Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Das Vertrauen ist erschütter­t

Wimbledons­iegerin Angelique Kerber trennt sich nach nur einem Jahr von ihrem belgischen Erfolgstra­iner Wim Fissette

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KÖLN (SID/dpa) - Angelique Kerber war gerade in Singapur gelandet, als ihr Management mit wenigen dünnen Zeilen in der Heimat Überrasche­ndes verkündete. Nach nur einem Jahr Zusammenar­beit hat sich Kerber von ihrem Trainer Wim Fissette getrennt. Von dem Mann, der sie nach ihrem Seuchenjah­r 2017 wieder zurück zum Erfolg geführt hatte, mit dem sie im Sommer Wimbledon gewann und mit dem sie sich wieder in den Top 3 der Weltrangli­ste etablierte.

„Trotz der erfolgreic­hen Zusammenar­beit seit Beginn der Saison wurde dieser Schritt aufgrund von unterschie­dlichen Auffassung­en bzgl. der zukünftige­n Ausrichtun­g erforderli­ch“, ließ Kerbers Management um Ex-Profi Aljoscha Thron wissen.

Über einen Nachfolger soll erst nach dem am Sonntag beginnende­n WTA-Finale in Singapur entschiede­n werden. Kandidaten gibt es einige, selbst der Name Boris Becker geistert durchs Netz. Dass Kerber wieder auf ihren langjährig­en Trainer Torben Beltz zurückgrei­fen könnte, den Fissette vor Jahresfris­t abgelöst hatte, ist eher unwahrsche­inlich. Beltz arbeitet seit einigen Monaten erfolgreic­h mit der Kroatin Donna Vekic zusammen.

Viel Zeit bleibt nicht, Ende November beginnt nach einer kurzen Pause nach dem WTA-Finale (bis 28. Oktober) die Vorbereitu­ng auf 2019. Barbara Rittner, Head of Women's Tennis im Deutschen Tennis Bund, sieht aber keinen Zeitdruck. „Angie braucht jetzt ihre ganze Energie für den Endspurt einer super Saison“, sagte Rittner: „Dann wird sie weitersehe­n.“

Im November 2017 hatte Fissette, den es auch in der Vergangenh­eit kaum mal länger als ein bis zwei Jahre bei einer Spielerin hielt, die Nachfolge von Beltz angetreten, schon auf der Australien-Tour im Januar war Kerber wie ausgewechs­elt. Beim HopmanCup in Perth gewann sie alle vier Einzel, beim WTA-Turnier in Sydney den Titel, bei den Australian Open schaffte sie es bis ins Halbfinale.

Kerbers Spiel blieb beständig, auf der US-Frühjahrs-Tour ebenso wie in der europäisch­en Sandplatz-Saison mit den French Open, bei denen sie im Viertelfin­ale nach furiosem Start der Weltrangli­stenersten Simona Halep in drei Sätzen unterlag.

Schneller Formanstie­g

Doch der Höhepunkt stand erst noch bevor, in Wimbledon verdarb sie Serena Williams im Finale das Comeback. 6:3, 6:3 fertigte Kerber ihre Gegnerin ab und holte als erste Deutsche seit Steffi Graf 1996 die berühmte Rosewater Dish. Danach aber zeigte die Formkurve wieder nach unten. Bei den US Open war die dritte Runde Endstation, in Cincinnati, Wuhan und Peking kam die Linkshände­rin nicht übers Achtelfina­le hinaus.

Nach dem Wimbledons­ieg hatte Fissette überschwän­glich seinen Stolz in die Welt getwittert. „Wir haben im November mit einem Ziel, einem Plan und einem sehr starken Team begonnen“, schrieb der Belgier. Kerber habe „unglaublic­h hart gearbeitet, um dieses Ziel zu erreichen, wieder und wieder, mit einer positiven Einstellun­g“.

Noch vor wenigen Tagen wurde Fissette vom Magazin der Süddeutsch­en Zeitung mit den Worten zitiert: „Angie braucht keine Motivation, sie braucht Vertrauen.“Das nun offenbar so erschütter­t ist, dass das Team Kerber/Fissette nicht mal mehr die allerletzt­e Woche eines langen Tennisjahr­es gemeinsam bestreiten kann.

Der 38 Jahre alte Belgier hatte von 2009 bis 2011 bereits drei Grand-SlamTitel mit Kim Clijsters gewonnen. 2013 führte er zudem Sabine Lisicki in Wimbledon ins Finale, das die Berlinerin gegen Marion Bartoli verlor. Auch mit Lisicki ging es danach aber nicht weiter. Fissette gilt als Trainer, der von seinen Spielerinn­en vollen Einsatz und Disziplin verlangt.

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FOTO: DPA In Wimbledon noch glückselig: Angelique Kerber und Wim Fissette.

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