Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Buchkultur im Umbruch
Was es bedeutet, dass Klöpfer und Meyer aus Tübingen und Stroemfeld nicht mehr auf der Frankfurter Buchmesse vertreten sind
FRANKFURT - In Frankfurt feiert sich derzeit wieder die Buchbranche. Doch zwei Verlage sind hier nicht mehr vertreten, die vor der Buchmesse die Aufmerksamkeit von Wirtschaft und Feuilleton auf sich gezogen haben. Der Stroemfeld Verlag aus Frankfurt hat Konkurs angemeldet, beim Tübinger Verlag Klöpfer & Meyer möchte der Besitzer aus Altersgründen den Verlag verkaufen. Einen Nachfolger hat er trotz liebevoll formulierter Anzeigen bislang nicht gefunden.
Beide Fälle laden offensichtlich dazu ein, Veränderungen der Buchkultur zu diskutieren. Sie sind zwar Einzelfälle, die nicht unmittelbar Schlüsse auf andere Verlage zulassen. Aber vielleicht auf gesellschaftliche Entwicklungen? Es ist Privatsache, wenn Hubert Klöpfer in den Ruhestand gehen möchte. Was bedauerlich ist, da es sich um einen Verlag handelt, dessen Programm qualitätsvolle regionale Literatur präsentiert, was Themen, Autoren und Buchgestaltung betrifft. Arnold Stadler nennt ihn seinen Lieblingsverlag. Und so gibt es schon einen Aufruf (Tübinger Memorandum) der beiden Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger (Tübingen) und Thomas Knubben (Ludwigsburg): Sie und die 100 Autoren des Verlags sehen im drohenden Ende ein Alarmzeichen, ja ein „demokratisches Problem“. Mit den kleinen Verlagen gehe auch die kulturelle Vielfalt und Vitalität dahin, denn bei den wenigen marktbeherrschenden großen Verlagen „entscheiden immer weniger Menschen“darüber, was veröffentlicht wird. Ob und wie es nun weitergeht, dazu gibt es jetzt zur Buchmesse noch keine Neuigkeit. Verleger Hubert Klöpfer blickt schon entspannt zurück (und mit der Variation eines Hesse-Zitats): Jedem Zauber wohnt ein Ende inne.
Bei Stroemfeld liegen die Dinge anders. Stroemfeld ist 1970 unter dem Namen „Roter Stern“mit einem dezidiert linken Programm angetreten, hat sich dann aber darauf spezialisiert, Klassiker wie Kleist, Kafka, Keller oder Nietzsche in mustergültigen Editionen vorzulegen. Das Editieren von Ausgaben ist das klassische Handwerk der Literaturwissenschaft. Das galt schon, als der Verlag mit der Hölderlin-Ausgabe startete, als altmodisch, gesellschaftlich irrelevant. Die Ausgabe reproduziert die Hölderlin-Texte so, wie man sie bis dahin nur unter der geschärften Aufsicht des verantwortlichen Bibliothekars in der Universitätsbibliothek Tübingen einsehen konnte. Dass dies also keine Bücher für schmökernde Leseratten sind, ist offensichtlich. Es sind Ausgaben für Kenner, Liebhaber (Helmut Kohl) und Wissenschaftler. Das Zielpublikum waren Abonnenten, die über ein Jahrzehnt den Fortgang der Edition begleiteten und mitfinanzierten. Und natürlich Bibliotheken.
Aus für mustergültige Editionen
Bibliotheken spielen jetzt auch eine Rolle in der Diskussion um das Ende von Stroemfeld. Der Verlag hat seinen Konkurs damit begründet, dass die Bestellungen der Universitätsbibliotheken in Deutschland zurückgegangen sind. So habe der letzte Kafka-Band nur noch eine Auflage von 1200 Exemplaren gehabt.
Das Verhältnis von Bibliotheken und Verlagen lässt sich nicht generalisieren. Die Deutsche Bibliotheksstatistik legt Etats und Ausstattungen der Bibliotheken bis ins letzte Detail offen. Ravensburg beispielsweise stellt seiner Stadtbibliothek 170 000 Euro im Jahr für die Neuanschaffung von Medien zur Verfügung. Bei einer Universitätsbibliothek kommt man in andere Größenordnungen. Die in Tübingen zum Beispiel hat einen Etat (mit Personalkosten) von zwölf Millionen Euro.
Doch das Problem bei Werkausgaben kennen auch andere Verlage. So der Münchner C.H. Beck-Verlag. Vertriebsleiter André Brenner teilt mit, dass er aber – abgesehen von den besagten Editionsreihen – „zunehmend größere, zumindest aber gleichbleibende Etats der Bibliotheken“für die Neuanschaffung wissenschaftlicher Bücher verzeichnet.
Auf ein anderes Problem mit den Bibliotheken weist nun schon seit zehn Jahren der Heidelberger Germanist Roland Reuß hin, Herausgeber der Kafka- und Kleist-Ausgaben bei Stroemfeld. Es hängt mit der Digitalisierung und deren Auswirkungen zusammen. Die Bibliotheken haben sich zum Ziel gesetzt, den kostenfreien Zugang zu wissenschaftlicher Literatur im Netz möglich zu machen. Dabei werden auch solche Werke kostenfrei zugänglich, die urheberrechtlich geschützt sind. Man kann sie einsehen, zitieren, aber auch kostenfrei kopieren oder nachdrucken. Profiteure des freien Zugangs sind Unternehmen wie Google und You tube. Reuß warnt, dass dieses Modell, wie es die Bibliotheken als Service für ihre Nutzer betreiben und verteidigen, die Existenzbedingung wissenschaftlicher Editionen bedroht. Und das Urheberrecht aushöhlt.
Google profitiert
Auch hier gibt es einen Aufruf (Heidelberger Aufruf, 2009), der viel Unterstützung in der Branche fand. Auch die damalige Justizministerin Brigitte Zypries hat unterschrieben. Und es gab anfangs natürlich auch Kritiker, die Reuß des „Alarmismus“bezichtigten. Sigmund Freud hätte dazu gesagt: Wenn Sie unter Verfolgungswahn leiden, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht doch verfolgt werden. Wie sich nun zeigt, war Reuß zu Recht alarmiert.