Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Akpinar führt Ulm zum Gala-Triumph

103:92 – Basketball­er feiern dank der 26 Punkte des Deutschtür­ken den ersten Saisonsieg

- Von Jürgen Schattmann

NEU-ULM – Die Familienve­rhältnisse des Ulmer Nationalsp­ielers Ismet Akpinar liefern einen schönen Einblick in die zuweilen an Fanatismus grenzende Begeisteru­ng im türkischen Basketball. Akpinars Mutter, sein Vater und er sind jeweils Anhänger von einem der drei großen Istanbuler Clubs, das habe allerdings Vor- und Nachteile, sagt der 23-Jährige: „Wir haben überall Freunde und Feinde“– denn die Clubliebe ist internatio­nal, sportartüb­ergreifend und eine Frage der Ehre. Wer nun exakt für wen ist und für wen das wahre Herz seines Bruders schlägt, der in der Türkei bei Büyükcekme­ce spielt, verrät Akpinar natürlich nicht, denn wie so etwas aussieht, eine Feindschaf­t, erfuhr man vor fünf Jahren beim Ulmer 91:70 über Galatasara­y. Ein Fenerbahce-Fan hatte sich in die Nähe des Gästeblock­s geschmugge­lt und hob nach Abpfiff schadenfro­h sein Trikot hoch, worauf sich lautstarke Jagdszenen und Tumulte abspielten.

Schreien, singen, Pogo tanzen

Die Eurocup-Wiederaufl­age in der Ratiopharm-Arena war deshalb zum Hochsicher­heitsspiel erklärt worden. Die Tickets waren personalis­iert. Alkohol wurde keiner ausgeschen­kt, dafür wurden die Fans im Vorfeld freundlich gebeten, doch bitte kein Münzgeld und keine Feuerwerks­körper mitzunehme­n, denn mit beidem kann man schlimme Sachen anstellen. Überall rund um die Ratiopharm-Arena wachten Polizisten am Mittwochab­end, und es blieb friedlich. Zwar hissten die rund 500 Hardcore-Fans unter den 5000 diverse Halbmondfl­aggen, benahmen sich sonst aber so, wie sich ganz normale, halbverrüc­kte (Fußball-)Fans eben benehmen: hüpften, schrien, sangen, tanzten Pogo.

Auf dem Feld dagegen hatten die Ulmer mit einem Türken arge Probleme: dem 24-jährigen Nigel Hayes, den Trainer Thorsten Leibenath für NBAtauglic­h hält und der am Ende 26 Zähler machte. Dwayne Evans konnte den US-Amerikaner nicht stoppen. Dem 2,03 Meter großen Forward glückten in den ersten vier Minuten sämtliche zehn Punkte zum 10:7, das Galatasara­y auf 25:15 ausbaute (8.), ehe Akpinar mit vier Punkten auf 19:25 verkürzte.

Danach wendete sich das Blatt: auch, weil Ulm nun so verteidigt­e, wie die Gala-Fans sangen: frenetisch, fäustereck­end, hartnäckig. Evans brachte die Ulmer nach einem 12:2-Lauf mit 33:31 in Front, ehe sich Hayes nach 18 Minuten mit zwei Dreiern zum 37:41 zurückmeld­ete. 18 Punkte hatte er nun, zur großen Pause hieß es – wieder dank zweier glänzender Akpinar-Aktionen – 46:43 für Ulm.

Ein Spiel der Serien

Dann drehte sich die Partie erneut. Gala verteidigt­e nun noch bissiger als zuvor die Ulmer, die binnen Sekunden Spielmache­r Patrick Miller durch ein Doppelverg­ehen mit dem fünften Foul verloren. Ulm leistete sich eklatante Offensivpa­tzer, nach einem 0:11-Lauf hieß es 66:52 für den letztjähri­gen Liga-Neunten vom Bosporus. Nur sechs Pünktchen glückten Ulm im dritten Viertel. Die Vorentsche­idung aber war das nicht: Angeführt vom glänzenden Akpinar, der das Spiel seines Lebens machte und insgesamt 26 Punkte erzielte – in dieser Phase gleich elf – , wendeten die Ulmer binnen fünf Minuten mit einer 16:1-Serie das Blatt. Plötzlich lagen sie mit 68:67 und 76:71 in Front – nur, um dann wieder einen 0:7-Lauf zu kassieren. Akpinar schaffte das 78:78 – Verlängeru­ng.

In der traf wieder Akpinar, inzwischen auch Spielmache­r, und erstmals auch Kapitän Per Günther, der einen miserablen Tag erwischte. Doch auch eine 85:82-Führung brachte Ulm wenig – es ging in die zweite Verlängeru­ng. In der schnappte sich das Heimteam schließlic­h den ersehnten ersten Saisonsieg. Während Gala Zach Auguste durch Foul Nr. 5 verlor, setzte sich Ulm auf 89:85 ab, verteidigt­e unnachgieb­ig. Isaac Fotu machte mit einem Dreier zum 92:86 alles klar. 103:92 gewannen die Ulmer am Ende – weil Akpinar, Held des Spiels, noch zahllose Zähler nachlegte.

Punkte Ulm: Akpinar 26, Fotu 19, Green 16, Evans 11, Reinhardt 9, Thompson 8, Miller 6, Ugrai 4, Günther, Krämer je 2.

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FOTO: IMAGO Meistens einen Weg gefunden: Ulms Ismet Akpinar (mit Ball).

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