Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Erst versteigert, dann geschreddert
Banksy-Bild zerstört sich bei Sotheby’s-Auktion selbst – Künstler narrt den Markt
LONDON (dpa) - Kaum fällt der Hammer, da läuft das Kunstwerk durch einen im Rahmen verborgenen Schredder. Mit der Aktion bei einer Versteigerung in London führt Street-Art-Künstler Banksy den Kunstmarkt vor. Doch konnte das wirklich ohne die Hilfe des Auktionshauses klappen?
Am Freitag Abend wird bei Sotheby’s das Bild „Girl with a Balloon“des Street-Art-Künstlers Banksy für umgerechnet knapp 1,2 Millionen Euro verkauft. Doch dann werden die Augen der Anwesenden groß: Zum allgemeinen Erstaunen läuft das Bild durch einen Schredder, der im verschnörkelten goldenen Rahmen verborgen war. Übrig bleibt nur der obere Teil des Bilds, der Rest hängt in Streifen herunter.
Banksy, dessen wahre Identität unbekannt ist, teilte zuerst ein Foto dieser Szene per Foto-Plattform Instagram und versah es mit dem Kommentar „going, going, gone“, die englische Formel für „zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten“. Ein Wortspiel, denn wörtlich bedeutet „gone“eigentlich „gegangen“oder einfach „fort“.
Von langer Hand geplant
Später postete der Künstler ein Video, auf dem zu sehen ist, wie eine vermummte Person Teile eines Schredders in einen Bilderrahmen setzt. „Vor ein paar Jahren baute ich heimlich einen Schredder in ein Gemälde“, heißt es in einem eingeblendeten Text. „Falls es jemals versteigert werden sollte“, ergänzt ein zweiter. Den Beitrag kommentiert Banksy mit einem angeblichen Picasso-Zitat: „Der Drang zu zerstören, ist auch ein kreativer Drang.“
Bei dem geschredderten Bild handelt es sich um eines der berühmtesten Banksy-Motive, ein Mädchen, das den Arm nach einem davonfliegenden Luftballon in Herzform ausstreckt. Das Motiv erschien zuerst als Wandgemälde in London. Das nun zerstörte Bild, auf Leinwand gesprüht, stammt aus dem Jahr 2006.
Das Auktionshaus bezeichnete den Vorfall als „unerwartet“. Doch es gibt Zweifel an dieser Darstellung. Kann das wirklich alles ohne das Zutun der Sotheby’s-Mitarbeiter geschehen sein? War es reiner Zufall, dass das Bild als letztes Los verkauft wurde und einen sehr ähnlichen Preis erzielte wie der bisherige Rekord eines Banksy-Werks im Jahr 2008? Das Fachblatt „The Art Newspaper“hält es nicht für ausgeschlossen, dass Sotheby’s-Mitarbeiter ihre Finger im Spiel hatten.
In einer Mitteilung zeigte sich Sotheby’s beinahe amüsiert. „Es sieht so aus, als seien wir gerade gebanksyd worden“, sagte Alex Branczik, Leiter der Abteilung für zeitgenössische Kunst in Europa. Mit der Aktion sei Geschichte geschrieben worden. Der „Financial Times“ sagte er, das Auktionshaus sei im Gespräch mit dem überraschten Käufer, der sein Gebot per Telefon abgegeben hatte. Sollte es ihn tatsächlich geben, könnte er möglicherweise sogar erfreut sein: Medien spekulierten, der Wert des Werks könnte sich durch die Aktion erheblich erhöht haben. Eine Sicht, die Sotheby’s-Experte Branczik teilt. „Man könnte argumentieren, dass das Werk jetzt einen höheren Wert hat, sagte er „The Art Newspaper“zufolge. Das Schreddern sei nun integraler Teil des Kunstwerks.
Eine weitere Frage beschäftigte am Wochenende die Medien. War Banksy möglicherweise selbst vor Ort und drückte den Auslöser? Unter den Gästen der Auktion machten angeblich Gerüchte über einen mysteriösen Mann mit Sonnenbrille und Hut die Runde, der kurz nach dem Vorfall in eine Rangelei mit Sicherheitskräften verwickelt gewesen sein soll.
Der aus Bristol stammende Street-Art-Künstler Banksy ist bekannt für seine gesellschaftskritischen Werke. Im Jahr 2015 machte er Furore mit einer Installation mit dem Titel „Dismaland“, einem gruseligen Anti-Freizeitpark an der englischen Küste. Vergangenes Jahr eröffnete er in Betlehem ein Hotel, das mit der „schlechtesten Aussicht der Welt“wirbt – dem Blick auf die Trennmauer zwischen Israel und dem Westjordanland. Ein Werk Banksys zeigt Menschen bei einer Kunstauktion, versteigert werden die gerahmten Worte: „Ich kann nicht glauben, dass ihr Idioten diesen Mist tatsächlich kauft.“Auch dieses Werk kam bei Sotheby’s unter den Hammer.