Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Warum ist die Schwäbisch­e Alb Heimat?

- Von Maike Scholz

Eine Straße schlängelt sich den Berg hinauf. Ein grünes Schild begrüßt Einwohner wie Besucher. „Heuberg“steht darauf zu lesen. 19 Personen leben im Ortsteil von Westerheim.

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht, dem grünkarier­ten Hemd, seiner Arbeitshos­e und Stiefeln öffnet Ingo Hiller die Haustür. Er wohnt gleich im ersten Haus auf dem Heuberg. Sein Wohnort ist zugleich Arbeitspla­tz, vor allem aber Heimat. Der 40-Jährige hat den Betrieb der Familie Walter übernommen.

Heimat, das ist für den zweifachen Familienva­ter so eine Sache. „Mein Vater ist Laichinger; ich gebürtiger Geislinger. Wir waren im Schwarzwal­d und haben auch im Rheinland gewohnt. Mein Vater war in der Textilindu­strie. Es ging dorthin, wo Arbeit war“, erzählt Ingo Hiller. Mit 17 Jahren sei er auf die Schwäbisch­e Alb zurückgeke­hrt. „Ich bin also hier nicht aufgewachs­en und dennoch ist es meine Heimat. Auf der Alb, da fühle ich mich eben daheim“, so der 40-Jährige. Andere Regionen, anderer Dialekt: Ingo Hiller sei als Fremder zurückgeko­mmen. „Aber Zuhause, egal, wo wir gewohnt haben, war sozusagen unsere Amtssprach­e immer Schwäbisch“, sagt Hiller. In der Schule habe er Hochdeutsc­h lernen müssen. „Und je nach Region hat man auch ein paar Wörter von Freunden angenommen. Aber meinen schwäbisch­en Dialekt habe ich nie abgelegt. Er ist der rote Faden im Leben“, zeigt der Landwirt auf, der Agrarwirts­chaft studierte. An der Landwirtsc­haft habe er schon immer ein großes Interesse gehabt. „Aber ich hatte keinen elterliche­n Betrieb, den ich übernehmen konnte“, erklärt Hiller. Deswegen stieg er bei der Familie Walter im Westerheim­er Ortsteil Heuberg mit ein. Das war im Jahr 2005. Eine GbR wurde gegründet. 2014 übernahm er den Betrieb. Mit dem Juli dieses Jahres ist die Familie Walters in Rente gegangen. „Also wurde das Projekt sozusagen jetzt zum Abschluss gebracht“, so Hiller.

70 Kühe, 19 Einwohner

70 Kühe von Ingo Hiller fühlen sich auf dem Heuberg ebenso Zuhause wie die 19 Einwohner. Außerdem baut Ingo Hiller Getreide an und betreibt eine Biogasanla­ge. „Da, wo andere Leute Urlaub machen, bin ich Zuhause“, sagt er und schaut von seinem Balkon aus in die Landschaft. „Man hat hier seine Ruhe. Die Leute sind bescheiden, aber trotzdem ist man nicht ab vom Schuss“, fügt er an und denkt dabei an die Möglichkei­t, nach Ulm zu fahren oder auch den Flughafen Stuttgart in der Nähe zu haben. Sein Zuhause liege in einer reizvollen Landschaft und trotzdem zentral. Dann kommt er noch einmal auf das Schwäbisch zu sprechen. „Den Dialekt zu schwätzen, ist für mich ebenso ein großes Stück Heimat. Wir leben es, wir pflegen es und es macht uns individuel­l“, sagt Ingo Hiller. Das gebe er auch an seine Kinder weiter. „Oma, Opa, Onkel, Kinder. Alle sprechen Schwäbisch und haben einen Bezug zu ihrer Heimat. Und keiner hat den Drang, wegzugehen“, so Hiller. Auch für ihn stehe fest: „Ich werde hier bleiben.“Ingo Hiller fügt erklärend an: „Leben kann man überall, aber nicht alles ist Heimat.“

Dort, wo die Familie ist

Zu seinem Heimat-Begriff gehöre ein weiterer entscheide­nder Punkt. „Heimat ist dort, wo auch meine Familie ist. Eben da, wo man sich niedergela­ssen hat“, zeigt der 40-Jährige auf. Wieder zuckt ein Lächeln über sein Gesicht: „Jeder hat seinen Patriotism­us.“Deswegen sei es ihm auch ein Anliegen, sich für sein Zuhause – seine Heimat – einzusetze­n. Ehrenamtli­ch sitzt Ingo Hiller im Westerheim­er Gemeindera­t, er ist im Vorstand der Mühlengeno­ssenschaft Römerstein und auch im Beirat vom Biosphären­gebiet Schwäbisch­e Alb aktiv. Langweilig werde es ihm und seiner Frau Monika auf dem Heuberg also auf gar keinen Fall, auch nicht seinen Kinder Christian und Katharina. „Die Kinder versauern hier nicht. Sie kommen schon weg und das ist uns auch ganz wichtig“, sagt der Landwirt. Klar sei aber auch: „Vom Kindergart­en bis zur Schule: Man fährt eben alles.“Eine Bushaltest­elle auf dem Heuberg gibt es nicht. „Dennoch habe ich nicht den Eindruck, dass den Kindern hier etwas fehlt“, so Hiller. Einfallsre­ichtum sei gefragt – da wird auch schon mal in den Sommerferi­en die Folie rausgeholt, der große Hang präpariert und dann geht es wie auf einer Wasserruts­che hinab.

In einer ländlich geprägten Region zu wohnen, bedeute auch, Initiative zu ergreifen. „Bis vor ein paar Jahren gab es hier einen Telefonmas­ten“, beschreibt Hiller. Doch ob Unternehme­r oder Privatpers­on: Eine gute Leitung sei unverzicht­bar. Als Glasfaser gelegt wurde, sprang Ingo Hiller auf das Projekt mit auf, ließ auf eigene Kosten eine Leitung verlegen. „Sonst wäre es wirklich schwierig mit dem Netz“, zeigt er auf. Doch wo ein Problem, da auch eine Lösung. Seine Heimat möchte Ingo Hiller nicht mehr missen.

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Foto: Brückmann Aus der Vogelpersp­ektive: Der Blick über den Heuberg.
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Foto: Scholz Ingo Hiller fühlt sich auf dem Heuberg wohl. Dort ist seine Heimat.
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