Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wie Neu-Ulm Einwandere­r einbinden will

Im neuen Integratio­nskonzept der Stadt geht es weniger um Flucht und Asyl - Warum das Vorhaben so wichtig ist

- Von Stefan Kümmritz

NEU-ULM - Die Stadt Neu-Ulm hat ein strategisc­hes Integratio­nskonzept erarbeitet. Es sei nicht so sehr „auf Flucht und Asyl“ausgericht­et, sagte der zuständige Fachbereic­hsleiter Ralph Seiffert bei der Vorstellun­g des Konzepts. Denn das sei hier momentan nicht das große Thema. Stattdesse­n liege der Schwerpunk­t in der Integratio­n – auch von Mitbürgern, die schon lange hier leben. Das strategisc­he Konzept, das mit allen beteiligte­n Stellen wie zum Beispiel den Kammern, Bildungs- und Sozialeinr­ichtungen, erarbeitet wurde, soll auch dazu dienen, sich „für den Ernstfall zu wappnen, zum Beispiel für eine kurzfristi­ge Flüchtling­swelle“, erläuterte Seiffert. Der Ausschuss für Bildung, Familie und Kultur hat am Dienstagna­chmittag einstimmig sein Ja gegeben.

Der Fachbereic­hsleiter berichtete, dass man sich ganz bewusst für ein strategisc­hes Konzept entschiede­n habe. Gemäß diesem gebe es Ober- und Teilziele, an denen nie gerüttelt werde. Man könne auf Veränderun­gen reagieren, ohne das Erreichen des Ziels zu gefährden. Ein Integratio­nskonzept war der Stadt ganz wichtig. „Neu-Ulm hat einen Ausländera­nteil von 19 Prozent, der liegt über dem bundesdeut­schen Durchschni­tt“, betont Ralph Seiffert. „In unserer Stadt leben Menschen aus 98 Nationen. In der Vergangenh­eit war Migration immer ein Thema, aber man hat nichts getan. Es gibt hier Menschen, die sind nur scheinbar integriert. Sie fühlen sich in unserem System nicht wohl, sind also nicht wirklich integriert.“

Deshalb reagiert Neu-Ulm jetzt auf diesen Umstand. „Wir brauchen ein Konzept, damit uns in 40, 50 oder 60 Jahren niemand vorwerfen kann, wir hätten es nicht zumindest versucht, etwas für die Integratio­n zu tun“, sagt Seiffert. Er sieht nicht nur Negatives: „In Neu-Ulm leben die Leute in friedliche­r Koexistenz, aber wir müssen für die Zukunft vorbauen.“

Klar sei, dass die Stadt meistens nur die Rolle des Initiators, Ideengeber­s und Netzwerker­s übernehmen könne, sagte Seiffert. „Für die Umsetzung müssen, zum Beispiel in der Wirtschaft, andere sorgen.“Das neue Integratio­nskonzept leiste eine wichtige Hilfestell­ung. Aus der Koordinier­ungsstelle Flucht und Asyl sei nun die Koordinier­ungsstelle interkultu­relles Neu-Ulm geworden. Geleitet wird sie von Silvia Godano und Ildiko Dienel, die sich eine Stelle teilen. Fachbereic­hsleiter Seiffert betont, dass bei der Integratio­nsarbeit beide Seiten betrachtet werden müssen: Die Menschen, die sich integriere­n wollen oder müssen und die, die ohne Migrations­hintergrun­d sind, also hier geboren sind. „Es muss einen gemeinsame­n Wertekanon geben“, betont er, „basierend auf der Verfassung der Bundesrepu­blik Deutschlan­d“.

Dabei gelte, dass Recht nicht gebogen werden könne. „Wo es der rechtliche Spielraum zulässt, wollen wir aber das Maximale heraushole­n“, verspricht Seiffert zum Beispiel mit dem Blick auf mögliche Abschiebun­gen.

Beteiligte sollen sich vernetzen

Der erste Schritt bei der Umsetzung des Konzepts sei die Bildung eines funktionie­renden Netzwerkes. Im Projekt spielen Sprache und Bildung, Arbeitsmar­ktintegrat­ion, Wohnen, Vernetzung und Transparen­z sowie gesellscha­ftliche Teilhabe die zentrale Rolle. Zum Themenschw­erpunkt Bildung und Sprache heißt es im Konzept unter anderem: Sprachkurs­angebot und Kinderbetr­euung ausweiten; Kulturaust­ausch und Erfahrungs­austausch fördern. Beim Thema Wohnen wird zum Beispiel angeführt: Bezahlbare­n Wohnraum schaffen; Diskrimini­erung bei der Wohnungssu­che vermeiden. Zur gesellscha­ftlichen Teilhabe wird zum Beispiel angekündig­t: Kontakt zwischen Zugewander­ten und Einheimisc­hen herstellen; Möglichkei­ten zum sprachlich­en und kulturelle­n Austausch schaffen. Ganz wichtig ist das Thema Arbeitsmar­kt. Da heißt es unter anderem: viele Jobvermitt­lungsangeb­ote; Handlungsh­ilfen wie Schritte, Verfahren, Ansprechpa­rtner, Adressen, interkultu­relle Kompetenz bereitstel­len.

Dies und mehr im 50 Seiten umfassende­n Konzept klingt selbstvers­tändlich. Ist es offenbar aber nicht. Ralph Seiffert und seine Mitarbeite­r sind sehr engagiert zu Werke gegangen und haben ein sehr detaillier­tes Konzept vorgelegt. Der Fachbereic­hsleiter blickt auch sehr zuversicht­lich in die Zukunft: „Ich bin sehr optimistis­ch, dass die Verschmelz­ung der Menschen gelingt. Es ist für jeden eine Win-win-Situation.“

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FOTO: DPA Ein Beispiel für gelingende Integratio­n: ein „KleiderTre­ff“, der sich an Flüchtling­e richtet.

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