Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wenn Mensch und Tier die Freiheit leben
Fliegergruppe Gingen/Fils ist auf Flugplatz Oppingen-Au beheimatet – Orientierung an der Natur
OPPINGEN - Johannes Scheifele schnallt sich den Fallschirm auf den Rücken. Der wiederum ist mit einer Art Reißleine am Segelflugzeug befestigt. Die gelbe Schnur führt in den Zweisitzer. Der 25-Jährige stützt seine Hände auf der Außenhaut des Flugzeugs ab. Mit einem Satz ist er drin. Er sitzt. Ein Check der Instrumente folgt. Dann werden die Haube geschlossen und das Schleppseil angebracht. Nicht per Winde, sondern per Motorflugzeug wird dieses Mal gezogen.
In Johannes Scheifeles Gesicht sind Konzentration, vor allem aber Vorfreude zu erkennen. Er gibt das Startzeichen. Das Segelflugzeug rollt. Es wird ein wenig holprig, bevor abgehoben wird. In der Luft ist der Flieger ruhig und leise. Das Motorflugzeug ist gut zu erkennen, doch nicht lange, dann wird die Schleppleine ausgeklinkt. Das Segelflugzeug beginnt, zu kreisen und „schraubt“sich so immer höher.
Absolute Freiheit
„Es ist absolute Freiheit“, schwärmt Scheifele. Der 25-Jährige stammt aus Gingen an der Fils. Seit seinem 16. Lebensjahr fliegt er. Das Fluggelände Oppingen-Au ist Teil seines Zuhauses. Johannes Scheifele teilt mit den anderen Fliegern aber nicht nur seine Leidenschaft. Er gibt sein Wissen auch weiter. Im vergangenen Jahr hat er seine Qualifikation zum Fluglehrer abgeschlossen. Seither unterstützt er, macht mit Flugschülern einen Start nach dem anderen.
„Start und Landung sind nämlich das Schwierigste“, sagt Scheifele. Einiges schauen sich die Piloten auch in der Natur ab. „Wir sind eigentlich komplett der Natur ausgeliefert“, so der 25-Jährige und erklärt: „Wir können gigantisch große Strecken nur mit Hilfe der Sonne zurücklegen – ganz ohne Lärm und Benzin.“Bis zu 1000 Kilometer weit komme ein Segelflugzeug – bei guten Bedingungen.
Die gilt es, zu erkennen. „Wir schauen uns beispielsweise das Bodenrelief an. Bei Waldkanten gibt es oft Auftrieb“, erzählt Scheifele. Aufwinde würden sich ständig ändern. Über den Sonnenstand kommt die Thermik. Wolken werden beobachtet. „Die dicken runden Wolken sind gut. Das sind die Cumuluswolken. Die bieten gute Thermik“, sagt der Gingener.
Kreisende Vögel geben ebenso Orientierung. „Die machen das nämlich besser als wir“, wirft Pilot Bernd Sebald ein und schaut einem Bussard zu, wie er an Höhe gewinnt. Auf und um den Flugplatz herum gebe es eine Menge Tiere – die sich von den Segelfliegern nicht stören lassen. „Ganz im Gegenteil. Die Vögel kreisen mit uns. Teilweise spielen sie mit uns“, berichtet Sebald. Im fränkischen Luftraum seien Störche anzutreffen, die freiwillig bis auf zwei Meter an die Flugzeuge heran kommen. Sie seien neugierig. „Hier sind es eher die Bussarde und Milane“, fügt Scheifele an.
Johannes Scheifele und Bernd Sebald schmunzeln für einen kurzen Moment, dann erzählt Sebald von einem Erlebnis, an das sich Beide gerne erinnern: „Eine Milan-Familie war unterwegs. Die Jungtiere haben mit ihren Flugübungen an der Waldkante begonnen. Da sieht man, wer schon richtig fliegen kann und wer noch übt. Es ist immer wieder faszinierend.“
Rund um den Flugplatz liegen landwirtschaftliche Flächen und Wald. „Die Landebahn ist gemäht, aber alles, was nicht gebraucht wird, bleibt naturnah und wird teilweise durch Schafe beweidet“, weiß Scheifele. Rehe würden in Getreidefeldern liegen. „Das Flugzeug nebenan macht ihnen nichts aus“, sagt der 25Jährige.
Gründung im Jahr 1952
Die Fliegergruppe Gingen/Fils wurde 1952 gegründet. Derzeit zählt der Verein 30 aktive Mitglieder. „Wir sind immer auch im Gespräch mit der Unteren Naturschutzbehörde. Wir haben schon das Interesse, dass zwischen Mensch und Tier ein gutes Zusammenleben möglich ist“, so Sebald. Einen Austausch gebe es auch mit Jägern. „Wir sehen von oben den Wildwechsel und geben dann Informationen weiter“, erklärt Johannes Scheifele und auch er bestätigt: „Es geht alles nur in einem guten Miteinander.“Letztlich gehe es um leben und leben lassen. Das Segelfliegen sei ein Hobby. Es solle so ausgeübt werden, dass keine Störung entsteht – weder am Boden, noch in der Luft. Bisher, so die Gruppe, habe es weder Unfälle mit Vogelschlag oder anderen Tieren gegeben.
Ein weiterer Aspekt sei die Landwirtschaft. „Wir schauen, dass es passt, wenn Landwirte gerade ihre Ernte einholen. Letztlich ist es bei uns das Hobby, für die Landwirte die Existenz“, zeigt Sebald auf. Da durch das Segelfluggelände auch Wege führen, werde immer geschaut, was machbar ist. Rücksichtnahme sei angesagt.
Von Ostern bis Mitte/Ende September ist Flugsaison. Auf dem Gelände Oppingen-Au sind dann die unterschiedlichsten Flugzeug-Typen zu finden. Es gibt drei wesentliche Starts: per Winde, Flugzeug (F-)-Schlepp oder auch per Eigenstart. Das eigenstartfähige Segelfluzeug habe die Möglichkeit, einen kleinen Propeller auszufahren. Die Winde sei mit einem minimalen Energieaufwand eigentlich der ökologische Start. Der F-Schlepp habe den Vorteil, dass sich der Pilot im Segelflieger beliebig weit schleppen lasse könne. „Es gibt auch Flugzeuge mit elektrischem Antrieb“, merkt Sebald an.
Alles wirkt ganz klein
Johannes Scheifele kreist noch immer mit seinem Segelflugzeug. Er macht Meter gut, steigt weiter. Die Kühe am Boden sind winzig geworden. Ebenso die sonst so großen Bagger, die beim sechsspurigen Ausbau der Autobahn 8 sowie dem Bahnhof Merklingen zum Einsatz kommen. „Dort ist das Portal vom Tunnel Merklingen zu sehen“, sagt der 25-Jährige. Dann geht es auf den Rückweg. Kurzzeitig taucht der Oppinger Bahnhof unter dem Segelflugzeug auf, dann wird schon zur Landung angesetzt. Wieder ist es holprig. Dann kommt das Segelflugzeug zum Stehen. Johannes Scheifele dreht den Zweisitzer wieder in seine Ausgangsposition. Der nächste Start steht schon bevor.
mit Blick auf Oppingen, Nellingen und Merklingen sowie die weitere Region gibt es im Internet unter
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