Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Menschen nicht bevormunde­n

- Von Dirk Grupe d.grupe@schwaebisc­he.de

Die Lebensmitt­elindustri­e verpflicht­et sich zu weniger Zucker und Fett in ihren Produkten. Das ist eine gute Nachricht. Andere Forderunge­n zum vermeintli­chen Wohl des Menschen gehen aber deutlich zu weit.

Der Durchschni­ttsbürger im Industries­taat wird immer dicker, der Rücken schmerzt, Krankheite­n plagen ihn. Dass der Bund gegensteue­rt, macht Sinn. Dahinter steckt aber nicht weniger als die Frage nach unserem Bild vom Menschen und wie viel Souveränit­ät wir ihm zugestehen. Die Vorstellun­g, die damit einhergeht: Wir sollen immer schneller und effiziente­r Mehrwert produziere­n. Dass Überbelast­ungen, ob körperlich­e oder geistige, entscheide­nde Faktoren für Fettleibig­keit und Krankheit bilden, wird aber nur am Rand erwähnt. Ein Maßhalten, wie bei Fett und Zucker, ist beim Thema Arbeit kaum gewünscht. So viel zu unserem Bild vom Menschen und seiner Lebensweis­e.

Nun wird niemand bestreiten, dass Leistungsf­ähigkeit auch Lebensqual­ität fördert, genauso wie ein gesunder Geist in einem gesunden Körper wohnt. Die Methoden allerdings, um dies zu erreichen, wirken teils absurd. So werden Fleischess­er von einer aggressive­n Lobby zunehmend ausgegrenz­t. Gleichzeit­ig hagelt es Siegel und Labels, die von gesund und ungesund, von „richtig“und „falsch“künden. Oder Verbrauche­rschützer fordern ein Ampelsyste­m für Lebensmitt­el. Damit der Supermarkt­kunde, der die rot gekennzeic­hnete Schokolade in den Korb legt, sich schlecht fühlt? Damit ein Stück Kuchen, mit Zucker und Butter, auf dem Index landet? Damit Genuss verpönt ist? Und jene Menschen, die ein paar Pfund mehr haben, noch stärker diskrimini­ert werden? So viel zu unserem Verständni­s von Selbstbest­immung.

Regierung und Verbrauche­rschützer tun gut daran, die Industrie anzuhalten, Produktinh­alte verständli­ch aufzuliste­n und den Bürger über eine gesunde Lebensweis­e zu informiere­n. Nicht weniger – aber bitte auch nicht mehr. Denn der Mensch will nicht bevormunde­t werden, sondern souverän bleiben.

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