana-Kliniken die Qualifikation.
Um einem Mangel zu begegnen, könnte man mit dem „Institut für Notärzte“zusammenarbeiten. Doch Mohl hält dies nicht für praktikabel. Denn aus diesem Notarzt-Pool kann man sich nicht kurzfristig, etwa bei einem Krankheitsfall, bedienen. Zudem verlangt dieses Institut für die Ärzte rund das Doppelte wie es die Rahmenvereinbarung der Krankenhausgesellschaft im Land vorsieht.
Notfallsanitäter
„Der Notarzt kommt immer“, heißt es von der Sana. Doch wenn er eingeflogen oder von einem benachbarten Ort angefahren werden muss, dauert es entsprechend länger bis dieser Part der Notfallkette greift. Etwas Abhilfe könnten hier die Notfallsanitäter (NFS) schaffen. Das ist ein relativ neues Berufsbild, das dem NFS – ähnlich dem Paramedic in den USA – mehr eigenständiges Handeln ermöglichen soll. Die Ausbildung dauert drei Jahre. Ziel ist es, dass der NFS zum Beispiel Schmerzmittel spritzen darf bis der Notarzt eintrifft. Eigentlich seien die NFS dafür ausgebildet, aber die rechtlichen Grundlagen fehlen noch, sagt dazu der DRK-Geschäftsführer für den Rettungsdienst Michael Mutschler. „Das Berufsbild wird derzeit ad absurdum geführt“, so Mutschler. Nun sei die Politik am Zug, diese Regelungen zu schaffen und dem NFS im Notfall Kompetenzen zuzubilligen. An einer solchen Regelung wird gearbeitet, wie Dr. David Albrecht, der Ärztliche Verantwortliche für den Rettungsdienst beim DRK im Kreis Biberach sagt. Bei einem Treffen mit Verantwortlichen anderer Kreise wurde beschlossen, eine einheitliche Empfehlung auszuarbeiten über künftige Kompetenzen des NFS. Er geht davon aus, dass die Regelung im September vorliegt und dass sie im neuen Jahr greifen könnte. Doch Albrecht und auch Mohl betonen: „Notfallsanitäter können Notärzte ergänzen, nicht ersetzen.“