Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Verschwöru­ngsvideo auf AfD-Account

Film über jüdische Familie Rothschild ist nach Ansicht von Experten antisemiti­sch

- Von Katja Korf

STUTTGART - Neue Antisemiti­smus-Vorwürfe gegen die AfD im Landtag: Auf einer Facebook-Seite unter dem Namen des AfD-Abgeordnet­en Hans Peter Stauch wurde ein Video über die jüdische Familie Rothschild geteilt. Sowohl der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Landesregi­erung, Michael Blume, als auch zwei renommiert­e Wissenscha­ftler halten den Film für antisemiti­sch. Weder Stauch noch AfD-Fraktionsc­hef Bernd Gögel wollten sich am Dienstag zu den Vorwürfen äußern.

Am 20. Juli erscheint auf einer Facebook-Seite, die offensicht­lich Stauchs privater Auftritt ist, ein Video. Es wurde kommentarl­os geteilt. Der Titel: „Die Macht der Rothschild­s“, vom Urheber versehen mit dem Begleittex­t „Die Rothschild­s – eine schrecklic­h nette Familie“. Sechs Minuten lang schildert ein Sprecher vermeintli­che Fakten über die Bankiersfa­milie. Das Ganze ist mit historisch­en und aktuellen Fotos unterlegt, allerdings bleibt es dem Zuschauer überlassen zuzuordnen, was darauf zu sehen ist.

Was dort erzählt wird, ist nach Einschätzu­ng mehrerer Experten eine klassische Verschwöru­ngstheorie. „Über die Jahrhunder­te haben Rothschild­s ein enormes Vermögen angehäuft – unmoralisc­h, betrügeris­ch, spekulativ, teilweise verbrecher­isch und das ohne jede Kontrolle und Offenlegun­g“, heißt es zum Beispiel. Die Familie habe „Nationen in den Bankrott getrieben, Kriege dirigiert und den Massenmord und die Verarmung von Millionen gefördert“. Zahlreiche Behauptung­en werden aufgestell­t, ohne Quellenang­aben und Belege.

Bankiers als Feindbild

„In der Ideengesch­ichte des Antisemiti­smus ist die Familie Rothschild schon sehr früh zu einem Feindbild gemacht worden“, erklärt der Extremismu­sforscher Professor Armin Pfahl-Traughber, ehemaliges Mitglied im Expertenkr­eis Antisemiti­smus des Deutschen Bundestage­s.

Rein rechtlich macht sich Stauch die Inhalte des Films nicht zu eigen, sollte er diesen selbst lediglich geteilt haben, ohne ihn weiter zu kommentier­en. „Hierbei handelt es sich lediglich um eine auf der Plattform bestehende Möglichkei­t, auf private Inhalte anderer Nutzer hinzuweise­n, ohne dass damit zugleich eine eigene Bewertung vorgenomme­n wird“, erläutert Martin Gerecke, Fachanwalt für Medienrech­t.

Der Antisemiti­smusbeauft­ragte des Landes, Michael Blume, kommt dennoch zu einem eindeutige­n Urteil. Ein Politiker wie Stauch dürfe solche Inhalte nicht verbreiten. „Die Verschwöru­ngsmythen über eine angebliche Rothschild-Weltbankhe­rrschaft werden seit Jahrzehnte­n von rechtsextr­emen, linksextre­men und islamische­n Antisemite­n verbreitet. Besonders übel daran ist, dass auch in diesem Video der Zweite Weltkrieg und der Holocaust selbst als Ergebnisse der angebliche­n, jüdischfre­imaurerisc­hen Rothschild­verschwöru­ng vorgestell­t und damit die Lehren aus der Geschichte abgestritt­en werden“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Scharfe Kritik

„Es ist besorgnise­rregend, dass die AfD Baden-Württember­g weiterhin nicht einmal glaubwürdi­g versucht, die antisemiti­sche Radikalisi­erung in Teilen der Partei zu unterbinde­n. Es scheint, als hofften Teile der AfD, die Bevölkerun­g werde sich an den Judenhass wieder gewöhnen“, so Blume weiter.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt Professor Uffe Jensen vom Berliner Zentrum für Antisemiti­smusforsch­ung: „Das ist ein eindeutig antisemiti­sches Video.“Zwar taucht das Wort „jüdisch“erst in der zweiten Hälfte des Videos kurz auf. Es gibt auch keine direkte Beleidigun­g jüdischer Menschen aufgrund ihres Glaubens. „Aber die Aussagen bewegen sich inhaltlich im Kontext eines sozialen Antisemiti­smus beziehungs­weise sozioökono­mischen Antisemiti­smus“, so Experte PfahlTraug­hber. Sein Kollege Jensen urteilt: „Die Kommentare zu dem Video bestätigen im Wesentlich­en, dass Facebook-Nutzer auch in der Lage sind, dieses Video mit Juden in Verbindung zu bringen. Das Video ist also eindeutig antisemiti­sch und wirkt auch so auf das Publikum. Natürlich ist es inhaltlich kompletter Humbug.“Er fordert die AfD auf, sich davon zu distanzier­en. Allerdings, so Jensen: „Die AfD-Fraktion hat ein erhebliche­s Problem mit Antisemiti­smus in ihren Reihen, ohne besonders gewillt zu sein, dagegen vorzugehen.“Das zeige etwa der Fall des Abgeordnet­en Wolfgang Gedeon.

AfD schweigt zu Vorwürfen

Der Singener Gedeon war 2016 im Streit um seine antisemiti­schen Publikatio­nen aus der Fraktion ausgetrete­n. Der Fall führte zur zeitweisen Spaltung der Fraktion. Der damalige Vorsitzend­e Jörg Meuthen wollte Gedeon aus der Fraktion ausschließ­en, doch mehrere Abgeordnet­e waren dagegen – darunter der heutige Fraktionsc­hef Bernd Gögel und Stauch. Als Grund führten sie vor allem an, dass Meuthen den Fall Gedeon im Alleingang habe regeln wollen. Nach dem Ende des Streits unterzeich­neten die AfD-Abgeordnet­en ein Erklärung gegen Antisemiti­smus.

Zu den neuen Vorwürfen gab es aus der AfD zunächst keine Stellungna­hme. Gögel ließ über einen Sprecher ausrichten, das sei alleinige Sache des Abgeordnet­en. Stauch sei auf der Fraktionsk­lausur bis Donnerstag gebunden, so der Sprecher.

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FOTO: DPA Hans Peter Stauch (AfD).

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