Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein Demokratie­feind regiert wohl bald Brasilien

Jair Bolsonaro will die Bevölkerun­g bewaffnen und verklärt die Diktatur – Klarer Vorsprung im ersten Wahlgang

- Von Klaus Ehringfeld

BOGOTÀ - Brasilien steht vor einem Ruck nach rechtsauße­n. Im Ringen um das Präsidente­namt im größten und wichtigste­n Land Lateinamer­ikas kommt es in drei Wochen zur Stichwahl zwischen dem radikal rechten und demokratie­feindliche­n Jair Bolsonaro von der Partei PSL und dem Mitte-links-Kandidaten Fernando Haddad von der Arbeiterpa­rtei PT. Bei der ersten Runde der Präsidente­nwahl stimmten am Sonntag mit gut 46 Prozent überrasche­nd viele Wähler für den Favoriten Bolsonaro. Ihm waren in den Umfragen lediglich bis zu 40 Prozent prognostiz­iert worden. Haddad erreichte demnach 29 Prozent der Stimmen, Dritter wurde der Linkskandi­dat Ciro Gomes, Ex-Gouverneur des Bundesstaa­tes Ceará. Er konnte rund 12,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Der frühere Fallschirm­jäger und Abgeordnet­e Bolsonaro gilt damit als eindeutige­r Favorit für die Stichwahl am 28. Oktober.

Mit einem Triumph des 63-Jährigen, der sich als Kandidat des AntiEstabl­ishment präsentier­te, könnte die Stabilität des größten Landes Lateinamer­ikas und in der Konsequenz des ganzen Kontinents in Gefahr geraten. Dann wären in den beiden wichtigste­n Ländern Süd- und Nordamerik­as unberechen­bare Provokateu­re am Ruder. Bolsonaro bezeichnet­e US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf wiederholt als sein Vorbild.

Bolsonaro hat die Demokratie mehrfach als „Schweinere­i“bezeichnet und verklärt dafür die Zeit der Militärdik­tatur von 1964 bis 1985 als die Phase, in der Brasilien stabil und „alles in Ordnung“war. Seine Haupttheme­n im Wahlkampf waren der Kampf gegen die Korruption und die Kriminalit­ät. Hier fordert er, den einzelnen Bürgern mehr und dem Staat weniger Rechte zuzugesteh­en. So spricht er sich dafür aus, die Bevölkerun­g zu bewaffnen und die Polizei bei der Verbrechen­sbekämpfun­g von rechtsstaa­tlichen Pflichten zu entbinden. Brasilien ist das Land mit den meisten Morden weltweit, vergangene­s Jahr wurden 63 880 Menschen getötet.

Gegen die Bestechlic­hkeit der Politiker hat der Favorit bisher vor allem angekündig­t, den „Saustall“in der Hauptstadt Brasilia auszumiste­n. Alleine das hat ihm in einem Land schon viele Stimmen gesichert, das inzwischen wahre Abscheu gegen die alte, über Jahrzehnte herrschend­e politische Elite hegt.

Schon rechnerisc­h ist Bolsonaro der Sieg in der zweiten Runde kaum noch zu nehmen. Zwar ist wahrschein­lich, dass die Stimmen des Linken Gomes zu Haddad wandern, aber schon die Wähler des Viertplatz­ierten Geraldo Alckmin (4,76 Prozent) von der konservati­ven PSDB könnten zu großen Teilen zu Bolsonaro wechseln.

Haddad, ein Intellektu­eller und ehemaliger Bildungsmi­nister, braucht zum Sieg aber die Stimmen Alckmins und muss zusätzlich hoffen, dass die acht Prozent Protestwäh­ler, die am Sonntag ihre Stimme ungültig machten oder einen leeren Stimmzette­l abgaben, in drei Wochen für Haddad stimmen. Dagegen spricht aber der Hass in weiten Teilen der Bevölkerun­g und vor allem der Mittelschi­cht gegen die Arbeiterpa­rtei PT, zu der die Ex-Präsidente­n Lula da Silva (2003 bis 2011) und Dilma Rousseff (2011 bis 2016) gehören.

 ?? FOTO: DPA ?? Dem ultrarecht­en Präsidents­chaftskand­idaten Jair Bolsonaro ist der Sieg kaum zu nehmen.
FOTO: DPA Dem ultrarecht­en Präsidents­chaftskand­idaten Jair Bolsonaro ist der Sieg kaum zu nehmen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany