Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Kommissar wandert hinter Gitter
Ermittler der Ulmer Polizeidirektion wird wegen Unterschlagung und Diebstahl verurteilt
ULM - Ein 51-jähriger Kriminalkommissar ist am Freitagmittag wegen Unterschlagung, Strafvereitelung, Diebstahl in Tateinheit mit Verwahrungsbruch in besonders schweren Fällen zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung vom Ulmer Schöffengericht verurteilt worden. Der bisher nicht vorbestrafte Vater von drei erwachsenen Kindern muss nicht nur die Strafe absitzen, sondern verliert jetzt auch seinen Beamtenstatus und den in 31 Jahren Dienstzeit erworbenen Pensionsanspruch.
Am 10. Juli dieses Jahres begann der bereits zweite Prozess gegen den seit drei Jahren suspendierten KripoBeamten. Der erste war nach zwei Verhandlungswochen im vergangenen Jahr geplatzt, weil sich der Angeklagte unwohl fühlte. Der der damaligen Sitzung beiwohnende forensische Gutachter stellte zwar die volle Verhandlungsfähigkeit fest. Doch der Richter entschied auf eine Neuauflage, weil sich der Angeklagte in einem Krankenhaus in Neu-Ulm stationär behandeln lasse.
Die Anklageschrift, die am Freitag in allen Punkten durch das Urteil bestätigt wurde, liest sich wie die Story eines Krimis, nur ohne Tote. Zwischen 2013 und 2015 soll der damalige Rauschgiftermittler immer dann, wenn er den Chef des Polizeireviers Weststadt im Urlaub vertrat, in mindestens 28 Fällen Strafanzeigen und Ermittlungsakten nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, beziehungsweise beseitigt haben und in sechs weiteren Fällen Geldbeträge aus Strafbefehlen und Sicherheitsleistungen in Höhe von jeweils 100 bis zu einmalig 5000 Euro für sich behalten haben. In einem Fall schmorte ein Einzahler im Gefängnis, weil er angeblich die Sicherheitsleistung nicht bezahlt hatte, die sich der Angeklagte selbst in die Tasche gesteckt haben soll.
Vor Gericht präsentierte sich der Beschuldigte als redlicher Mensch mit einem intakten Familienleben und einer tadellosen Karriere vom einfachen Verkehrspolizisten zu einem hoch gelobten Kriminalbeamten, der sich unter anderem beim Landeskriminalamt – Abteilung Terrorismus Meriten erworben habe. Die beiden Verteidiger beschrieben ihren Mandanten als „tadellosen Polizisten“, der das Opfer eines „Wir-Gefühls“seiner Kollegen und Vorgesetzten geworden sei, dem alles angehängt worden sei, „was im Polizeirevier schief lief“. In der Tat hatten sich in der umfangreichen Beweisaufnahme zahlreiche Kriminalhauptkommissare und Kriminaldirektoren die Klinke in die Hand gedrückt und kein gutes Haar an dem Angeklagten gelassen. Polizeipräsident Christian Nill sagte: „Es gab wiederholt Unregelmäßigkeiten bei der Sachbearbeitung und Arbeitszeiterfassung.“
Konten bei sechs Banken
Im Verlauf der Beweisaufnahme zog sich der Strick enger um den Hals des Kommissars, nachdem ein Finanzermittler in den Zeugenstand getreten war. Sein ehemaliger Kollege habe sich seit Jahren in schwieriger finanzieller Lage befunden. Zeitweise habe er bei sechs Banken zum Teil mehrere Konten besessen – es hätte immer wieder Bareinzahlungen mit auffällig viel Münzgeld gegeben. Eine Privatinsolvenz habe gedroht. Der Zeuge wörtlich: „Immer, wenn der Kollege wo war, fehlte Geld.“So reihte sich ein Verdachtsindiz nach dem anderen auf, denen der Angeklagte und seine Anwälte stets widersprachen. In seinem Plädoyer sprach der Oberstaatsanwalt nach dem Ende der Beweisaufnahme von einer Schädigung der Integrität der Polizei in der Öffentlichkeit durch den Angeklagten, der sich selbst in hohem Maße strafbar gemacht habe.
Die beiden Verteidiger plädierten für einen Freispruch ihres Mandanten. Es sei nur zu seinen Lasten ermittelt worden. Ob sie in Berufung gehen, konnten die Anwälte nach dem Urteil noch nicht sagen. Und die Frage bleibt auch nach dem Prozess unbeantwortet, woher die chronische Geldnot des Kommissars kam, der über ein Monatseinkommen von über 3000 Euro plus monatliche Finanzspritzen von mehreren hundert Euro verfügte.