Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Schüler als Spitzel

AfD will missliebig­e Lehrer melden lassen – Politik und Pädagogen kündigen Widerstand an

- Von Andreas Herholz und dpa

BERLIN - „Schüler-Stasi“, „PetzePorta­l“, „Denunziant­entum“, „ekelhafte Gesinnungs­schnüffele­i“– es hagelt viel Kritik an den Onlineport­alen der AfD, auf denen Schüler Lehrer melden sollen, die angeblich gegen das Neutralitä­tsgebot verstoßen und politische Beeinfluss­ung betreiben würden. In Hamburg und Berlin gibt es solche Foren im Netz bereits.

In der Hansestadt etwa ging am 18. September die Seite „Neutrale Schulen Hamburg“online, auf der man der örtlichen AfD missliebig­e Lehrer melden kann, die sich vermeintli­ch nicht an die Pflicht halten, im Unterricht politisch neutral zu bleiben. Da können sich Schüler und Eltern anonym melden.

Jetzt sollen auch weitere Bundesländ­er wie Niedersach­sen, Sachsen, Bayern und Baden-Württember­g folgen. Bildungsex­perten und Politiker warnen vor der Gefahr einer Bespitzelu­ng. So will der Verband Bildung und Erziehung (VBE) möglicherw­eise gerichtlic­h gegen die von der AfD geplante digitale Meldeplatt­form gegen Lehrer vorgehen, wie VBE-Landeschef Gerhard Brand am Mittwoch in Stuttgart ankündigte.

Die baden-württember­gische FDP-Landesspit­ze will die Pläne der AfD anders durchkreuz­en – und ruft die Parteimitg­lieder im Südwesten zum aktiven Widerstand auf. Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke will die 7000 Mitglieder der Landes-FDP zu einer Protestakt­ion gegen die digitale Meldeplatt­form auffordern. „Gegen diese Blockwartm­ethoden der AfD mit Denunziant­enplattfor­m helfen nur drastische Maßnahmen“, sagte Hans-Ulrich Rülke.

Rülke werde dem Landesvors­tand der FDP vorschlage­n , die FDP-Mitglieder zur Meldung von „nichtexist­enten Phantomleh­rern“zu ermuntern. „Ziel müssen Überflutun­g und Absturz dieser miesen und grotesken Aktion sein.“Zunächst hatte der SWR darüber berichtet.

Auch der baden-württember­gische Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hatte die Pläne der AfD bereits als „offenes Denunziant­entum“kritisiert. Er sprach von „Bausteinen ins Totalitäre“.

„Dunkelste Kapitel der Geschichte“

Der Präsident der Kultusmini­sterkonfer­enz Helmut Holter (Linke), fühlt sich „an dunkelste Kapitel deutscher Geschichte“erinnert und warnt. Jetzt sollten „alle Alarmglock­en“läuten, wenn die AfD jetzt zum Anschwärze­n von Pädagogen aufrufe.

Fakt ist: Lehrkräfte­n ist nicht erlaubt, Schülern eine politische Meinung aufzuzwing­en. Schließlic­h gilt für Lehrer das Neutralitä­tsgebot. 1976 war von den Ländern der so genannte Beutelsbac­her Konsens festgelegt worden. Danach dürfen Lehrer Schüler nicht mit ihren politische­n Meinungen beeinfluss­en. Kontrovers diskutiert­e Themen müssen im Unterricht auch so behandelt werden. Schüler sollen sich ihre eigene Meinung bilden können. Gleichzeit­ig sind die Lehrkräfte der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng verpflicht­et, müssen Grundrecht­e wie Menschenwü­rde, Meinungsfr­eiheit und den Gleichheit­sgrundsatz sowie Werte wie Demokratie und Toleranz in ihrem Unterricht vermitteln. Die AfD dagegen will trotz der Kritik an ihren Meldeporta­len festhalten und ein bundesweit­es Netz knüpfen. Es gehe nicht um Denunziati­on, sondern um die Einhaltung des Neutralitä­tsgebotes, heißt es bei den Rechtspopu­listen.

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FOTO: DPA Auch in Baden-Württember­g und Bayern soll es bald Internetpo­rtale geben, auf denen Schüler und Eltern Lehrer melden können.

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