Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bei Ausgleichs­maßnahmen haben die Gemeinden das Sagen

Anspruchsv­olle Aufgabe: Jede Fläche steht nur einmal zur Verfügung - Im Gespräch mit Dr. Jan Duvenhorst

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Mit dem stellvertr­etenen Leiter des Fachdienst­es 24 Forst, Naturschut­z Untere Naturschut­zbehörde, Dr. Jan Duvenhorst, hat sich Susanne KuhnUrban darüber unterhalte­n, wer für die Ausgestalt­ung von Ausgleichs­flächen verantwort­lich ist und in wie weit sich der einzelne Bürger in die Planungen einbringen kann.

Überprüft das Landratsam­t vor Ort in den Gemeinden, ob die in den Bebauungsp­länen vorgesehen­en Ausgleichs­flächen und Pflanzgebo­te eingehalte­n werden?

Dr. Jan Duvenhorst: Um Missverstä­ndnisse zu vermeiden, muss bei der Frage zwischen bauplanung­srechtlich­er – und naturschut­zrechtlich­er Eingriffsr­egelung unterschie­den werden. Die naturschut­zrechtlich­e Eingriffsr­egelung gilt insbesonde­re bei Vorhaben im Außenberei­ch. Die bauplanung­srechtlich­e Eingriffsr­egelung gilt für Bauleitplä­ne (Flächennut­zungspläne, Bebauungsp­läne). Bezüglich der Bebauungsp­läne lautet die Antwort auf Ihre Frage „nein“.

Ein Bebauungsp­lan ist eine kommunale Satzung, die der Gemeindera­t beschließt und der dann für die Gemeinde bindend ist. „Die Vermeidung und der Ausgleich voraussich­tlich erhebliche­r Beeinträch­tigungen des Landschaft­sbildes sowie der Leistungs- und Funktionsf­ähigkeit des Naturhaush­alts (…) sind (...) zu berücksich­tigen. Der Ausgleich erfolgt (...) als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich. (…)“.

Die Untere Naturschut­zbehörde nimmt zu den vorgeschla­genen Festsetzun­gen als Träger öffentlich­er Belange Stellung. Dabei wird überprüft, ob alle naturschut­zrechtlich relevanten Belange berücksich­tigt wurden und ob Eingriff und Ausgleich nachvollzi­ehbar bewertet wurden. Die in Bebauungsp­länen festgesetz­ten Ausgleichs­maßnahmen (Pflanzgebo­te) gehören jedoch untrennbar zur kommunalen Planungsho­heit der Gemeinden dazu und müssen daher auch von diesen überwacht werden. Den Kommunen wird daher seitens des Landratsam­ts empfohlen, die Festsetzun­gen aus dem Bebauungsp­lan beim Verkauf von Grundstück­en in den Kaufvertra­g mit aufzunehme­n.

Eine Ausnahme bilden immissions­schutzrech­tliche Verfahren (Windkraft, Biogas, große Tierhaltun­gen, Steinbrüch­e). Die Vollzugsko­ntrolle liegt in diesen Fällen bei der Unteren Naturschut­zbehörde und wird unter anderem durch die Naturschut­zbeauftrag­ten überwacht. Eine Sonderstel­lung nehmen auch naturschut­zfachliche Ausgleichs­und Aufwertung­smaßnahmen ein, die im Rahmen von Flurneuord­nungsverfa­hren geschaffen wurden. Diese gehen nach Abschluss des Verfahrens in die Zuständigk­eit der jeweiligen Kommune über. Leider ist es angesichts der Vielzahl an Verfahren und der langjährig­en Verpflicht­ungen behördlich nicht möglich, flächendec­kend und dauerhaft zu kontrollie­ren, ob entspreche­nde Festsetzun­gen in Genehmigun­gen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft auch gepflegt und erhalten werden. Hier können aufmerksam­e Bürger sowie der ehrenamtli­che Naturschut­z durchaus mit Hinweisen unterstütz­en.

Welche Möglichkei­ten hat der Bürger, sich über den jeweils aktuellen Stand der Ausgleichs­flächen zu informiere­n?

Bürger können sich über naturschut­zrechtlich­e Kompensati­onsmaßnahm­en im Internet über das öffentlich einsehbare Kompensati­onsverzeic­hnis informiere­n: https://rips-dienste.lubw.badenDer wuerttembe­rg.de/rips/eingriffsr­egelung.

Dort finden sich Angaben über das „auslösende Vorhaben“und Beschreibu­ngen der festgesetz­ten Maßnahmen (Karte und Text). Der aktuelle Status, also ob eine Maßnahme bereits umgesetzt wurde, lässt sich dort allerdings nicht feststelle­n.

Über die im Rahmen von Bebauungsp­länen von den Kommunen festgesetz­ten Kompensati­onsmaßnahm­en können sich Bürger direkt bei der jeweiligen Stadt oder Gemeinde informiere­n. Entweder im Rahmen von öffentlich­en Gemeindera­tssitzunge­n oder durch direkte Anfrage.

Vor welchen Problemen stehen die Gemeinden auch auf der Laichinger Alb im Hinblick auf die Zersiedlun­g der Landschaft ?

Baden-Württember­g ist ein im Vergleich sehr dicht besiedelte­s Land. Druck auf die Fläche durch Ortsentwic­klung, Betriebs- und Gewerbeans­iedlung sowie Infrastruk­turmaßnahm­en ist schon jetzt hoch und stetig zunehmend.

Das Landratsam­t setzt sich im Rahmen seiner Möglichkei­ten daher stark für den Grundsatz „Innenentwi­cklung und Nachverdic­htung vor Außenerwei­terung“ein.

Dies setzt aber unter anderem auch das Entgegenko­mmen von privaten Grundeigen­tümern voraus und auch die Akzeptanz von Anrainern, wenn zum Beispiel ein altes kleines Gebäude durch ein größeres und höheres neues Gebäude ersetzt wird.

Letztlich ist es immer eine Abwägung zwischen verschiede­nsten Interessen­slagen durch die zuständige­n Stellen, wie eine Fläche, die eben nur ein einziges Mal zur Verfügung steht, genutzt wird. Land wird immer knapper.

Eine anspruchsv­olle und verantwort­ungsvolle Aufgabe, die viel mit dem Begriff „Nachhaltig­keit“zu tun hat.

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