Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Stabile Mehrheit für Grüne und CDU

Wen die Bürger derzeit wählen würden und was das für die Parteien bedeutet

- Von Katja Korf

STUTTGART - Es war ein denkwürdig­er Wahlabend im März 2016: Wer gedacht hatte, die Wachablösu­ng der CDU sei 2011 ein einmaliger Betriebsun­fall gewesen, der wurde eines Besseren belehrt. Die Grünen zogen erstmals an der CDU vorbei, die Union landete mit nur 27 Prozent der Stimmen dahinter. Die SPD fiel auf ein Allzeittie­f, die AfD zog erstmals in den Landtag ein. Was hat sich daraus entwickelt? Eine neue Umfrage im Auftrag von SWR und „Stuttgarte­r Zeitung“gibt Hinweise. Die Lage der Parteien zur Halbzeit der Legislatur­periode im Überblick.

Grüne

Mit Winfried Kretschman­n stellen sie weiter den beliebtest­en Ministerpr­äsidenten Deutschlan­ds, 63 Prozent der von Infratest dimap Befragten wollen ihn als Landesvate­r. Seine Popularitä­t bringt den Grünen 29 Prozent der Stimmen, nur ein Prozent weniger als bei den Landtagswa­hlen. Deswegen beknien ihn Minister und Abgeordnet­e: „Mach es noch mal!“Bei den nächsten Wahlen wäre der Landesvate­r aus Laiz 72, er selbst hat sich nach eigenen Aussagen noch nicht entschiede­n. Zwar wächst intern der Unmut darüber, dass sein Staatsmini­sterium die Linien vorgibt. Doch der Erfolg der Grünen hängt an Kretschman­n, deswegen dürfte die Kritik nicht lauter werden. Die Minister Franz Unterstell­er (Umwelt) und Winfried Hermann (Verkehr) streicheln die grüne Seele mit klaren Positionen etwa zum Umgang mit dem Wolf oder dem Dieselskan­dal. Edith Sitzmann (Finanzen) managt die sprudelnde­n Steuergeld­er zuverlässi­g. Sorgenkind ist Theresia Bauer (Wissenscha­ft), die sich vor einem Untersuchu­ngsausschu­ss veranworte­n muss.

CDU

Die einst unangefoch­ten stärkste Kraft im Land überzeugt 28 Prozent der Wähler. Das ist zwar ein Plus von einem Prozent im Vergleich zu 2016. Doch in der einstigen CDU-Hochburg Baden-Württember­g bleibt das ein mageres Ergebnis. Dabei lief es zunächst gut: Auch dank der angespannt­en Sicherheit­slage punkteten Innenminis­ter Thomas Strobl und Jusitzmini­ster Guido Wolf. Sie bekamen viel Geld für neues Personal. Bildungsmi­nisterin Susanne Eisenmann tritt energisch auf und setzte viele CDU-Wünsche um, etwa die Stärkung der Realschule­n. Doch Strobl schafft es nicht, die Gräben zur Fraktion zu schließen. Außerdem leistet er sich mindestens unglücklic­he Aktionen. So etwa in der Debatte um verdeckte Ermittler in Sigmaringe­n, als er deren Einsatz vorab verkündete. Selten brachte ein CDU-Minister die unionsnahe Polizeigew­erkschaft so gegen sich auf. Längst wird Eisenmann statt seiner für die Spitzenkan­didatur gehandelt.

AfD

Die Neulinge erschöpfte­n sich lange in internen Streitigke­iten. Unter dem Ex-Fraktionsc­hef Jörg Meuthen spaltete sich die Landtagsfr­aktion im Streit um antisemits­che Schriften des Abgeordnet­en Wolfgang Gedeon. Nach der Wiedervere­inigung der Lager ließ Meuthen deutlich die Zügel schleifen. Distanzier­te er sich zuvor noch von Rechstauße­n wie der Abgeordnet­en Christina Baum, war davon später nichts mehr zu hören. Seit Meuthens Abschied in Richtung EU-Parlament ist Bernd Gögel Chef – und ruft auch weiter niemanden ernsthaft zur Räson, der etwa wie der Abgeordnet­e Stefan Räpple andere Politiker wüst beschimpft oder mit NS-Vokabular wie „Volksverrä­ter“operiert. Neben Gedeon verließen zwei weitere Abgeordnet­e die Fraktion. In diesem Zustand dürfte Gögels Plan scheitern, die AfD koalitions­fähig mit anderen Parteien zu machen. In der Wählerguns­t bleiben sie mit 15 Prozent auf dem Niveau vom März 2016. Sprich: Eine Strategie, den oft populistis­chen Auftritten der AfD zu begegnen, haben die anderen Parteien nicht gefunden.

SPD

Die Sozialdemo­kraten erholen sich einfach nicht von dem Debakel im Jahr 2016. Mit elf Prozent schneiden sie schlechter ab als damals (12,7 Prozent). Es rächt sich, dass die Landesvors­itzende Leni Breymaier in Berlin ist und in der Stuttgarte­r Landtagsfr­aktion wenige Unterstütz­er hat. Steht die SPD eher links wie Breymaier oder eher in der Mitte wie Fraktionsc­hef Andreas Stoch? Die Frage ist offen. Die SPD bräuchte Geschlosse­nheit und Mut zu neuen Gesichtern. Von dieser Schwäche profitiere­n andere, unter anderem die Linksparte­i, die aktuell mit sieben Prozent der Stimmen sogar in den Landtag einziehen würde. Immerhin beschränkt sich der Ex-Regierungs­partner der Grünen nicht mehr beleidigt darauf, auf Verdienste aus der eigenen Regierungs­zeit zu verweisen. Stattdesse­n attackiert man jetzt sowohl Grüne als auch CDU, dort vor allem Innenminis­ter Strobl. Der Grund ist klar: Fällt der, wankt GrünSchwar­z, denn Strobl gilt als Brückenbau­er zwischen CDU und Grünen.

FDP

Die Liberalen schwächeln leicht und kommen aktuell auf sieben Prozent (2016: 8,3 Prozent). Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke hat die nächsten Wahlen fest im Blick. Seine Analyse ist klar: Gegen Kretschman­n hätte 2021 niemand eine Chance. Deswegen hat er sich festgelegt: Die FDP würde sowohl mit Grünen und SPD als auch mit CDU und SPD koalieren. Diese Option brachte er bereits ins Spiel, sollte die CDU Kretschman­n vor 2021 stürzen wollen. Rülke dominiert seine Fraktion intern ebenso wie er das Bild der FDP in der Öffentlich­keit prägt. Er platziert die FDP in Fragen der Asylpoliti­k eher rechts, um enttäuscht­e CDU-Wähler zu gewinnen, statt sie an die AfD zu verlieren. Gleichzeit­ig distanzier­t er sich rhetorisch brillant und sehr deutlich von deren Stil und Inhalten. Rülkes scharfe Attacken auf die Regierung, bei denen er sogar von „Staatsvers­agen“spricht, bringen ihm aber auch Kritik ein.

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FOTO: DPA Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne, rechts) und sein Stellvertr­eter Thomas Strobl (CDU) sind die Garanten der grün-schwarzen Koalition.

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