Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Warum „Schemangschelasche“krottenfalsch ist
Zehn Jahre „Reden von Oberschwaben“– Gastredner Hans-Martin Gauger in Saulgau
BAD SAULGAU - Ein guter Titel ist die halbe Miete, man weiß es. Die Gesellschaft Oberschwaben hat das beherzigt. „Reden von Oberschwaben“nannte sie ihre Vortragsreihe, die jetzt ihr Zehnjähriges feiert. Denn schön doppeldeutig, wie er ist, weil einerseits gebürtige Oberschwaben sich über Gott und die Welt auslassen können und andererseits Reingeschmeckte ihre neue oberschwäbische Heimat spiegeln, sichert er Kontinuität über Jahre hinaus. Und die Qualität kommt durch den Promi-Faktor hinzu. Die Liste der bisherigen 22 Gäste spricht für sich: Hermann Bausinger, Helmut Maucher, Kardinal Walter Kasper, Martin Walser, Kai Diekmann, Erwin Teufel, Gabi Hauptmann, Bischof Gebhard Fürst, Arnold Stadler, Antje von Dewitz, Werner Metzger …
Und nun der emeritierte Freiburger Romanist Professor Hans-Martin Gauger mit seinen „Sprachkritischen Bemerkungen – überwiegend heiter“. 1935 in Freudenstadt geboren, wuchs er von 1936 bis 1949 im damaligen Saulgau auf. Was bis heute nachwirkt – Verwandte waren da, Freunde, Weggefährten. Dazu eine große Schar von Interessierten. Denn Sprachkritik ist derzeit unbestritten ein Thema, das die Bevölkerung umtreibt. Das merkte auch der Vorsitzende der Gesellschaft Oberschwaben, der Freiburger Landeshistoriker Professor Thomas Zotz, an, der auf die bedenklichen Einflüsse der neuen Medien hinwies.
Wenn ein Ordinarius ein Buch mit dem Titel „Na also, sprach Zarathustra“geschrieben hat, dann darf man bei ihm außer wissenschaftlichem Tiefgang eine gute Portion an Wortwitz voraussetzen. Gaugers Vortrag wurde dieser Erwartungshaltung auch bravourös gerecht: eleganter Plauderstil, durchsetzt mit humorvollen Pointen und geistreichen Aperçus, was nicht allzu verwunderlich ist bei jemandem, der sich ein Leben lang mit Frankreich beschäftigt hat, schon seit prägenden Besatzertagen im Nachkriegs-Saulgau.
Dazu der reiche Ertrag des Vortrags. Einiges sei kurz angerissen: Der Sprachwissenschaftler Gauger betonte mehrfach, dass Sprachwissenschaft an sich nicht wertet, sondern nur analysiert. Demgegenüber betreibt die Sprachkritik genau diese Wertung: Sie lobt, und sie tadelt, wenn ihr Negativa auffallen. Allerdings sind laut Gauger Sprachkritiker gut beraten, wenn sie ihr Metier nicht allzu verbiestert betreiben, sondern in lockerer Entspanntheit.
Gauger war stets anzumerken, mit welcher Lust er so verstandene Sprachkritik im Spannungsfeld von Sprachgebrauch und Sprachbewusstsein betreibt. Was er aufspießte, waren in der Tat fragwürdige Moden. So sei eigentlich nicht einzusehen, warum es plötzlich als schick gilt, das Wort Journalist mit einem Dsch-Laut beginnen zu lassen wie im Englischen. Als Beispiel für Gedankenlosigkeit zitierte er einen derzeit inflationär geäußerten Satz wie Da bin ich ganz bei Ihnen. Keine Gnade fand auch der Satz Der Papst zeigte sich besorgt über die Lage im Gaza-Streifen. Gauger: „Er ist besorgt, das reicht!“Gauger rieb sich an einem diffusen Wort wie Gemengelage, das viele nicht einordnen könnten, gar meinen, es sei französisch und dann so etwas absondern wie Schemangschelasche. Und dann brach noch sein schwäbisches Erbe durch: Es heiße natürlich krottenfalsch – von schwäbisch Krott = Kröte – und nicht grottenfalsch, wie der Duden meine.
Gendergerechtigkeit mit Maß
Gauger wagte sich zudem auf das verminte Gelände der Gendergerechtigkeit, wahrte aber auch hier seinen verbindlichen Stil. Dass in unserer Sprache die männliche Form eines Substantivs auch für Frauen verwendet wird, ist für Gauger ein „grammatischer Tatbestand“, und dieses generische Maskulinum mache auch nicht – was feministische Sprachwissenschaftlerinnen beklagten – „Frauen unsichtbarer als jede Burka“. Er verstehe das Unbehagen der Frauen und plädiere auch für den Einsatz der weiblichen Form, wenn es sich anbiete, aber zu einem generischen Femininum überzugehen, ist für ihn keine Lösung. Gauger zitierte eine feministische Linguistin: „Den meisten Frauen, das muss man zugeben, ist es egal.“
So war der Vortrag der Nr. 23 in der beliebten Reihe allemal ein weiterer Farbtupfer auf der bunten Themenpalette. Gauger hatte eingelöst, was die Sigmaringer Landrätin Stefanie Bürkle als Miteinladende schon zu Beginn angesprochen hatte: „Reden von Oberschwaben“ist als populäres Instrument zur Vermittlung von Wissen aus den verschiedensten Sachgebieten gedacht. Die Gesellschaft Oberschwaben trage immer wieder dazu bei, dass dieser Landstrich nicht in Vergessenheit gerate, so Bürkle. In der Tat.