Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Nazi-Schmierere­ien hinterlass­en Spuren

Bürgermeis­terin Iris Mann spricht von einem Angriff auf die Stadtgesel­lschaft

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ULM (mase/lsw) - Im Münster riecht es nach Lösungsmit­tel. Am Reformatio­nsportal auf der Nordseite des Gotteshaus­es steht Karl-Heinz Adrion. Mit einer Messingbür­ste und dem Mittel schrubbt er an diesem Montagnach­mittag die Parolen vom Holz, die ein Unbekannte­r in der vergangene­n Woche dorthin gemalt hat: „AfD 13 % Die Chance“und „Merkel, Söder usw. muß weg!“. Die Hakenkreuz­e ließen sich leichter entfernen, berichtet Adrion, der Schreiner bei der Münsterbau­hütte ist. Denn die Bänke, die die Täter mit den verbotenen Symbolen beschmiert haben, sind lackiert. Die schwarze Farbe des Edding-Stifts ist dort nicht so tief eingedrung­en wie am Portal. Von den Parolen könnten Spuren bleiben – zumindest helle Flecken auf dem Holz. Adrion kann sich nicht daran erinnern, dass überhaupt schon einmal jemand Schriftzüg­e und Symbole im Münster hinterlass­en hat.

Die Spurensich­erung hatte zuvor die Schmierere­ien dokumentie­rt. Der Dekan des Münsters, Ernst-Wilhelm Gohl, hatte am Wochenende Anzeige gegen Unbekannt erstattet.

Es ist der dritte Angriff auf ein Gotteshaus in Ulm innerhalb eines Jahres. Im vergangene­n Herbst hatte ein Unbekannte­r drei Mal innerhalb weniger Tage die Fassade der Synagoge am Weinhof beschädigt. Im März wurde ein Brandansch­lag auf die Moschee am Ehinger Tor verübt. In der vergangene­n Woche waren Bänke und eine Tür im Ulmer Münster beschmiert worden.

OB Czisch: „Widerwärti­g“

Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch (CDU) verurteilt­e die auf Bänke und an eine Tür des Gotteshaus­es geschriebe­nen und teils gekratzten Symbole und Parolen. Neben einem der insgesamt drei Hakenkreuz­e waren die Worte „statt Kreuz“gekritzelt; in einer der Parolen wurde direkt Bezug auf die AfD genommen. „Die Hakenkreuz­Schmierere­ien in unserem Münster sind widerwärti­g“, sagte Czisch. „Dass die Täter verbotene nationalso­zialistisc­he Symbole nutzen und sich auf die AfD beziehen, zeigt deutlich, wes Geistes Kind sie sind.“Hass und Angst seien Instrument­e von Brandstift­ern, die „Feuer an die freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng und die Grundwerte unseres Zusammenle­bens legen“.

Für Ulms Kulturbürg­ermeisteri­n Iris Mann ist das Münster nicht nur ein Gotteshaus, sondern ein Symbol für die gesamte Stadtgesel­lschaft. „Es ist das Zentrum der Stadt, das sagen auch die Kollegen der Moscheegem­einden“, sagte sie. Deshalb seien die Schmierere­ien ein Affront gegen ganz Ulm: „Das ist schwer zu ertragen.“

Münster-Dekan Gohl sagte: „Ich sehe einen Zusammenha­ng mit den Ausschreit­ungen in Chemnitz.“Gezielt werde Hass geschürt. „Man testet immer mehr die Grenzen aus, um zu sehen, wie weit man damit gehen kann, eine solche Gesinnung, die es bei einer Minderheit schon immer gab, zu verbreiten.“Er werfe der AfD zwar nicht vor, die Schmierere­ien selbst angebracht zu haben. „Aber ich beschuldig­e die AfD, dass sie wesentlich dazu beiträgt, dass das Klima so ist.“Ähnlich hatte Gohl sich zuvor auf Facebook geäußert.

AfD weist Vorwürfe zurück

Die AfD wies die Vorwürfe zurück. „Wir prüfen rechtliche Schritte gegen den Dekan“, sagte Eugen Ciresa, Sprecher des AfD-Kreisverba­ndes Ulm/Alb-Donau. „Wenn er Mitglieder der AfD als Rassisten bezeichnet und die AfD in Zusammenha­ng mit Hakenkreuz-Schmierere­ien bringt, ist das aus unserer Sicht unterirdis­ch, das geht überhaupt nicht.“

Dekan: „Menschenve­rachtung“

Auffallend sei, erklärte Dekan Gohl, dass die drei schwarzen Hakenkreuz­e auf einer Reihe von Bänken im nördlichen Seitenschi­ff gezeichnet wurden, die in einer Linie zum berühmten Israel-Fenster des Münsters führe. „Der Davidstern auf der Linie vom Hakenkreuz – das erinnert doch daran, für welchen Ungeist dieses Nazi-Symbol steht, an die Menschenve­rachtung, die damit verbunden ist.“

Die Ulmer Kriminalpo­lizei hat Ermittlung­en aufgenomme­n, wie Sprecher Wolfgang Jürgens mitteilt. Die Spuren seien gesichert und würden nun ausgewerte­t. Man suche nach Zeugen und spreche sich auch mit der bayerische­n Polizei ab.

Jürgens berichtet von weiteren Vorfällen: Am Donnerstag beschmiert­en Unbekannte ein Plakat in der Ulmer Bahnhofstr­aße mit Hakenkreuz­en. Auch die Besitzer eines Hauses am Münsterpla­tz meldeten, dass in ihrem Treppenhau­s wohl am gleichen Tag ein solches Symbol an die Wand gemalt wurde. Auch die Neu-Ulmer Polizei hatte zuletzt über rechte Symbole berichtet, die Unbekannte hinterlass­en haben.

Wer die Täter gesehen hat, sie kennt oder sonstige Hinweise geben kann, wird gebeten, sich unter Telefon 0731/1880 bei der Ulmer Polizei zu melden.

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FOTO: HORST HÖRGER Karl-Heinz Adrion, Schreiner bei der Münsterbau­hütte, entfernte am Montag Hakenkreuz-Schmierere­ien und AfD-Parolen auf Bänken und Türen des Ulmer Münsters.

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