Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Elektrisch in die Zukunft
Autozulieferer ZF liefert E-Achse für Daimler-Busse – Wachstumshoffnung im Pkw-Bereich
FRIEDRICHSHAFEN - Der deutschen Automobilindustrie wird mit Blick Richtung Fernost bisweilen vorgeworfen, den Wandel zur Elektromobilität zu verschlafen. Gilt das auch für den Friedrichshafener Automobilzulieferer ZF? Die nächste Woche beginnende Internationale Automobil Ausstellung Nutzfahrzeuge (IAA) in Hannover will der Konzern jedenfalls auch dafür nutzen, um Einblicke in Breite und Tiefe seines Technologieportfolios im E-Bereich zu geben.
Zu den Produkten, die ZF in Hannover zeigt, gehört unter anderem die Elektroportalachse AxTrax AVE, die der Autokonzern Daimler künftig in seiner Nutzfahrzeugsparte einsetzen wird. „Mercedes-Benz setzt bei seinem neuen, rein elektrisch angetriebenen eCitaro auf die AxTrax AVE“, bestätigte ein ZF-Sprecher der „Schwäbischen Zeitung“. „Ende des Jahres soll die Serienproduktion des eCitaro beginnen.“Die zwei Elektromotoren der Achse leisten nach Angaben von ZF je 125 Kilowatt. Die Energieversorgung übernehmen LithiumIonen-Batterien, die auf dem Dach und im Heck des Busses platziert sind.
Doch der Zulieferer rüstet nicht nur Busse mit elektrischen Komponenten aus. Ingesamt 17 verschiedene Fahrzeuge hat ZF kürzlich auf dem Flughafen in Friedrichshafen versammelt, die fast die gesamte Palette unterschiedlicher Typen zeigen, in denen E-Technik aus dem Hause ZF bereits serienmäßig zum Einsatz kommt oder demnächst kommen wird. Die reicht vom handlichen Scooter mit sensorgestützter Kick-Unterstützung bis zum 40-Tonner mit Hybridantrieb. Vom Kleinwagen mit elektrischem Hinterachsantrieb bis zum Porsche Panamera mit Hybrid-Doppelkupplungsgetriebe. Vom TraktorAnhänger mit elektrischer Antriebsachse bis zum Formula-E-Rennwagen, den ZF in der Saison 2019 mit einem kompletten Antriebsstrang ausrüsten wird. Vom Pedelec bis zum futuristischen Kleinbus „e.GO Mover“, der in absehbarer Zeit auch auf der geplanten Teststrecke für automatisiertes Fahren in Friedrichshafen unterwegs sein wird – und eines Tages eine zentrale Rolle spielen könnte im öffentlichen Personennahverkehr, der keine Fahrer mehr benötigt.
Für die elektromobile Zukunft sieht sich ZF vor allem deshalb gut gerüstet, weil sich der Konzern als Systemanbieter versteht, der nicht nur elektrische Antriebssysteme entwickelt und produziert, sondern vernetzte Gesamtsysteme anbietet. Da geht es zum Beispiel um Fahrzeugsteuerung oder eben auch um das große Thema automatisiertes und später autonomes Fahren. Mit einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro bei einem Gesamtumsatz von mehr als 36 Millionen Euro im Jahr 2017 ist der Bereich E-Mobility im Gesamtangebot von ZF allerdings noch ein vergleichsweise kleiner Geschäftsbereich. Aber immerhin einer, der relativ schnell wächst. Bereits im ersten Halbjahr 2018 lag der Umsatz in der Division E-Mobility bei etwas mehr als einer Milliarde Euro.
2017 hat ZF knapp 80 000 Plug-InHybridgetriebe produziert, was bezogen auf die Getriebebasisvarianten einem Anteil von vier Prozent entspricht. Bis 2025 soll dieser Anteil auf 40 Prozent steigen. Im laufenden Jahr plant ZF mit 120 000 verkauften Plug-In-Hybridgetrieben. Außerdem ist noch 2018 der Einstieg in die Serienproduktion reiner E-Antriebe geplant. Die Fertigungskapazität für E-Motoren wird in diesem Jahr zum dritten Mal hintereinander verdoppelt, insgesamt sollen 170 000 E-Motoren vom Band laufen – inklusive jener Motoren für Hybridsysteme.
Die Nachfrage nach emissionsfreien oder zumindest schadstoffarmen Antriebslösungen steigt nach Angaben des Unternehmens sowohl im öffentlichen Personennahverkehr als auch im Bereich Logistik. Das größte Wachstum sehe man aber bei Pkw, teilt ein ZF-Sprecher mit. Um der erwartet steigenden Nachfrage nachkommen zu können, hat der Konzern im vergangenen Jahr nicht nur das Budget für Forschung und Entwicklung um 14 Prozent erhöht, sondern investiert auch in den Aufund Ausbau von Produktionslinien für die Elektromobilität in Deutschland, Osteuropa und Asien.