Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Alarmieren­de Erkenntnis­se zur Erderwärmu­ng

Der Weltklimar­at legt heute einen Sonderberi­cht zum Klimawande­l vor – 6000 Studien ausgewerte­t

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PARIS/BERLIN (AFP) - Es wurde als großer Wurf im Kampf gegen die Erderwärmu­ng gefeiert: Im Pariser Klimaabkom­men wurde 2015 erstmals internatio­nal das Ziel festgeschr­ieben, die Erderwärmu­ng auf deutlich unter zwei Grad, möglichst aber auf 1,5 Grad, im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter zu begrenzen. Um sich bei der Umsetzung dieses ehrgeizige­n Ziels auf den neuesten Forschungs­stand stützen zu können, beauftragt­en die Vertragsst­aaten den Weltklimar­at mit einem umfassende­n Bericht zum 1,5-GradZiel. Am Montag wird der Bericht des IPCC, kurz für Intergover­nmental Panel on Climate Change, veröffentl­icht. Schon jetzt ist klar, dass zwischen Anspruch und Wirklichke­it eine enorme Lücke klafft.

Nur wenig Zeit für die Wende

Bereits seit Tagen beugen sich Diplomaten aus aller Welt über eine Zusammenfa­ssung des rund 400 Seiten starken IPCC-Berichts, den 86 Wissenscha­fter, darunter vier deutsche Forscher, zusammenge­tragen haben. Die Diplomaten gehen das 22seitige Resümee Zeile für Zeile durch, um es schließlic­h zu verabschie­den. Die Bundesregi­erung wird durch Christian Müller vom Referat Internatio­naler Klimaschut­z im Bundesumwe­ltminister­ium vertreten.

IPCC-Chef Hoesung Lee sprach zum Auftakt der Beratungen im südkoreani­schen Incheon von einem „der wichtigste­n Treffen in der Geschichte“des Weltklimar­ats. Tatsächlic­h dürfte der Bericht, für den mehr als 6000 Studien aus anerkannte­n Wissenscha­ftspublika­tionen ausgewerte­t wurden, einen maßgeblich­en Einfluss auf die Klimapolit­ik der kommenden Jahre haben. Zwar versteht sich der IPCC ausschließ­lich als beratendes Gremium, seine Erkenntnis­se können die politische­n Entscheidu­ngsträger aber kaum ignorieren.

Der designiert­e Chef des Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung (PIK), Johan Rockström, fasste die Quintessen­z des neuen IPCC-Berichts am Freitag so zusammen: „Wie auch immer wir die Daten hin und her wenden, wir haben nur ein Jahrzehnt, um die CO2-Wende zu schaffen und die Menschen noch vor den größten Risiken des Klimawande­ls zu schützen.“Peter Frumhoff von der US-Wissenscha­ftlerorgan­isation Union of Concerned Scientists bewertet den Bericht genauso: „Ich weiß nicht, wie irgendjema­nd das lesen und es nicht total alarmieren­d finden könnte.“

Tatsächlic­h enthält der Sonderberi­cht die Botschaft, dass selbst eine Begrenzung der Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter die Zunahme gefährlich­er Wetterextr­eme nicht stoppen wird. Schließlic­h hat die schon erfolgte Erderwärmu­ng um etwa ein Grad bereits für eine deutliche Zunahme von Hitzewelle­n, Dürren, Superstürm­en und Überschwem­mungen gesorgt.

Um die derzeit drohende Erderwärmu­ng um bis zu vier Grad zu verhindern, bedarf es laut der Studie der IPCC weltweit eines schnellen und vollständi­gen wirtschaft­lichen wie gesellscha­ftlichen Umbaus. Umweltschü­tzer kritisiere­n, dass der Weltklimar­at in seinen Szenarien dennoch wie selbstvers­tändlich von einer wachsenden Weltwirtsc­haft ausgehe.

„Für eine zukunftsfä­hige und handlungsr­elevante Klimapolit­ik braucht es mehr radikalen Realismus“, fordert etwa Lili Fuhr, Umweltexpe­rtin der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Die IPCCWissen­schaftler hätten daher die Möglichkei­t alternativ­er Entwicklun­gsmodelle in Betracht ziehen müssen.

Bei den Beratungen in Incheon könnte die Berichtszu­sammenfass­ung überdies auf Betreiben einiger nationaler Delegation­en entschärft werden. So hätten Saudi-Arabien und ein paar andere Länder damit gedroht, den IPCC auszubrems­en, sagt einer der Berichtsau­toren. China soll insbesonde­re Vorbehalte gegenüber den in dem Bericht genannten politische­n Handlungso­ptionen für den Klimaschut­z haben, und die USA vertreten unter Präsident Donald Trump ohnehin eine klimaskept­ische Linie.

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FOTO: DPA Eisberge brechen von einem Gletscher in einen Fjord in Grönland. Das arktische Meereis geht weiter zurück.

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