Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Vettel riskiert, Vettel verliert

Manöver gegen Verstappen lässt den Deutschen in Suzuka zurückfall­en – Hamilton siegt

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SUZUKA (SID/dpa) - Sebastian Vettel schüttelte die Hände seiner Ferrari-Mechaniker, er schaute jedem Einzelnen tief in die Augen und sagte „Grazie“– dann nahm er den aus seiner Sicht Schuldigen für das Ende seiner WM-Träume im Dauerduell mit Lewis Hamilton knallhart ins Visier. „Es ist immer das Gleiche mit Max: Er hält dagegen, wenn er nicht dagegenhal­ten sollte. Dass ich da rausfliege, ist einfach nicht richtig“, sagte Vettel und stellte nach seinem Alles-oder-nichts-Manöver von Suzuka das streitbare Formel-1-Wunderkind Max Verstappen (Red Bull) an den Pranger.

Ob es ein Ablenkungs­manöver von den eigenen Fehlern der vergangene­n Wochen sein sollte oder aber reine Frustbewäl­tigung, blieb das Geheimnis des viermalige­n Weltmeiste­rs. Der Große Preis von Japan jedenfalls unterstric­h einen kuriosen Trend in der Formel 1: Bei Vettel und der Scuderia zieht jedes Risiko derzeit fast zwangsläuf­ig eine Pleite nach sich, während Hamilton und Mercedes von Erfolg zu Erfolg eilen.

Nach Platz sechs am Sonntag ist Vettels Rückstand auf den abermals siegreiche­n Weltmeiste­r aus England von 50 auf 67 Punkte angewachse­n. Schon beim viertletzt­en Saisonrenn­en in Austin/Texas am 21. Oktober kann Hamilton seinen fünften WM-Titel perfekt machen. Hierzu muss er „nur“acht Punkte mehr holen als Vettel (siehe Kasten).

„Wenn ich es nicht in der Kurve versuche, dann kann ich auch zu Hause bleiben“, rechtferti­gte Vettel die Szene des Rennens. Seine Lesart: Kommt er an Verstappen vorbei, ist er Dritter und kann Jagd auf Hamilton und dessen am Ende zweitplatz­ierten Teamkolleg­en Valtteri Bottas (Finnland) machen. Dabei hätte Vettel wohl nur Geduld haben müssen. „Er war viel schneller. Eine oder zwei Runden später hätte er mich überholt auf der Geraden. Aber ich wollte ihm den Platz doch nicht kampflos überlassen“, erklärte Verstappen, der letztlich den dritten Rang einheimste. Der Niederländ­er ließ Vettel dann noch eines wissen: „In der Kurve kannst du nicht überholen.“

Hamilton hatte mit derlei Scharmütze­ln nichts zu tun. Spielerisc­h leicht fuhr der Dominator des gesamten Wochenende­s seinen sechsten Sieg aus den letzten sieben Rennen ein. Nebenbei schraubte er seine persönlich­e Statistik in neue Höhen:

80. Pole Position am Samstag,

71. Grand-Prix-Sieg am Sonntag – 50 davon für Mercedes in nicht einmal sechs Jahren. „Ich hoffe, ihr langweilt euch nicht allmählich. Ich tue es auf keinen Fall“, scherzte der 33-Jährige nach der Siegerehru­ng.

Zu Lewis Hamiltons rasanter Entwicklun­g trug Mercedes durch wiedergewo­nnene Konstanz und Stärke bei. Doch auch die Fehlerfest­ivals von Ferrari, die in Suzuka um gleich zwei Kapitel reicher wurden, spielten eine Rolle. Für Vettel hatte die „Mission Impossible“nämlich bereits denkbar schlecht begonnen: Im Qualifying verwachste Ferrari mit Mischreife­n bei trockener Strecke völlig. Von Startplatz acht – statt aus Reihe eins oder zwei – musste Vettel am Sonntag gleich voll attackiere­n. „Wenn es so läuft, dann fällt es den anderen in den Schoß“, resümierte Vettel.

Zwar war der Hesse dann schnell Vierter, in Runde acht aber wollte er viel – zu viel: Er attackiert­e Verstappen, obwohl dieser noch eine FünfSekund­en-Strafe absitzen musste, in der Spoon-Kurve mit einem sehr optimistis­chen Manöver. Vettel drehte sich, fiel auf den 19. Platz zurück und musste sich wieder nach vorne kämpfen. „Natürlich wusste ich, dass Max die Strafe hatte“, erklärte Vettel dünnhäutig. „Aber ich fahre ja nicht gegen ihn, sondern idealerwei­se gegen Lewis.“Nur wohl nicht mehr in diesem Jahr.

Sebastian Vettel hat Ferrari trotz des jüngsten Negativlau­fs die Treue

geschworen. „Ich verlasse Ferrari nicht. Ich bin ein Teil des Teams, nichts anderes möchte ich sein“, sagte der Heppenheim­er, der seinen Vertrag im vergangene­n Sommer bis 2020 verlängert hatte, nach dem Großen Preis von Japan.

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FOTO: AFP Da war das Rennen eigentlich für Sebastian Vettel gelaufen: Suzuka, Kiesbett, Ende aller Hoffnungen.

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