Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Warum ist die Schwäbische Alb Heimat?
Eine Straße schlängelt sich den Berg hinauf. Ein grünes Schild begrüßt Einwohner wie Besucher. „Heuberg“steht darauf zu lesen. 19 Personen leben im Ortsteil von Westerheim.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht, dem grünkarierten Hemd, seiner Arbeitshose und Stiefeln öffnet Ingo Hiller die Haustür. Er wohnt gleich im ersten Haus auf dem Heuberg. Sein Wohnort ist zugleich Arbeitsplatz, vor allem aber Heimat. Der 40-Jährige hat den Betrieb der Familie Walter übernommen.
Heimat, das ist für den zweifachen Familienvater so eine Sache. „Mein Vater ist Laichinger; ich gebürtiger Geislinger. Wir waren im Schwarzwald und haben auch im Rheinland gewohnt. Mein Vater war in der Textilindustrie. Es ging dorthin, wo Arbeit war“, erzählt Ingo Hiller. Mit 17 Jahren sei er auf die Schwäbische Alb zurückgekehrt. „Ich bin also hier nicht aufgewachsen und dennoch ist es meine Heimat. Auf der Alb, da fühle ich mich eben daheim“, so der 40-Jährige. Andere Regionen, anderer Dialekt: Ingo Hiller sei als Fremder zurückgekommen. „Aber Zuhause, egal, wo wir gewohnt haben, war sozusagen unsere Amtssprache immer Schwäbisch“, sagt Hiller. In der Schule habe er Hochdeutsch lernen müssen. „Und je nach Region hat man auch ein paar Wörter von Freunden angenommen. Aber meinen schwäbischen Dialekt habe ich nie abgelegt. Er ist der rote Faden im Leben“, zeigt der Landwirt auf, der Agrarwirtschaft studierte. An der Landwirtschaft habe er schon immer ein großes Interesse gehabt. „Aber ich hatte keinen elterlichen Betrieb, den ich übernehmen konnte“, erklärt Hiller. Deswegen stieg er bei der Familie Walter im Westerheimer Ortsteil Heuberg mit ein. Das war im Jahr 2005. Eine GbR wurde gegründet. 2014 übernahm er den Betrieb. Mit dem Juli dieses Jahres ist die Familie Walters in Rente gegangen. „Also wurde das Projekt sozusagen jetzt zum Abschluss gebracht“, so Hiller.
70 Kühe, 19 Einwohner
70 Kühe von Ingo Hiller fühlen sich auf dem Heuberg ebenso Zuhause wie die 19 Einwohner. Außerdem baut Ingo Hiller Getreide an und betreibt eine Biogasanlage. „Da, wo andere Leute Urlaub machen, bin ich Zuhause“, sagt er und schaut von seinem Balkon aus in die Landschaft. „Man hat hier seine Ruhe. Die Leute sind bescheiden, aber trotzdem ist man nicht ab vom Schuss“, fügt er an und denkt dabei an die Möglichkeit, nach Ulm zu fahren oder auch den Flughafen Stuttgart in der Nähe zu haben. Sein Zuhause liege in einer reizvollen Landschaft und trotzdem zentral. Dann kommt er noch einmal auf das Schwäbisch zu sprechen. „Den Dialekt zu schwätzen, ist für mich ebenso ein großes Stück Heimat. Wir leben es, wir pflegen es und es macht uns individuell“, sagt Ingo Hiller. Das gebe er auch an seine Kinder weiter. „Oma, Opa, Onkel, Kinder. Alle sprechen Schwäbisch und haben einen Bezug zu ihrer Heimat. Und keiner hat den Drang, wegzugehen“, so Hiller. Auch für ihn stehe fest: „Ich werde hier bleiben.“Ingo Hiller fügt erklärend an: „Leben kann man überall, aber nicht alles ist Heimat.“
Dort, wo die Familie ist
Zu seinem Heimat-Begriff gehöre ein weiterer entscheidender Punkt. „Heimat ist dort, wo auch meine Familie ist. Eben da, wo man sich niedergelassen hat“, zeigt der 40-Jährige auf. Wieder zuckt ein Lächeln über sein Gesicht: „Jeder hat seinen Patriotismus.“Deswegen sei es ihm auch ein Anliegen, sich für sein Zuhause – seine Heimat – einzusetzen. Ehrenamtlich sitzt Ingo Hiller im Westerheimer Gemeinderat, er ist im Vorstand der Mühlengenossenschaft Römerstein und auch im Beirat vom Biosphärengebiet Schwäbische Alb aktiv. Langweilig werde es ihm und seiner Frau Monika auf dem Heuberg also auf gar keinen Fall, auch nicht seinen Kinder Christian und Katharina. „Die Kinder versauern hier nicht. Sie kommen schon weg und das ist uns auch ganz wichtig“, sagt der Landwirt. Klar sei aber auch: „Vom Kindergarten bis zur Schule: Man fährt eben alles.“Eine Bushaltestelle auf dem Heuberg gibt es nicht. „Dennoch habe ich nicht den Eindruck, dass den Kindern hier etwas fehlt“, so Hiller. Einfallsreichtum sei gefragt – da wird auch schon mal in den Sommerferien die Folie rausgeholt, der große Hang präpariert und dann geht es wie auf einer Wasserrutsche hinab.
In einer ländlich geprägten Region zu wohnen, bedeute auch, Initiative zu ergreifen. „Bis vor ein paar Jahren gab es hier einen Telefonmasten“, beschreibt Hiller. Doch ob Unternehmer oder Privatperson: Eine gute Leitung sei unverzichtbar. Als Glasfaser gelegt wurde, sprang Ingo Hiller auf das Projekt mit auf, ließ auf eigene Kosten eine Leitung verlegen. „Sonst wäre es wirklich schwierig mit dem Netz“, zeigt er auf. Doch wo ein Problem, da auch eine Lösung. Seine Heimat möchte Ingo Hiller nicht mehr missen.