Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Berliner Schatten über der Hessenwahl

CDU-Ministerpr­äsident Bouffier führt seit 2013 eine schwarz-grüne Koalition – Die Union schwächelt auch hier

- Von Sabine Lennartz

WIESBADEN - Wechselsti­mmung? Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU), der seit fünf Jahren mit den Grünen zusammen regiert, kann keine erkennen. Seine Bilanz dieser Zeit: „Wir haben alles ganz gut gemacht.“Und selbst Herausford­erer Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) spricht nur von einem „latenten, unterschwe­lligen Wunsch nach Wechsel“im Land. Und doch wird es in Hessen spannend, wenn am 28. Oktober gewählt wird.

Bislang regiert eine schwarz-grüne Koalition das Land. Während die Grünen laut Umfragen zulegen und bei 17 Prozent gesehen werden, schmiert die CDU auf einen Tiefstand von 28 bis 29 Prozent ab. Das wären zehn Prozent weniger als das Ergebnis, das sie 2013 holte. Ministerpr­äsident Volker Bouffier seufzt und sagt: „Berlin, Berlin, Berlin.“Für ihn steht fest, dass die Bundespoli­tik – genauer gesagt der Ärger darüber – alles dominiert. „Berlin kostet uns, da bin ich mir ganz sicher.“

Eigentlich gehe es Hessen gut wie nie – und doch sei alles überlagert von den Ängsten der Menschen, von Verunsiche­rung, sagt Bouffier. In Hessen gebe es keine Schulen, in die es hineinregn­et. Die Breitbandv­ersorgung sei gut, die Mobilität sei auch recht gut, alle Schüler und Auszubilde­nden können für einen Euro am Tag durchs ganze Land fahren.

Eine überrasche­nd gute Bilanz

Bouffier und sein Vize, Wirtschaft­sminister Tarek Al-Wazir von den Grünen, haben geräuschlo­s und gut zusammen regiert. Weil dies vor fünf Jahren kaum jemand von dem konservati­ven Bouffier und den Grünen erwartet hatte, sind die beiden an der Spitze auch ein bisschen stolz. Hessen hat die erste schwarz-grüne Koalition in einem Land, die eine ganze Legislatur­periode hielt.

Doch die Regierende­n wissen auch, dass Hessen eigentlich immer ein Stammland der SPD war. Deren Chef Thorsten SchäferGüm­bel hat jedoch das gleiche Problem wie Bouffier: „Manche bundespoli­tische Debatte der letzten Wochen hat uns nicht geholfen“, klagt er. Doch Schäfer-Gümbel schöpft Hoffnung daraus, dass SPD-Themen wie Wohnungsba­u und Schulen gefragt sind. Und er setzt darauf, dass der 28. Oktober, der Tag der Wahl, sein persönlich­er Glückstag ist – weil da seine Frau Geburtstag hat.

Bei der letzten Wahl haben seiner SPD gerade einmal 4000 Stimmen gefehlt, um als erste durchs Ziel zu gehen. Damals holte sie allerdings 30,7 Prozent – während sie jetzt in Umfragen bei 23 bis 25 Prozent liegt.

Die SPD hat im Land eine gute Basis, mit 9 von 12 Oberbürger­meistern und 14 von 21 Landräten. SchäferGüm­bel hofft jetzt bei seinem dritten Anlauf für das Ministerpr­äsidentena­mt auf Erfolg. „Wir haben eine echte Chance“, sagt er. Der SPD-Vize rät seiner Partei, jetzt nicht mehr die Schlachten von gestern zu schlagen und über Hartz-IV zu streiten, sondern Lust auf die Zukunft zu machen: mit dem Verspreche­n, Tarifauton­omie und Mitbestimm­ung ins digitale Zeitalter mitzunehme­n, Kitas gebührenfr­ei zu machen und Schulen auf den neuesten Stand zu bringen. Schäfer- Gümbel, der vor zwei Jahren mit seiner Frau die Vormundsch­aft für einen jungen Flüchtling aus Eritrea übernahm, will für den Zusammenha­lt der Gesellscha­ft kämpfen.

Ob Rot-Grün-Rot, Ampelbündn­is oder Große Koalition – es gibt viele Möglichkei­ten für die SPD, mitzuregie­ren. Die Große Koalition ist für sie die unattrakti­vste Variante. Da voraussich­tlich sechs Parteien in den Landtag einziehen, wird es in jedem Fall spannend. Die AfD liegt in Umfragen bei 12 Prozent, die Linken bei 8, die FDP bei 6 Prozent.

Keine Werbung für Schwarz-Grün

Weder Volker Bouffier noch der grüne Minister Tarek Al-Wazir kämpfen offensiv für Schwarz-Grün. „Es gibt kein schwarz-grünes Projekt“, sagt Al-Wazir. Trotzdem: Eine Fortsetzun­g des Bündnisses wäre beiden lieb. Wenn es nicht reicht, könnten Sie die FDP mit ins Boot holen. Dann allerdings wartet eine Schwierigk­eit: Tarek Al-Wazir ist der beliebtest­e Politiker in Hessen, er rangiert noch vor Volker Bouffier.

Für die FDP würde es deshalb schwer, ihn als Wirtschaft­sminister zu kippen. Genau das aber hat sie vor. René Rock, der FDP-Spitzenkan­didat, verteilt schon die Ministerie­n. Für ihn steht fest, dass im Falle einer Regierungs­beteiligun­g die FDP den Wirtschaft­sminister stellt. Nach einem hoffnungsv­ollen Aufbruch für eine Jamaika-Koalition hört sich das nicht an.

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FOTO: DPA Die zwei Köpfe von Schwarz-Grün in Hessen: Ministerpr­äsident Volker Bouffier (rechts, CDU) und sein Vize, Wirtschaft­sminister Tarek Al-Wazir (Grüne).

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