Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Unser Sport ist auch so gefährlich genug“
Ein Ulmer Motorsportler über die gefährliche Aktion eines Italieners bei Tempo 230
ULM - Die Aktion hatte kürzlich im Motorsport Entsetzen ausgelöst: Beim Großen Preis von San Marino greift der italienische Moto2-Pilot Romano Fenati bei Tempo 230 auf der langen Gerade seinem Landsmann Stefano Manzi an den Lenker und zog dessen Vorderradbremse. Dieser konnte trotz eines leichten Rutschers gerade noch einen Sturz verhindern. Daniel Kartheininger ist auf einer 1000-Kubik-Maschine für den Ulmer UMC unterwegs. Im Interview mit Pit Meier erzählt er, was er von der Aktion hält und was er selbst schon erlebt hat.
SZ: Sie fahren seit ihrem neunten Lebensjahr Motorradrennen und Sie sind derzeit für den Ulmer UMC mit einem 1000-Kubik-Superbike in der internationalen deutschen Meisterschaft unterwegs. Hat Ihnen schon mal ein Konkurrent während eines Rennens an die Bremse Ihrer Maschine gefasst, Herr Kartheininger? Daniel Kartheininger: Das ist mir noch nie passiert. Aber ich hatte mal einen technischen Defekt mit ähnlichen Konsequenzen: Ein Kolbenklemmer bei 220 Stundenkilometern. Da fliegt man fast zwangsläufig auf die Schnauze und es tut ziemlich weh. Ich habe mir damals Verletzungen am Brustkorb zugezogen und dabei hatte ich noch Glück. Das hätte viel schlimmer ausgehen können.
Haben Sie eine Erklärung für diese Aktion des Italieners Romano Fenati beim Rennen in Misano gegen seinen Landsmann Stefano Manzi?
Nein, die kann ich mir nicht wirklich erklären. Unser Sport ist schließlich auch so schon gefährlich genug. Die beiden Italiener haben sich in diesem Rennen wohl schon länger beharkt, dann kam diese Kurzschlussreaktion von Fenati, bei der er sein Hirn mit Sicherheit nicht eingeten schaltet hat. So etwas kann nämlich richtig heftige Folgen haben. Fenati hat eine sehr schwere Verletzung seines Konkurrenten oder sogar einen Sturz mit tödlichem Ausgang billigend in Kauf genommen.
Wie fair oder unfair ist der Motorrad-Rennsport generell?
Es gibt ein paar Kameraden, die treten auf der Geraden schon mal mit dem Fuß gegen die Verkleidung einer anderen Maschine. Das habe ich auch schon erlebt, zum Glück hat der nicht richtig getroffen. Das ist auch sehr gefährlich. Dabei ist die Sache eigentlich einfach: In unserem Sport überholt man eben und man wird selbst überholt. Dann muss man die Eier haben, etwas mehr Gas zu geben und sich ohne irgendwelche Mätzchen und Unsportlichkei- seine Position zurück zu holen.
Wenn es doch zu Stürzen kommt, dann gehen die oft überraschend glimpflich aus. Trainiert ein Motorrad-Rennfahrer eigentlich Stürze?
Wir trainieren Stürze nicht wirklich, wir wissen aber aus Erfahrung, wie wir uns in so einem Fall verhalten müssen. Ganz wichtig ist es, die Beine anzuziehen und die Arme am besten zu verschränken. Ich erinnere mich an ein Rennen, bei dem bei mehr als 220 Stundenkilometern das Hinterrad meiner Maschine in einer Linkskurve plötzlich komplett zum Stillstand gekommen ist. Ein Sturz ist dann nur noch zu vermeiden, wenn man blitzartig die Kupplung zieht. Das habe ich nicht geschafft, die Folge war ein in der Szene berüchtigter Highsider: Man rutscht nicht über die Strecke, sondern wird nach rechts aus dem Sitz katapultiert und fliegt durch die Luft. Die Arme habe ich damals auch nicht rechtzeitig an den Körper bekommen, ich bin an einem Gullideckel hängen geblieben und habe mich ziemlich schwer an der Schulter verletzt.
Das klingt richtig gruselig. Fährt in Zukunft auch noch die Angst vor dem Griff eines Rivalen an die Bremse der eigenen Maschine mit?
Ich mache mir da auch nach diesem Ausraster von Fenati keine Sorgen. So etwas ist mir wie gesagt noch nie passiert, ich habe vor der Aktion von Fenati auch noch nie davon gehört und ich hoffe doch sehr, dass so etwas nie wieder vorkommt.