Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ulmer beim Protest im Hambacher Forst vorne dabei

Bus aus den Regionen Ulm und Ostwürttem­berg fährt zur Großdemons­tration - 19 Stunden auf Achse

- Von Franziska Telser

ULM - Obwohl das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster die Rodung im Hambacher Forst vorerst gestoppt hat, protestier­ten Zehntausen­de am Wochenende gegen den Braunkohle­Tagebau. Mit dabei: ein Bus der BUND Regionalve­rbände Donau-Iller und Ostwürttem­berg.

Ein Meer aus bunten Flaggen erstreckt sich am Samstag am Hambacher Forst. Zehntausen­de Menschen versammeln sich vor einer Bühne. Auf ihren Bannern steht: „Kein Baum ist egal“, „Klima retten“oder „Stop Kohle“. Manche haben sich grün angemalt und Blätter in die Haare gesteckt. Die Stimmung ist friedlich und entspannt.

Jürgen Nase trägt ebenfalls so ein Schild. Mit seiner Frau Chiara Bianchi-Nase ist er mit dem Bus aus Ulm angereist. Rund 480 Kilometer liegen zwischen der Donaustadt und dem nur noch 200 Hektar großen Wald in Nordrhein-Westfalen. Acht Stunden hin und 6,5 Stunden wieder zurück:

Mit Jürgen Nase nehmen noch 71 andere Demonstran­ten aus der Region die lange Fahrt im Bus auf sich. Ab 5 Uhr morgens steigen sie in Aalen, Heidenheim, Oberkochen und Ulm ein. Nach Stau, einmaligem Verfahren und einer guten Stunde Fußwegs bleiben den Insassen des Busses noch genau 90 Minuten zum Protest.

Trotzdem lohnt sich der Tag für Jürgen Nase und seine Frau: „Man merkt hier, dass man nicht alleine mit seiner Meinung ist“, sagt er. Braunkohle-Tagebau sei kein regionales Thema. Deswegen ist er hier.

Forst wird zum Symbolbild für Klimaschut­z

Es sind nicht mehr nur Naturschut­zverbände und Aktivisten in Baumhäuser­n, die den Hambacher Forst beschützen wollen. Das Wald zwischen Köln und Aachen ist für viele zu einem Symbolbild für Klimaschut­z geworden.

Leute wie Jürgen Nase halten dem Energiekon­zern RWE jetzt ihre Schilder entgegen. Er ist Lichttechn­iker, hat vier Töchter und lebt in Ulm. Ihm ist seine Umwelt wichtig. Er achtet auf seinen ökologisch­en Fußabdruck. Vor acht Jahren hat er auf das Dach seines Hauses eine Solaranlag­e gebaut. Das neue Auto hat einen Hybridantr­ieb. Er versucht, ökologisch­es Denken in seinen Alltag zu bringen. Eigentlich selbstvers­tändlich, findet er. Niemand könne sagen, er sei vom Klimawande­l nicht betroffen: „Ich kann mir nicht erklären, wie jemand behaupten kann, das gehe ihn nichts an“.

Trotzdem sei er kein klassische­r Umweltakti­vist: „Ich bin nicht oft auf solchen Veranstalt­ungen“. Von den Geschehnis­sen im Hambacher Forst hat er durch die Medien erfahren. Jetzt möchte er sich solidarisc­h mit den Baumhausbe­wohnern zeigen.

Seit der Räumung der Baumhäuser hat sich der Protest gesteigert. Demonstran­ten kommen zum Hambacher Forst aus allen Ecken Deutschlan­ds. Kilometerw­eit reiht sich ein Bus an den anderen. Einer davon ist der aus Ulm.

Mit so einem Andrang haben auch die BUND Regionalve­rbände Donau-Iller und Ost-Württember­g nicht gerechnet. „Selbst am Freitag haben noch Leute angerufen, die mitfahren wollten“, sagt Daniela Fischer vom BUND Donau-Iller. Am Anfang hätten die Verbände darum gebangt, einen Bus mit 40 Sitzplätze­n füllen zu können. Letztlich hat dann nicht mal mehr ein Bus mit 80 Sitzplätze­n für alle Anfragen gereicht. Zwei Mitfahrer standen am Morgen sogar auf „gut Glück“am Bahnhof. Sie durften mit, da zwei Leute abgesprung­en waren.

Und das obwohl die Demonstrat­ion vorerst auf der Kippe stand. Am Freitag hatte die Polizei in Aachen wegen Sicherheit­sbedenken ein Demonstrat­ionsverbot erlassen. Das Verwaltung­sgericht Aachen hob das Verbot jedoch wieder auf.

Laut Fischer sitzt im Bus eine „fantastisc­he Mischung an Leuten“. Vor allem freut sie sich darüber, dass so viele junge Demonstran­ten mitfahren.

Einer von ihnen ist der 18-jährige Levin Kupfer. Auf der Rückfahrt im Bus spielt er mit seiner Schwester „Stadt-Land-Fluss“und bereitet eine Präsentati­on für die Schule vor. Für ihn steht der Hambacher Forst symbolisch für den Braunkohle­ausstieg. Ursprüngli­ch war er kein Klimaaktiv­ist.

Aber die Vorgehensw­eise der Regierung gegen die Baumhausbe­wohner im Wald habe ihn betroffen gemacht. Eigentlich wollte er mitfahren, weil er dachte, dass RWE jetzt mit der Rodung des Waldes beginnt. „Nachdem Gerichtsur­teil gestern hatte ich einen positiven Grund hier mitzufahre­n“, sagt er.

Naturschüt­zer wollen das Thema weiter verfolgen

Für den BUND sind die große Demonstrat­ion und das Gerichtsur­teil aber nur ein Etappenzie­l im Kampf gegen die Braunkohle. „Es ist eine Verschnauf­pause und ein großer Erfolg“, sagt Fischer. Man dürfe sich jetzt aber keinen Sand in die Augen streuen lassen. „Wir müssen dran bleiben“, sagt sie.

Kurz nach Mitternach­t kommt der Bus wieder am Ulmer Bahnhof an. Insgesamt 19 Stunden war er mitsamt den Demonstran­ten heute unterwegs.

Eine Bildgaleri­e und ein Video (ab

Montag 18 Uhr) gibt es auf www.schwaebisc­he.de/ulm.

 ?? FOTO: FRANZISKA TELSER ?? Umweltschü­tzer aus Ulm waren am Samstag bei der Demonstrat­ion am Hambacher Forst dabei.
FOTO: FRANZISKA TELSER Umweltschü­tzer aus Ulm waren am Samstag bei der Demonstrat­ion am Hambacher Forst dabei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany