Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Die Flucht aus dem Grazer Alcatraz

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Mit dem Nachruhm ist es ja immer so eine Sache: Bei Grabreden wird gerne an Heldentate­n erinnert, die in der Realität womöglich gar nicht so großartig waren, wie eine wohlgesonn­ene Trauergeme­inde, die sich und die Angehörige­n durch heilsame Worte trösten möchte, es gerne gehabt hätte. Verklärung lautet hier das Gebot der Stunde. Und so drückt die gelebte Menschlich­keit ein Auge zu, wenn der zu Betrauernd­e gerade vor seinen höchsten Richter tritt.

Was die Nachwelt zur Tat eines Gefängnish­äftlings aus Graz sagen wird, ist noch überhaupt nicht abzusehen. Vor allem deshalb, weil selbiger lebt und sich sogar bester Gesundheit erfreut, nachdem er aus einer steirische­n Justizvoll­zugsanstal­t geflohen ist. Ausbrecher genießen nicht selten einen Sonderstat­us in der Bevölkerun­g. Denn auch wenn es böse Buben sind, erfreuen sie sich doch des Respekts durch bisweilen kaum zu leugnende Tollkühnhe­it. Man erinnere sich nur an Frank Morris, der sich mittels eines Teelöffels den Weg durch die Kanalisati­on von Alcatraz ins Freie gekratzt hat. Oder an Papillon, der auf einem Jutesack voller Kokosnüsse von der Teufelsins­el vor Französisc­h-Guayana floh. Bei all den Übeltaten, die diese Leute begangen haben mögen – die Menschen im Kino haben glatt vergessen ihr Popcorn zu kauen vor lauter Bewunderun­g.

Aber zurück nach Graz, zum Ausbrecher der Stunde. Viel Spektakulä­res wird der seinem Enkel über die Flucht nicht erzählen können, denn: Der Mann fand eine offene Tür im Knast vor, durch die er einfach hinaus spazierte. (nyf)

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FOTO: DPA Tag der offenen Tür.

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