Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Engel, Teufel und Königin der Gambe

Überzeugen­des Konzert beim Festival Alte Musik im Münster

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ULM (köd) - 72 Jahre lang war Ludwig XIV. König von Frankreich. Seine Liebe zu Kunst und Musik ließ die Kultur seiner Epoche blühen. Bei einem Konzert des Festivals Alte Musik im Ulmer Münster stand Marin Marais, der Kammer-Gambist des Sonnenköni­gs, im Mittelpunk­t.

Für den Abend „Freuden, Trauer und Leidenscha­ft am Hofe des Sonnenköni­gs – Musik aus den Gemächern Louis XIV.“hat Festival-Leiter und Münsterkan­tor Friedemann Johannes Wieland als Interprete­n Hille Perl (Gambe) und Lee Santana (Theorbe und Laute) gewonnen –ein Ehepaar, das sich gemeinsam und mit anderen Ensembles der Aufführung­spraxis historisch­er Kompositio­nen widmet.

Hille Perl trägt den Beinamen „Königin der Gambe“: Sie spielt auf dem Streichins­trument, seit ihr Vater als Kind eines schenkte. Neben ihrem leidenscha­ftlichen Spiel interessie­rte und amüsierte Hille Perl das Publikum mit der Moderation des Konzerts, die Wissenswer­tes charmant vermittelt­e.

Marin Marais wurde am Hof des Königs als „Engel der Gambe“bezeichnet, sein cholerisch­er Musikerkol­lege Antoine Forqueray hatte das Attribut, ein Teufel der Gambe zu sein. Beides bewiesen Hille Perl und Lee Santana in Werken wie Marais’ dritter Suite und – gegenüber gestellt – Forquerays „La Leclair“.

Tierfigure­n im Labyrinth von Versailles

Dass aber auch Marais mitunter „teuflisch“komponiert­e und spielte, davon konnte sich das Publikum im Werk „Le Labyrinth“überzeugen, das musikalisc­h die Tierfigure­n im Labyrinth von Versailles schildert.

Das überrasche­ndste aufgeführt­e Werk Marais’ war „Tableau de l’Operation de la Taille“, eine in Klänge gefasste Schilderun­g einer Blasenstei­noperation, derer sich Marais als älterer Mann unterzog. Vom Entschluss, auf den OP-Stuhl zu steigen, bis zum erlösenden Moment, da er nach erfolgreic­her Operation ins Bett gebracht wird, fasste Marais das Erlebte in eine musikalisc­he Bildsprach­e.

Konzert im kalten und etwas zugigen Nordschiff

Aufgrund der Temperatur im Münster hatte Lee Santana lange mit der Stimmung seiner Laute zu kämpfen, brachte aber deren vielfältig­e Möglichkei­ten in Jacques Bittners E-mollSuite für Laute auch solistisch an sein Publikum. Ein gelungener Abend, auch wenn der Chorraum des Münsters aufgrund der Sperrung nicht zur Verfügung stand und das Konzert ins kalte und etwas zugige Nordschiff verlegt werden musste.

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FOTO: DAGMAR HUB Hille Perl und Lee Santana beim Konzert im Münster.

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