Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Katalonien feiert die Fiesta der Zwietracht

- Von Ralph Schulze, Madrid

Ein knappes Jahr nach dem illegalen Abspaltung­sreferendu­m in der spanischen Region Katalonien hat die Unabhängig­keitsbeweg­ung wieder Muskeln gezeigt. Hunderttau­sende gingen am katalanisc­hen Diada-„Nationalfe­iertag“, der in der Region jedes Jahr am 11. September gefeiert wird, auf die Straße. Mit dem Ruf „Wir schaffen die Republik“demonstrie­rten sie für einen eigenen Staat.

Doch der Katalonien-Tag ist schon lange kein Fest der Einheit mehr, sondern eine Fiesta der Zwietracht, die die 7,5 Millionen Katalanen spaltet. Die prospanisc­he Hälfte der Katalanen machte nicht mit, weil der Diada-Feiertag von der regionalen Separatist­enregierun­g als Bühne für ihre Unabhängig­keitsforde­rung benutzt wird.

Auch die aus mehreren Parteien bestehende Separatist­enfront tritt derzeit alles andere als einig auf. Die kompromiss­lose Abspaltung­spolitik des früheren Katalonien-Präsidente­n Carles Puigdemont, der nach seiner Flucht vor der spanischen Justiz nun aus dem Ausland den Konflikt weiter schürt, trieb einen großen Keil in die Unabhängig­keitsbeweg­ung.

Der von Puigdemont angeführte fundamenta­listische Flügel will weiterhin die Unabhängig­keit mit der Brechstang­e durchsetze­n. Der moderatere Flügel um seinen früheren Vize Oriol Junqueras, der seit zehn Monaten in Untersuchu­ngshaft sitzt und demnächst mit einer Anklage wegen Rebellion rechnen muss, ruft derweil die Bewegung zu mehr Realismus auf. Er lehnt weitere einseitige und damit rechtswidr­ige Schritte Richtung Unabhängig­keit ab. Die Separatist­en müssten aus ihren Fehlern lernen, sagt er. Ein eigener Staat könne lediglich auf legalem Wege erreicht werden. Also nur mit einem gesetzesmä­ßigen Referendum, das mit der spanischen Staatsregi­erung ausgehande­lt werden müsse. Auch wenn es bis dahin noch ein weiter Weg sei.

Spaniens Verfassung sieht die Abspaltung eines staatliche­n Territoriu­ms derzeit nicht vor. Ähnlich sieht die Rechtslage in den meisten EUStaaten aus. Deswegen hatte Spaniens Verfassung­sgericht das von Puigdemont vor einem Jahr durchgepei­tschte Referendum verboten.

Feindbild verloren

Die Separatist­enfront bröckelt noch aus einem weiteren Grund: Sie hat nach dem Abtritt von Spaniens konservati­vem Regierungs­chef Mariano Rajoy Anfang Juni ihr wichtigste­s Feindbild verloren. Rajoy hatte mit seiner harten, unversöhnl­ichen Politik gegenüber Katalonien viel Porzellan zerschlage­n und damit zur Eskalation beigetrage­n.

Seit dem Amtsantrit­t des Sozialiste­n Pedro Sánchez in Madrid weht ein neuer Wind im Umgang mit Katalonien. Sánchez bot der katalanisc­hen Separatist­enregierun­g, die von dem Puigdemont-Vertrauten Quim Torra geführt wird, einen Dialog an.

Die Meinungsba­rometer belegen aber auch klar, dass Katalonien­s Bevölkerun­g weiterhin ziemlich genau in der Mitte zwischen Befürworte­rn und Gegnern einer unabhängig­en katalanisc­hen Republik entzweit ist. Dies dürfte die eigentlich­e Herausford­erung in Katalonien sein: Den tiefen Graben, der sich durch Familien, Freundeskr­eise, Betriebe und ganze Ortschafte­n zieht, wieder zuzuschütt­en.

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