Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Dem Grauen trotzen

- Von Katja Korf k.korf@schwaebisc­he.de

Dieser Friedensno­belpreis belohnt mit Nadia Murad eine Frau, vor der man nicht genug Hochachtun­g haben kann. Misshandel­t, erniedrigt von Peinigern des „Islamische­n Staates“, die eine Religion pervertier­en, um unmenschli­che Exzesse zu rechtferti­gen. Noch im Irak, in Reichweite der selbst ernannten Gotteskrie­ger, war für Nadia Murad klar: Sie will reden. Sie lässt sich nicht zum Opfer machen, nicht zum Schweigen bringen. Durch ihr Engagement hat sie anderen Jesidinnen Mut gemacht, öffentlich über ihre Erlebnisse zu sprechen. Die Grausamkei­t der Islamisten und deren Verbrechen im Nordirak wurden dadurch weltweit bekannt.

Ein kleines Stück des Preises gehört dem Mut und der Menschlich­keit Baden-Württember­gs. 2014 haben Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und seine grün-rote Regierung 1000 Frauen Zuflucht gewährt. Zwar fiel diese Entscheidu­ng, als die Flüchtling­sfrage noch nicht so emotional diskutiert wurde. Dennoch: 90 Millionen Euro vorzusehen für Therapie, Unterbring­ung und Begleitung, das muss man erst mal tun – als erstes Bundesland.

1000 dieser Menschen zu helfen, das ist nicht nur ein Zeichen der Menschlich­keit. Es heißt auch: 1000 Frauen auszuwähle­n, Schicksale gegeneinan­der abzuwägen. Es zeigt: Wir können nicht alle retten. Aber wir versuchen zu tun, was in unserer Macht steht.

68,5 Millionen Menschen fliehen weltweit vor Krieg, Folter und Verfolgung. Viele sind auf der Flucht, weil sie kaum das Nötigste zum Überleben haben. Man kann sich abwenden, nach geschlosse­nen Grenzen rufen und das Leid weit weghalten. Oder man kann so tun, als wäre Europa in der Lage, allen zu helfen. Die Wahrheit ist schwierige­r. Integratio­n von Flüchtling­en braucht Kraft, Fluchtursa­chen zu bekämpfen dauert und kostet Geld.

Die Welt ist komplizier­t, viele Wahrheiten schmerzen. Nadia Murad hat sich ihre Menschlich­keit nicht nehmen lassen durch die unmenschli­che Behandlung. Ihre Haltung ist ein „Trotzdem“. Trotzdem menschlich bleiben und nicht verzweifel­n im Angesicht der Probleme. Davon können wir lernen.

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