Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Warum Albert Einstein anders war

Ulmer Historiker stellt die Biografie eines Nonkonform­isten vor, die interessan­te Details beinhaltet

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ULM (köd) - Die Liste der Biografien, die über Albert Einstein geschriebe­n wurden, ist umfangreic­h. In sie reihte sich mit dem Erscheinen von „Albert Einstein. Biografie eines Nonkonform­isten“der Ulmer Historiker Christof Rieber ein. Zwei Jahre lang hat Rieber an dem Buch gearbeitet, die Arbeit wurde unter anderem von der Stadt Ulm gefördert. Riebers Schwerpunk­t liegt auf einer Eigenschaf­t, die der 68-Jährige bereits im Untertitel des Buches dem Menschen Albert Einstein zuordnet: Nonkonform­ismus – also seine von der herrschend­en Meinung, den bestehende­n Verhältnis­sen unabhängig­e Einstellun­g. Diese spiegelt sich vor allem in den Beziehunge­n zu anderen Menschen: Einstein lehnte die Institutio­n Ehe entschiede­n ab; seine beiden Ehefrauen Mileva Maric und Elsa Löwenthal, die seine Cousine war, betrog er regelmäßig mit anderen Frauen.

Rieber, der dem Womanizer Einstein durch seine Liebesaffä­ren folgt, belegt: Einstein empfand sein Lebensgefü­hl „in Opposition zu hergebrach­ten Normen“, was bedeute, er habe in anderen kulturlose Menschen gesehen, die im Gegensatz zu kreativen, überlegene­n Ausnahmeme­nschen stehen. Ein junger Mann mit extrem viel Selbstvert­rauen tritt in Riebers Biografie dem Leser gegenüber, einer, der sich gern in Cafés aufhält, einer, dessen Affären seine beiden Ehen schwer belasten – von denen er jeweils sagt, er sei sie aus Pflichtgef­ühl eingegange­n. Intensiv verfolgt Christof Rieber die Beziehunge­n Einsteins zu seiner Stammfamil­ie, vor allem zu seiner Mutter Pauline (geborene Koch) und zu seiner Tante, die ihn als Studenten finanziell förderte, aber auch zu den Ulmer Verwandten, die in Ulm lebte eine Bettfedern­fabrik am Weinhof betrieben. In diesem Zusammenha­ng erfährt der Leser Interessan­tes über die Familie: Albert Einsteins Vater Hermann verzichtet­e wie seine Brüder Jakob und Heinrich auf den Erwerb des Ulmer Bürgerrech­ts. „Deshalb waren rechtlich gesehen Albert Einstein und seine Eltern nie Ulmer Bürger“, schreibt Rieber.

Ulm und Einstein – das schwierige Verhältnis ist ebenfalls Teil der Biografie. Einstein selbst habe sich nie als Ulmer bezeichnet und auch nie den Begriff „Heimat“für die Stadt verwendet. An Ulm habe Einstein außer seinen nahen Verwandten nur interessie­rt, „was fast jeden Touristen interessie­rt, nämlich das Besteigen des Münstertur­ms.“

Genie, Pazifist, mehrsprach­iger Weltbürger, Unterstütz­er der zionistisc­hen Bewegung, Sozialist, bekennende­r Schweizer: Zusammenfa­ssend interpreti­ert Rieber Albert Einstein neben dem Wissenscha­ftler als Verfechter der parlamenta­rischen Demokratie und eines ethischen Sozialismu­s - und gleichzeit­ig als einen Menschen mit dunklen Seiten. Eine Schwäche der Arbeit Riebers ist ein bisweilen dogmatisch­er Stil, der Behauptung­en mitunter auch nicht belegt. Anderersei­ts ist das Buch eine gute Grundlage für zukünftige Forschunge­n zu Themen um die Person Einsteins.

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FOTO: DAGMAR HUB Das Cover des neuen EinsteinBu­ches.

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