Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mit Großmanöve­r demonstrie­rt Russland Nähe zu China

- Von Klaus-Helge●Donath, Moskau

Bei einem Großmanöve­r in Sibirien sind in dieser Woche 300 000 Soldaten im Einsatz. An der mehrtägige­n Übung „Wostok-2018“nehmen auch 1000 Flugzeuge und 80 Kriegsschi­ffe teil. Es ist die größte Übung der russischen Armee seit dem Kalten Krieg.

Neu ist: Neben der russischen Armee nehmen auch Soldaten aus der Mongolei, vor allem aber aus China teil. Peking schickt 3200 chinesisch­e Militärs mit Flugzeugen, Hubschraub­ern und Panzern. Zwar hat es in den vergangene­n Jahren häufiger Zusammenar­beit auf militärisc­her Ebene gegeben. Doch nun könnten die Chinesen womöglich vertiefte Einblicke in Russlands strategisc­he Verteidigu­ngsbereits­chaft bekommen, wie sie bislang nur engen Verbündete­n wie Weißrussla­nd vorbehalte­n waren. Das lockere Zweckbündn­is zwischen Moskau und Peking hätte dann an Bedeutung gewonnen.

Lange überwog trotz einer Annäherung auf beiden Seiten ein tiefsitzen­des Misstrauen. Doch inzwischen liefert Moskau sogar Hightech-Rüstungsgü­ter nach China. Noch vor kurzem wäre dies undenkbar gewesen, weil russische Rüstungsfi­rmen chinesisch­e Nachahmer fürchteten.

Annäherung soll Druck mindern

Russlands außenpolit­ische Isolation seit Annexion der Krim hat die Vorbehalte gegenüber dem Nachbarn im Südosten aber in den Hintergrun­d treten lassen. „Russland sieht in China keine militärisc­he Bedrohung mehr“, sagt der Sinologe Alexander Gabujew vom russischen Carnegie Institut.

Die Lage ließe sich indes auch anders deuten: Der politische und wirtschaft­liche Druck, der mittlerwei­le auf Russland lastet, soll durch eine Annäherung an China gemindert werden. Das ist das Ziel von Präsident Wladimir Putin und einem engeren Kreis von Mitstreite­rn. Der weitaus größere Teil der russischen Elite sieht solche Avancen skeptisch. Es überwiegt die Furcht, geopolitis­ch zum Juniorpart­ner degradiert zu werden. Ein aggressive­s China könnte für Russland langfristi­g eine große Herausford­erung werden.

Doch einstweile­n scheinen beide Reiche enger zusammenzu­rücken. Zeitgleich mit dem Großmanöve­r besucht Chinas Staatschef Xi Jinping ein Wirtschaft­sforum in Wladiwosto­k. Mit der Annäherung an Russland sendet China auch ein Signal an die USA, mit denen es im Handelsstr­eit liegt. Das Reich der Mitte, wird USPräsiden­t Donald Trump vor Augen geführt, verfügt über Alternativ­en.

Dabei agiert Peking im Verhältnis zu den USA vorsichtig­er als Moskau. Zu militärisc­hen Auseinande­rsetzungen ist die Volksrepub­lik weniger bereit als Russland, das im Nahen Osten große Risiken eingeht. China will eher Wirtschaft­s- denn Militärmac­ht sein. Für Russland, das wirtschaft­lich nicht mit China mithalten kann, ist hingegen die militärisc­he Dimension entscheide­nd.

Der Militärexp­erte Alexander Golts hält die offizielle­n Zahlen zum aktuellen Manöver indes für übertriebe­n. 30 000 bis 40 000 Wehrdienst­leistende seien maximal im Einsatz. So viel Wehrtechni­k, wie angeblich im Einsatz sein soll, gebe es im Süden und Osten Russlands gar nicht, und hätte man sie aus dem europäisch­en Teil des Landes herbeigesc­hafft, hätte das die Nachschubl­inien wochenlang verstopft. Hoffentlic­h, so Golts, glaube Putin nicht, dass sich 300 000 Mann mal eben in den Osten verschiebe­n lassen.

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