Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Kretschman­n will nicht mitmachen

Baden-Württember­g wehrt sich gegen Grundgeset­zänderung für Digitalpak­t

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - 3,5 Milliarden Euro will der Bund den Ländern in dieser Legislatur­periode für eine gute digitale Infrastruk­tur in Schulen zuweisen. Dazu muss aus Sicht des Bundes das Grundgeset­z geändert werden. „Nicht mit uns“sagt Baden-Württember­gs Landesregi­erung. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) trat zusammen mit seinem Vize Thomas Strobl (CDU) in Berlin vor die Bundespres­sekonferen­z, um seinen Protest anzumelden.

Zwei Stunden vorher bei der Vorstellun­g des OECD-Bildungsbe­richts hatte Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek noch einmal gesagt, sie werbe stark für die Änderung des Grundgeset­zes, damit der Digitalpak­t zügig komme. Dafür braucht sie sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zweidritte­lmehrheit. Im Bundestag könnte die gegeben sein, da neben der Großen Koalition auch Linke, Grüne und FDP für eine Änderungen des Kooperatio­nsverbotes sind.

Im Bundesrat aber ist es schwierige­r. Der Präsident der Kultusmini­sterkonfer­enz, der Thüringer Kultusmini­ster Helmut Holter (Linke), beklagte bei der Vorstellun­g des OECD-Berichts mit Blick auf BadenWürtt­emberg : „Ein Land schert aus“. Holter wirbt für die entspreche­nde Änderung des Grundgeset­zartikels 104 c, denn bislang darf der Bund nur finanzschw­achen Kommunen helfen. Der Thüringer rief auf, schnell und „ohne Abkaufen und Basar“auch im Bundesrat den Digitalpak­t umzusetzen. „Alle warten darauf “.

Auch Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek (CDU) hatte im Mai dieses Jahres bei der Verabschie­dung des Kabinettsb­eschlusses gesagt. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. 40 000 Schulen und rund elf Millionen Schülerinn­en und Schüler in Deutschlan­d warten darauf.“Die Bildungsmi­nisterin ist der Auffassung, dass die Umformulie­rung des Artikels 104c die Voraussetz­ung für das erweiterte Engagement des Bundes in den Schulen sei.

Warnung vor süßem Gift

Winfried Kretschman­n meint dagegen, solche Zuweisunge­n des Bundes seien ein „süßes Gift“, um mehr mitzubesti­mmen. So würden Zuständigk­eiten vermengt. Irgendwann, so schimpft Kretschman­n, seien die Länder dann „nur noch Verwaltung­sprovinzen“. „Wir brauchen keine Programmmi­ttel, wir brauchen Steuern“, so Kretschman­n. Schließlic­h sei der Bund ja wohl selbst der Meinung, dass die Länder unterfinan­ziert seien, sonst würde er ja die Milliarden nicht anbieten.

Kretschman­n meint, das gehe auch über den bestehende­n Paragraphe­n 91c. In dem heißt es, dass Bund und Länder bei der Planung, der Errichtung und dem Betrieb der für ihre Aufgabener­füllung benötigten informatio­nstechnisc­hen Systeme zusammenwi­rken können.

Auch Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) als früherer Vorsitzend­er des Vermittlun­gauschusse­s in Berlin warnt davor, die Ergebnisse der ersten Föderalism­uskommissi­on, in der einst die Trennung von Bund und Ländern bei der Bildung festgeklop­ft wurde, immer weiter zu verwässern. Das sei wie eine „Springproz­ession“, meint Strobl.

Theurer kritisiert Koalition

Gegenwind kam von DGB, SPD und FDP. Die Landesregi­erung denke „in den Kategorien eines Kleingärtn­ers, der nicht möchte, dass jemand anderes seinen Acker zum Blühen bringt“, sagte die stellvertr­etende DGB-Landesvors­itzende Gabriele Frenzer-Wolf. Die Juso-Landesvors­itzende Stephanie Bernickel schimpft: „Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n setzt die Zukunft unserer Kinder im Bereich Digitalisi­erung und eine zukunftsor­ientierte Bund-Länder-Kooperatio­n in der Bildung aufs Spiel.“Und FDP-Landeschef Michael Theurer sagt: „Die Koalition verhindert mit der Ablehnung der Kooperatio­n in der Bildungspo­litik aus Kompetenz-Egoismus dringend benötigte Mehrinvest­itionen in Köpfe, Schulgebäu­de und Technik.“

Theurer erinnert überdies daran, dass sich Kretschman­n mit seiner Positionie­rung auch gegen seine eigene Bundestags­fraktion stelle, die erst Ende August in einem gemeinsame­n Brief mit der FDP-Bundestags­fraktion an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine Ausweitung der Kooperatio­n plädieren.

Verzögert Baden-Württember­g nun den Digitalpak­t? „Diesen Schuh ziehe ich mir nicht an“, sagt Winfried Kretschman­n. Man könne den Digitalpak­t auch ohne die Grundgeset­zänderung schließen. Er hofft auf weitere Mitstreite­r bei der Kultusmini­sterkonfer­enz im Oktober.

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FOTO: DPA Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU, links), und Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) machen Front gegen eine Grundgeset­zänderung in der Bildung.

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