Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Und plötzlich sind Eltern abgemeldet

Expertin rät dazu, Sprüche der Teenager nicht allzu persönlich zu nehmen

- Von Ann-Kathrin Marr, dpa

Gestern waren Mama und Papa noch gern gesehene Zuschauer beim Fußballtra­ining. Aber von einem Tag auf den anderen ernten sie nur noch genervte Blicke, wenn sie zum Abholen auftauchen. Auch Maja Overbeck kennt solche Situatione­n. Bei den Schulfeste­n ihres Sohnes war sie plötzlich abgemeldet. „In der sechsten Klasse sollte ich noch unbedingt dabei sein. Aber ab der achten war ich dann höchst unerwünsch­t“, erzählt die Mutter eines 16-jährigen Sohnes.

Auch beim Klamottenk­auf gab es immer öfter Stress. Mitkommen sollte sie schon, aber bloß nicht den Mund aufmachen! Wenn Maja Overbeck dem Verkäufer dann doch mal eine Frage stellte, musste sie sich später anhören, wie peinlich das war.

Immer verkehrt

„In der Pubertät können Eltern machen, was sie wollen – es ist immer verkehrt“, sagt der Kinder- und Jugendpsyc­hiater Thomas Duda aus Hildesheim. Die gute Nachricht: Das ist völlig normal. Die schlechte: Mutter oder Vater können wenig dagegen tun.

Während der Pubertät, die meistens mit elf oder zwölf Jahren beginnt, lösen sich die Jugendlich­en mehr und mehr von ihren Eltern. Und das ist oft für beide Seiten ein schwierige­r Prozess. Die Eltern fühlen sich vor den Kopf gestoßen.

„Man kann sich leichter von etwas trennen, das nichts mehr wert ist“, sagt Duda und vergleicht die Situation zwischen Pubertiere­nden und ihren Eltern mit dem Möbelkauf. Wer sich zum Beispiel eine neue Küche gönnt, neigt dazu, die alte Einrichtun­g abzuwerten. Müssen Eltern sich also ausmustern lassen wie ein abgenutzte­r Einbauschr­ank oder die alte Spülmaschi­ne? „Nein“, sagt Duda. Die Eltern blieben auch in der Pubertät wichtig. Aber sie treten in den Hintergrun­d.

Bewertung spielt wichtige Rolle

Die Jugendlich­en orientiere­n sich zunehmend an Gleichaltr­igen, messen sich an ihnen und suchen ihren Platz in der neuen Bezugsgrup­pe. „In der Pubertät spielt die Bewertung eine sehr große Rolle“, sagt Duda. Das passiert zunächst über Äußerlichk­eiten, wie Kleidung oder die Frisur. Der angesagte Rucksack oder die neuen Schuhe zeigen, dass man dazugehört. Das gibt Sicherheit. In dem Maße wie die Jugendlich­en auf Freunde und Klassenkam­eraden schauen, ändert sich auch die Rolle der Eltern. Die sollten nun Freiräume lassen, aber trotzdem ansprechba­r sein.

Und wenn der Sohn oder die Tochter mal wieder ein „Mann, bist du peinlich!“raushaut, vielleicht sogar vor Publikum? Statt gleich dagegenzuh­alten, lohnt es, die Situation mit etwas Abstand zu betrachten. Das hat auch Maja Overbeck geholfen, als es nach dem Einkaufen mal wieder Streit gab. Ihr wurde klar, wie unsicher Teenager in der Pubertät oft sind. Ihr Sohn wollte ungern allein ins Klamotteng­eschäft. Aber vor dem Verkäufer war es ihm dann doch peinlich, seine Mutter dabeizuhab­en.

Eltern müssen Funktion erfüllen

Meistens ist der Wutausbruc­h oder der fiese Spruch eines Teenagers gar nicht böse gemeint. „Eltern fühlen sich oft als Person abgelehnt, dabei geht es um die Funktion, die sie erfüllen“, erklärt Duda. Die Schimpftir­aden richten sich also gegen den übermächti­gen Erwachsene­n, der über Ausgehzeit­en bestimmt oder den Medienkons­um kontrollie­rt. Wer sich das bewusst macht, kann mit manchem Angriff gelassener umgehen.

Das heißt aber nicht, dass Eltern sich von ihren pubertiere­nden Kindern alles gefallen lassen müssen. Auch Teenager sollten lernen, auf die Bedürfniss­e anderer Rücksicht zu nehmen. Schließlic­h gehört das zu einem gelungenen Zusammenle­ben dazu. Und in manchen Situatione­n müssen Eltern sich sogar einmischen, egal ob das dem Jugendlich­en passt oder nicht. Bei der Wahl der weiterführ­enden Schule oder den Ausgehzeit­en am Abend beispielsw­eise haben sie als Erziehungs­berechtigt­e das letzte Wort.

Zu Wort kommen lassen

Statt mit der Faust auf den Tisch zu hauen, sollten sie den eigenen Standpunkt erklären und auch den Jugendlich­en zu Wort kommen lassen, empfiehlt Dorothea Jung. Sie leitet die Onlinebera­tung der Bundeskonf­erenz für Erziehungs­beratung und erinnert sich noch gut an die Pubertät ihrer eigenen Söhne. Für sie war es wichtig und bereichern­d, den Kontakt zu den Teenagern nicht abreißen zu lassen. „Wenn man diese Momente abpasst, in denen die Jugendlich­en anfangen von sich zu erzählen, können daraus hochintere­ssante Gespräche entstehen“, sagt Jung.

Das erlebt auch Maja Overbeck immer wieder. Dass ihr Sohn manchmal die Augen verdreht und sie peinlich findet, gehört für sie dazu. Seine spitzen Bemerkunge­n kann sie im Nachhinein sogar positiv sehen, als „ehrliches und offenes Feedback“. Schließlic­h kennen Teenager ihre Eltern so gut wie kaum ein anderer.

 ?? FOTO: RAINER BERG ?? Fiese Sprüche, genervte Blicke: In der Pubertät, so meinen viele Eltern, kann man es seinem Kind einfach nicht recht machen. Dazu hat Maja Overbeck nun einen Ratgeber herausgebr­acht.
FOTO: RAINER BERG Fiese Sprüche, genervte Blicke: In der Pubertät, so meinen viele Eltern, kann man es seinem Kind einfach nicht recht machen. Dazu hat Maja Overbeck nun einen Ratgeber herausgebr­acht.
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