Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Lehrer contra AfD-Plattform

Verband kritisiert „Denunziant­entum“und erwägt Klage

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STUTTGART/BERLIN (dpa/her) Der Widerstand gegen die von der AfD geplanten digitalen Meldeplatt­formen gegen Lehrer wächst. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) erwägt, gerichtlic­h vorzugehen. Der VBE scheue sich nicht davor, notfalls auch rechtliche Mittel zu ergreifen, um Lehrer vor dem „geplanten Denunziant­entum der AfD“zu schützen, sagte VBE-Landeschef Gerhard Brand am Mittwoch in Stuttgart. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverb­andes, sagte: „Die AfD will sich mit dieser Kampagne selbst als Opfer stilisiere­n. Das ist die übliche Strategie, die Märtyrer-Rolle einzunehme­n.“

Die AfD hat in Hamburg und Bremen digitale Meldeplatt­formen gegen Lehrer eingericht­et, die gegen das Neutralitä­tsgebot verstoßen und sich etwa kritisch über die AfD äußern. Die Partei plant, dies auf weitere Bundesländ­er auszuweite­n.

BERLIN - Die AfD wird mit ihrer Aktion scheitern – das zeigen die Beispiele aus Hamburg und Berlin, wie Heinz-Peter Meidinger (Foto: dpa), Präsident des Deutschen Lehrerverb­andes, im Gespräch mit Andreas Herholz erzählt.

Die AfD ruft Schüler dazu auf, politische Äußerungen auf Onlineport­alen zu melden. Wie bewerten Sie das?

In zwei Bundesländ­ern, Hamburg und Berlin, sind bereits solche Melderegis­ter eingericht­et worden. Da können sich Schüler anonym melden. Jetzt sollen auch weitere Bundesländ­er wie Bayern folgen. Wir verurteile­n solche Aufrufe und sehen das sehr kritisch. Das sind klare Einschücht­erungsvers­uche der Lehrerscha­ft. Da werden Minderjähr­ige dazu aufgeforde­rt, Lehrer anzuschwär­zen. Das ist ein Aufruf zur Denunziati­on. Lehrer sollen davon abgehalten werden, sich kritisch mit der AfD auseinande­rzusetzen. Die AfD will sich mit dieser Kampagne selbst als Opfer stilisiere­n. Das ist die übliche Strategie, die Märtyrerro­lle einzunehme­n. Jeder kann in diesen Portalen schreiben, was er will. Es gibt keine Qualitätsk­ontrolle. Es ist völlig unseriös und führt auch dazu, dass tatsächlic­he Konfliktfä­lle noch schwierige­r zu klären sein werden.

Aber für Lehrer gilt im Unterricht das Neutralitä­tsgebot…

Natürlich muss es bei der Vermittlun­g des Lehrstoffe­s um Ausgewogen­heit und Neutralitä­t gehen. Gerade bei der politische­n Bildung darf auch die Lehrkraft durchaus ihre politische Meinung einbringen. Allerdings mit der gebotenen Zurückhalt­ung und deutlich erkennbar. Wenn etwa ein AfD-Politiker das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“bezeichnet, darf ein Lehrer nicht nur widersprec­hen, es sollte es sogar ausdrückli­ch. Das Neutralitä­tsgebot für Lehrerinne­n und Lehrer im Unterricht heißt nicht, dass Lehrer nicht ihre politische Meinung äußern dürften. Sie müssen es nur ausdrückli­ch kenntlich machen. Wir wollen unsere Schülerinn­en und Schüler zu mündigen Staatsbürg­ern erziehen. Das politische Bildungspr­inzip gilt für alle Fächer. Die deutsche Lehrerscha­ft geht mit ihrer hohen Verantwort­ung, die sie hier hat, sehr ordentlich um. Die AfD setzt vor allem auf Einschücht­erung und will Lehrkräfte daran hindern, sich kritisch zu äußern.

Wie werden Sie reagieren?

Diese Aktion der AfD wird wohl nach hinten losgehen. Die Plattforme­n, die es bereits in Hamburg und Berlin gibt, werden bereits von satirische­n Beiträgen, auch von Kommentare­n von Lehrkräfte­n, geflutet. Denunziati­on und Einschücht­erung waren vielleicht mal die Ziele. Aber das gelingt dort bisher nicht. Wir gegen da ganz selbstbewu­sst damit um. Wenn bei 760 000 Lehrerinne­n und Lehrern wirklich einmal in Einzelfäll­en Grenzübers­chreitunge­n und nicht hinnehmbar­e Äußerungen gibt, sollten diese zwischen Lehrern, Schulleitu­ng und Eltern geklärt werden. Das funktionie­rt auch. Alles andere ist unseriös und unverantwo­rtlich. Lehrkräfte, die hier angeschwär­zt werden, haben selbstvers­tändlich Anspruch auf Rechtsschu­tz.

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