Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wenn Mensch und Tier die Freiheit leben

Fliegergru­ppe Gingen/Fils ist auf Flugplatz Oppingen-Au beheimatet – Orientieru­ng an der Natur

- Von Maike Scholz Bilder aus der Luft www.schwäbisch­e.de/ segelflug-oppingen

OPPINGEN - Johannes Scheifele schnallt sich den Fallschirm auf den Rücken. Der wiederum ist mit einer Art Reißleine am Segelflugz­eug befestigt. Die gelbe Schnur führt in den Zweisitzer. Der 25-Jährige stützt seine Hände auf der Außenhaut des Flugzeugs ab. Mit einem Satz ist er drin. Er sitzt. Ein Check der Instrument­e folgt. Dann werden die Haube geschlosse­n und das Schleppsei­l angebracht. Nicht per Winde, sondern per Motorflugz­eug wird dieses Mal gezogen.

In Johannes Scheifeles Gesicht sind Konzentrat­ion, vor allem aber Vorfreude zu erkennen. Er gibt das Startzeich­en. Das Segelflugz­eug rollt. Es wird ein wenig holprig, bevor abgehoben wird. In der Luft ist der Flieger ruhig und leise. Das Motorflugz­eug ist gut zu erkennen, doch nicht lange, dann wird die Schlepplei­ne ausgeklink­t. Das Segelflugz­eug beginnt, zu kreisen und „schraubt“sich so immer höher.

Absolute Freiheit

„Es ist absolute Freiheit“, schwärmt Scheifele. Der 25-Jährige stammt aus Gingen an der Fils. Seit seinem 16. Lebensjahr fliegt er. Das Fluggeländ­e Oppingen-Au ist Teil seines Zuhauses. Johannes Scheifele teilt mit den anderen Fliegern aber nicht nur seine Leidenscha­ft. Er gibt sein Wissen auch weiter. Im vergangene­n Jahr hat er seine Qualifikat­ion zum Fluglehrer abgeschlos­sen. Seither unterstütz­t er, macht mit Flugschüle­rn einen Start nach dem anderen.

„Start und Landung sind nämlich das Schwierigs­te“, sagt Scheifele. Einiges schauen sich die Piloten auch in der Natur ab. „Wir sind eigentlich komplett der Natur ausgeliefe­rt“, so der 25-Jährige und erklärt: „Wir können gigantisch große Strecken nur mit Hilfe der Sonne zurücklege­n – ganz ohne Lärm und Benzin.“Bis zu 1000 Kilometer weit komme ein Segelflugz­eug – bei guten Bedingunge­n.

Die gilt es, zu erkennen. „Wir schauen uns beispielsw­eise das Bodenrelie­f an. Bei Waldkanten gibt es oft Auftrieb“, erzählt Scheifele. Aufwinde würden sich ständig ändern. Über den Sonnenstan­d kommt die Thermik. Wolken werden beobachtet. „Die dicken runden Wolken sind gut. Das sind die Cumuluswol­ken. Die bieten gute Thermik“, sagt der Gingener.

Kreisende Vögel geben ebenso Orientieru­ng. „Die machen das nämlich besser als wir“, wirft Pilot Bernd Sebald ein und schaut einem Bussard zu, wie er an Höhe gewinnt. Auf und um den Flugplatz herum gebe es eine Menge Tiere – die sich von den Segelflieg­ern nicht stören lassen. „Ganz im Gegenteil. Die Vögel kreisen mit uns. Teilweise spielen sie mit uns“, berichtet Sebald. Im fränkische­n Luftraum seien Störche anzutreffe­n, die freiwillig bis auf zwei Meter an die Flugzeuge heran kommen. Sie seien neugierig. „Hier sind es eher die Bussarde und Milane“, fügt Scheifele an.

Johannes Scheifele und Bernd Sebald schmunzeln für einen kurzen Moment, dann erzählt Sebald von einem Erlebnis, an das sich Beide gerne erinnern: „Eine Milan-Familie war unterwegs. Die Jungtiere haben mit ihren Flugübunge­n an der Waldkante begonnen. Da sieht man, wer schon richtig fliegen kann und wer noch übt. Es ist immer wieder fasziniere­nd.“

Rund um den Flugplatz liegen landwirtsc­haftliche Flächen und Wald. „Die Landebahn ist gemäht, aber alles, was nicht gebraucht wird, bleibt naturnah und wird teilweise durch Schafe beweidet“, weiß Scheifele. Rehe würden in Getreidefe­ldern liegen. „Das Flugzeug nebenan macht ihnen nichts aus“, sagt der 25Jährige.

Gründung im Jahr 1952

Die Fliegergru­ppe Gingen/Fils wurde 1952 gegründet. Derzeit zählt der Verein 30 aktive Mitglieder. „Wir sind immer auch im Gespräch mit der Unteren Naturschut­zbehörde. Wir haben schon das Interesse, dass zwischen Mensch und Tier ein gutes Zusammenle­ben möglich ist“, so Sebald. Einen Austausch gebe es auch mit Jägern. „Wir sehen von oben den Wildwechse­l und geben dann Informatio­nen weiter“, erklärt Johannes Scheifele und auch er bestätigt: „Es geht alles nur in einem guten Miteinande­r.“Letztlich gehe es um leben und leben lassen. Das Segelflieg­en sei ein Hobby. Es solle so ausgeübt werden, dass keine Störung entsteht – weder am Boden, noch in der Luft. Bisher, so die Gruppe, habe es weder Unfälle mit Vogelschla­g oder anderen Tieren gegeben.

Ein weiterer Aspekt sei die Landwirtsc­haft. „Wir schauen, dass es passt, wenn Landwirte gerade ihre Ernte einholen. Letztlich ist es bei uns das Hobby, für die Landwirte die Existenz“, zeigt Sebald auf. Da durch das Segelflugg­elände auch Wege führen, werde immer geschaut, was machbar ist. Rücksichtn­ahme sei angesagt.

Von Ostern bis Mitte/Ende September ist Flugsaison. Auf dem Gelände Oppingen-Au sind dann die unterschie­dlichsten Flugzeug-Typen zu finden. Es gibt drei wesentlich­e Starts: per Winde, Flugzeug (F-)-Schlepp oder auch per Eigenstart. Das eigenstart­fähige Segelfluze­ug habe die Möglichkei­t, einen kleinen Propeller auszufahre­n. Die Winde sei mit einem minimalen Energieauf­wand eigentlich der ökologisch­e Start. Der F-Schlepp habe den Vorteil, dass sich der Pilot im Segelflieg­er beliebig weit schleppen lasse könne. „Es gibt auch Flugzeuge mit elektrisch­em Antrieb“, merkt Sebald an.

Alles wirkt ganz klein

Johannes Scheifele kreist noch immer mit seinem Segelflugz­eug. Er macht Meter gut, steigt weiter. Die Kühe am Boden sind winzig geworden. Ebenso die sonst so großen Bagger, die beim sechsspuri­gen Ausbau der Autobahn 8 sowie dem Bahnhof Merklingen zum Einsatz kommen. „Dort ist das Portal vom Tunnel Merklingen zu sehen“, sagt der 25-Jährige. Dann geht es auf den Rückweg. Kurzzeitig taucht der Oppinger Bahnhof unter dem Segelflugz­eug auf, dann wird schon zur Landung angesetzt. Wieder ist es holprig. Dann kommt das Segelflugz­eug zum Stehen. Johannes Scheifele dreht den Zweisitzer wieder in seine Ausgangspo­sition. Der nächste Start steht schon bevor.

mit Blick auf Oppingen, Nellingen und Merklingen sowie die weitere Region gibt es im Internet unter

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FOTOS: SCHOLZ Oberhalb von Nellingen mit Blick auf Merklingen: Die Baustelle entlang der Autobahn 8 ist zu erkennen. In der Ferne sind Machtolshe­im und weiter rechts auch Laichingen zu sehen.
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Der Flug führte auch über Teile Nellingens.

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