Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Menschen nicht bevormunden
Die Lebensmittelindustrie verpflichtet sich zu weniger Zucker und Fett in ihren Produkten. Das ist eine gute Nachricht. Andere Forderungen zum vermeintlichen Wohl des Menschen gehen aber deutlich zu weit.
Der Durchschnittsbürger im Industriestaat wird immer dicker, der Rücken schmerzt, Krankheiten plagen ihn. Dass der Bund gegensteuert, macht Sinn. Dahinter steckt aber nicht weniger als die Frage nach unserem Bild vom Menschen und wie viel Souveränität wir ihm zugestehen. Die Vorstellung, die damit einhergeht: Wir sollen immer schneller und effizienter Mehrwert produzieren. Dass Überbelastungen, ob körperliche oder geistige, entscheidende Faktoren für Fettleibigkeit und Krankheit bilden, wird aber nur am Rand erwähnt. Ein Maßhalten, wie bei Fett und Zucker, ist beim Thema Arbeit kaum gewünscht. So viel zu unserem Bild vom Menschen und seiner Lebensweise.
Nun wird niemand bestreiten, dass Leistungsfähigkeit auch Lebensqualität fördert, genauso wie ein gesunder Geist in einem gesunden Körper wohnt. Die Methoden allerdings, um dies zu erreichen, wirken teils absurd. So werden Fleischesser von einer aggressiven Lobby zunehmend ausgegrenzt. Gleichzeitig hagelt es Siegel und Labels, die von gesund und ungesund, von „richtig“und „falsch“künden. Oder Verbraucherschützer fordern ein Ampelsystem für Lebensmittel. Damit der Supermarktkunde, der die rot gekennzeichnete Schokolade in den Korb legt, sich schlecht fühlt? Damit ein Stück Kuchen, mit Zucker und Butter, auf dem Index landet? Damit Genuss verpönt ist? Und jene Menschen, die ein paar Pfund mehr haben, noch stärker diskriminiert werden? So viel zu unserem Verständnis von Selbstbestimmung.
Regierung und Verbraucherschützer tun gut daran, die Industrie anzuhalten, Produktinhalte verständlich aufzulisten und den Bürger über eine gesunde Lebensweise zu informieren. Nicht weniger – aber bitte auch nicht mehr. Denn der Mensch will nicht bevormundet werden, sondern souverän bleiben.