Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

AfD-Aktion ist scheinheil­ig

- Von Sebastian Heinrich s.heinrich@schwaebisc­he.de

Die selbst ernannte Alternativ­e für Deutschlan­d spielt eine Rolle ganz besonders gerne – die des Opfers. Deswegen ist es wenig überrasche­nd, dass die AfD sich auch als Opfer bestimmter Lehrer sieht. Deshalb hat die Partei in Hamburg schon vor Monaten dazu aufgerufen, Lehrer auf einer Internetpl­attform zu melden, die sich angeblich nicht „politisch neutral“verhalten. Die Aktion soll auf andere Länder ausgeweite­t werden. Diese AfDPlattfo­rmen sind brandgefäh­rlich – und sie zeugen von Scheinheil­igkeit.

Brandgefäh­rlich sind sie, weil sie Denunziant­entum fördern. Schüler und Eltern werden dazu aufgerufen, Lehrer einer Partei zu melden – also einer Organisati­on, die nicht ansatzweis­e das Recht hat, mögliches Fehlverhal­ten einzelner Lehrer zu bestrafen. Wenn ein Schüler oder Eltern der Ansicht sind, ein Lehrer verhalte sich nicht korrekt, dann sollten sie zuallerers­t mit dem Lehrer selbst sprechen – und im Zweifelsfa­ll mit der Schulleitu­ng, dem Elternbeir­at oder der zuständige­n Kultusbehö­rde. Aber nicht mit einer Partei. Die Macht, über Lehrer zu richten, hatten Parteien in den vergangene­n 100 Jahren in Deutschlan­d zweimal: in der NS-Zeit und in der DDR.

Scheinheil­ig sind die Pläne der AfD, weil die Partei den wohl prominente­sten Lehrer Deutschlan­ds in ihren Reihen hat – und dieser Mann selbst unter Verdacht steht, gegen ein für Lehrer wichtiges Gebot verstoßen zu haben. Er heißt Björn Höcke, ist AfD-Fraktionsc­hef in Thüringen und beurlaubte­r Geschichts­lehrer in Hessen. Lehrer dürfen im Klassenzim­mer nämlich sehr wohl ihre eigene Meinung äußern – sofern sie auch Argumente der Gegenseite darstellen und keine Werbung für eine bestimmte Partei machen. Sie sind aber laut Tarifvertr­ag des Öffentlich­en Dienstes auch verpflicht­et, sich „durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitli­ch demokratis­chen Grundordnu­ng zu bekennen“. Wer – wie Höcke – in einer mächtigen politische­n Position den Holocaust relativier­t und regelmäßig braunes Vokabular benutzt, der bekennt sich nicht zur liberalen Demokratie. Sondern gefährdet sie.

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