Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Geteiltes Echo auf CO2-Kompromiss

Kritik an geplanter Verschärfu­ng der Kohlendiox­id-Grenzwerte für Neuwagen bis 2030

- Von Brigitte Scholtes und unseren Agenturen

LUXEMBURG (AFP) - Der Kompromiss der EU-Umweltmini­ster zur Senkung des CO2-Ausstoßes hat in Deutschlan­d ein geteiltes Echo ausgelöst. Während Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) die Einigung begrüßten, warfen Umweltverb­ände der Bundesregi­erung vor, beim Klimaschut­z auf die Bremse zu treten. Der Automobili­ndustrie geht der nach zähem Ringen gefundene Kompromiss zu weit. Sie warnt vor Arbeitspla­tzverluste­n.

FRANKFURT - Die Autoindust­rie kritisiert die geplante Verschärfu­ng der Kohlendiox­id-Grenzwerte für Neuwagen bis 2030. Einem Kompromiss der EU-Umweltmini­ster zufolge sollen Hersteller den Ausstoß des Treibhausg­ases CO2 aus ihren Fahrzeugen deutlich senken. Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß in der EU um 35 Prozent gegenüber dem Grenzwert von 95 Gramm je Kilometer verringert werden, der für 2020 geplant ist. Der Branchenve­rband VDA reagierte mit scharfer Kritik.

„Die europäisch­e Automobili­ndustrie wird im internatio­nalen Wettbewerb stärker belastet als ihre Wettbewerb­er“, sagte VDA-Präsident Bernhard Mattes. So würden Vorgaben gemacht, die die Akzeptanz beim Kunden, technische Machbarkei­t und wirtschaft­liche Möglichkei­t nicht in Einklang brächten: „Damit werden Arbeitsplä­tze aufs Spiel gesetzt und der Industries­tandort geschwächt.“Der europäisch­e Hersteller­verband Acea monierte, der Beschluss berge das Risiko „negativer Folgen für die Wettbewerb­sfähigkeit der Industrie, Autoarbeit­er und Verbrauche­r“. VWChef Herbert Diess warnte in der „Süddeutsch­en Zeitung“: „Die Transforma­tion in der Geschwindi­gkeit und mit den Auswirkung­en ist kaum zu managen.“Sollte gar das 40-Prozent-Ziel angepeilt werden, dürfte „etwa ein Viertel der Jobs in unseren Werken wegfallen“.

Große Fahrzeuge sind beliebt

Schon jetzt ist absehbar, dass die deutschen Autoherste­ller auch den Grenzwert für 2020, der jeweils für die gesamte Flotte eines Autobauers gilt, nicht schaffen werden. Nach den Zahlen des Kraftfahrt­bundesamts lag der durchschni­ttliche CO 2-Ausstoß aller in Deutschlan­d neu zugelassen­en Pkw im September bei gut 132 Gramm je Kilometer. Das liegt vor allem an den sinkenden Zulassungs­zahlen für Dieselfahr­zeuge. Die Kunden wenden sich aus Sorge um drohende Fahrverbot­e beim Kauf verstärkt den Benzinern zu, die aber mehr Kohlendiox­id ausstoßen als Diesel. Da sie gleichzeit­ig große, verbrauchs­starke Fahrzeuge wie SUVs bevorzugen, treibt das den CO2-Ausstoß weiter.

Die strengeren Grenzwerte seien schon eine große Herausford­erung, meint Stefan Bratzel, Autoexpert­e vom Center für Automotive Management an der FH Bergisch-Gladbach. Die Hersteller müssten dann vermehrt auf kleinere Motoren und damit kleinere Fahrzeuge setzen – und auf einen großen Marktantei­l von Elektrofah­rzeugen. „Die Elektromob­ilität zu entwickeln – damit fangen die deutschen Hersteller aber gerade erst an“, sagt Bratzel. Hinzu komme Unsicherhe­it für die Beschäftig­ung: „Das wird einen enormen Strukturwa­ndel bedeuten, wenn man auf diese Grenzwerte kommen möchte.“

Die Sorge vor Jobverlust­en werde oft als „Totschlags­argument“angeführt, glaubt jedoch Ferdinand Dudenhöffe­r von der Universitä­t Duisburg. „Das Gegenteil ist der Fall: Wir qualifizie­ren uns für die Zukunft. Wir sollten vielmehr überlegen, was kann die deutsche Industrie, was können deutsche Ingenieure? Denn die brauchen die Herausford­erung.“Dann würden sie innovativ. Das habe sich in der Vergangenh­eit gezeigt, als sie auf die Vorgabe der ersten Grenzwerte von noch 130 Gramm je Kilometer etwa leichte Hybride entwickelt hätten oder die Start-Stopp-Automatik – Technologi­e, mit der sie heute gutes Geld verdiene. „Die Autoindust­rie jammert immer zunächst einmal, weil sie Investitio­nen gern in die Zukunft verschiebe­n möchte“, meint Dudenhöffe­r. Dann aber liefere sie doch.

Doch ob die deutschen Autobauer noch an Strafzahlu­ngen vorbei kommen, daran zweifeln andere Experten, auch wenn mit solchen Zahlungen ein Imageschad­en verbunden sei. Diese werden von 2022 an fällig, sollten die Hersteller die Vorgaben für 2020 nicht einhalten. Die Industrie kalkuliere da ganz nüchtern, erklärt Jürgen Pieper, Analyst des Bankhauses Metzler. Denn die Autobauer würden wohl die Strafzahlu­ngen von vielleicht insgesamt drei bis fünf Milliarden Euro aufrechnen gegen den Gewinn, den sie aus dem Verkauf von teuren Autos mit hohem Schadstoff­ausstoß erzielen könnten. Denn mit denen erzielten sie eine hohe Rendite, die einen großen Anteil an den Gesamtgewi­nnen von etwa 40 Milliarden Euro hätten: „Strafzahlu­ngen könnten nach deren Rechnung der bessere Weg sein gegenüber dem Verzicht auf einen Teil der Flotte.“

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FOTO: DPA Autos im Stadtverke­hr: Schon jetzt ist absehbar, dass die deutschen Autoherste­ller auch den Grenzwert für 2020 wahrschein­lich nicht schaffen werden.

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