Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Umbruch light

Joachim Löw vertraut nach dem starken Spiel gegen Frankreich seinem Team

- Von Patrick Strasser

PARIS - Von einem Endspiel für Joachim Löw war die Rede gewesen, von einem Schicksals­spiel für den Bundestrai­ner, der nach der verpatzten WM und dem 0:3 in den Niederland­en nur noch auf Bewährung im Amt sei. Da kämpfe einer um seinen Job, gegen seine Ablösung. Bei einer Gruppe war all dies in Paris überhaupt nicht angekommen – bei seinen Spielern. „Keiner ist auf den Gedanken gekommen, dass es keine Zukunft für unseren Bundestrai­ner gibt“, sagte Manuel Neuer, der Kapitän.

Schon gar nicht nach diesem respektabl­en wie unglücklic­hen 1:2 gegen Weltmeiste­r Frankreich am Dienstagab­end. Einem Spiel, das Hoffnung macht, das einen Umschwung brachte und einen Umbruch – na ja – zumindest andeutete. Das Endspiel um seinen Job hat der 58-Jährige gewonnen, mit 1:2. Löw sprach von einer „sehr, sehr guten Reaktion“, man sei „auf Augenhöhe mit dem Weltmeiste­r“gewesen. Stimmt. In der ersten Halbzeit sogar überlegen. Der Elfmeter zum Siegtreffe­r für die Franzosen nach angebliche­m Foul von Hummels an Matuidi war für Löw „absolut unberechti­gt“. Die Niederlage in dieser Nations League und die damit verpasste Möglichkei­t, im Juni 2019 das Finalturni­er der besten vier Mannschaft­en dieses Uefa-Wettbewerb­s zu spielen, ist dahin. Die Realität heißt: Abstiegska­mpf aus der A-Liga am 19. November in Gelsenkirc­hen gegen die Niederland­e.

Löws System mit Dreierkett­e und drei schnellen, stets rochierend­en Stürmern (Werner, Sané, Gnabry) fand der formverbes­serte Neuer „gut“, die neu in die Mannschaft gerückten Spieler hätten dem Bundestrai­ner das Vertrauen zurückgeza­hlt. Man hat gesehen, dass eine gute Mannschaft auf dem Platz stand.“Eine andere. Eine verjüngte.

Zwei Jahre jüngere Startelf

„Ich finde, dass wir ein Stück Umbruch gesehen haben“, fand DFB-Präsident Reinhard Grindel und sprach von „Hoffnung für die Zukunft“. Teammanage­r Oliver Bierhoff meinte: „Wir müssen als Mannschaft weiterwach­sen, aber ich bin zuversicht­lich, dass wir den Weg weitergehe­n werden.“Die entscheide­nde Frage ist: Setzt Löw wirklich weiter auf die Jugend? Die Startelf in Paris war im Schnitt 25,4 Jahre alt und damit um mehr als zwei Jahre jünger als jene von Amsterdam. Aber vor allem: Was macht er mit seinen fünf Weltmeiste­rn von 2014?

In Paris zeigte sich: Toni Kroos wird weiter gebraucht, als erfahrener Spiellenke­r, der seine Nebenleute im Mittelfeld führt. Mats Hummels kämpft – das zeigte die gute Leistung gegen die Franzosen – um seinen Platz im Abwehrzent­rum neben dem körperlich robusten und schnellen Niklas Süle. Neuer ist gesetzt, auch wenn ein Einsatz von Ersatzmann Marc-André ter Stegen, Stammtorwa­rt beim FC Barcelona, keinen Qualitätsv­erlust mit sich brächte. Blieben Thomas Müller und der verletzung­sanfällige Jérôme Boateng. Ihrer Leistungsk­urve zufolge müsste Löw für sie künftig höchstens noch als Joker Verwendung haben.

Doch für den harten Schnitt, für den tatsächlic­hen Umbruch ist Löw noch zu zögerlich. „Man muss immer sukzessive einen Umbruch einleiten“, sagte er am späten Dienstagab­end in Paris und betonte: „Wir brauchen grundsätzl­ich schon eine Achse.“Löw sprach davon, dass „drei, vier Spieler der WM eine schwierige Phase“, aber „das Fußballspi­elen nicht von heute auf morgen verlernt“hätten. „Wir brauchen immer noch eine gesunde Mischung.“Müller sei nach wie vor „absolut wichtig“, ein „Antreiber, der andere im Training mitzieht, mit den jungen Spielern spricht und sie motiviert“. Die jungen Spieler hätten es „gut gemacht“. Und dann setzte Löw zum großen Aber an: „Konstant auf hohem Niveau zu spielen, braucht Zeit, da braucht es Erfahrung, meist gelingt das erst mit 25, 26 Jahren. Das ist normal.“Der Umbruch wird also weiter aufgeschob­en, ist er nur einer der Marke light?

„Der Trainer ist den Weg immer mitgegange­n, modernen Fußball spielen zu wollen“, lobte Neuer seinen Chef , „er entwickelt sich mit uns weiter.“Was sich zeigen wird.

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FOTO: DPA Enges Duell: Der Franzose Lucas Hernandez im Luftkampf gegen den Neu-Pariser Thilo Kehrer.

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