Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein freundlich­es Adieu hätt’s auch getan

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Über Jahrtausen­de hinweg hat der Mensch die feine Kulturtech­nik des Grüßens und Verabschie­dens erlernt. Dabei haben sich ganz unterschie­dliche – regional stark variierend­e – Formulieru­ngen herausgebi­ldet. Aber weil Grüßende und sich Verabschie­dende eben Menschen sind, ist die Angelegenh­eit komplizier­t. Denn statt eines freundlich­en „Auf Wiedersehe­n“soll es vorkommen, dass Personen mit einem herzhaften „Leck mich am Arsch!“auseinande­rgehen oder sich spontan aus einem Streitgesp­räch ausklinken.

Gerichte haben immer wieder – wie jüngst in einem Fall aus der Stadt Markdorf – zu verhandeln, ob es sich bei der literaturh­istorisch durch Goethe populär gemachten Formulieru­ng um eine Aufforderu­ng, eine spezielle Form des Grüßens oder doch um eine Beleidigun­g handelt. Letzteres wird von Klägern immer wieder ins Feld geführt. Doch die Richter urteilen uneinheitl­ich.

Wen wundert‘s, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel in Bayern, das „Mi leckst am Orsch!“Ausdruck von Erstaunen ist und naturgemäß keine Beleidigun­g. Auf internatio­naler Ebene hat die streitgege­nständlich­e Formel vielerlei Entsprechu­ngen: Franzosen benutzen gerne die Worte „va te faire foutre“, womit die aufs Knie bezogene Eigenkopul­ation gemeint ist. Das „Kiss my as“der Engländer wirkt dagegen fast niedlich. „slikke mig i raekken“sagt der drollige Däne.

Doch jenseits der Worte gilt: Der Ton macht nicht nur bei Goethe die Musik, wenn er seinem Götz von Berliching­en die Worte in den Mund legt. Wie’s gemeint ist – darauf kommt’s an. In Ehingen hatte ein Richter schon einmal klargestel­lt, dass nichts Strafbares hinter der Wortkombin­ation stecken muss. Im Fall Markdorf kam es zu keinem Urteil, die Kontrahent­en einigten sich. Ein versöhnlic­hes Prozessend­e, das einem aber auch getrost am Allerwerte­sten vorbeigehe­n kann. (nyf)

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