Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bayern will mit Ankerzentr­en Modell für den Bund schaffen

- Von Patrick Guyton und Axel Habermehl

Seit August geht Bayern bei neu ankommende­n Flüchtling­en einen eigenen Weg. Jeder Neuankömml­ing wird in eines der sieben Ankerzentr­en im Freistaat einquartie­rt. Dort muss sie oder er bleiben, bis über den Asylantrag entschiede­n ist. „Anker“steht für „Ankunft, Entscheidu­ng und Rückführun­g“. Möglichst schnell, effektiv und ohne unnötige Bürokratie soll das gehen, in den Zentren sitzen die Entscheidu­ngsträger mit Außenstell­en direkt vor Ort – das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf ) sowie das Verwaltung­sgericht, die Rückkehrbe­ratung und die Arbeitsage­ntur.

Bayern – im August noch mit absoluter CSU-Mehrheit regiert – setzt mit den Ankerzentr­en als einziges Bundesland um, was Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) für ganz Deutschlan­d vorschwebt. Im Koalitions­vertrag der Großen Koalition steht, dass Asylverfah­ren künftig in Ankerzentr­en gebündelt werden. Geplant ist außerdem, nur diejenigen Flüchtling­e in Kommunen zu verteilen, bei denen eine positive Bleibeprog­nose besteht. „Alle anderen sollen, wenn in angemessen­er Zeit möglich, aus diesen Einrichtun­gen in ihre Heimatländ­er zurückgefü­hrt werden“, haben die Koalitions­partner vereinbart.

Besuch ist nicht erlaubt

Besuch von außerhalb ist in den Ankerzentr­en verboten, rund um die Uhr bewachen die Sicherheit­sleute das hoch eingezäunt­e Areal. Die Bewohner erhalten ein Taschengel­d von 90 Euro im Monat und jedes Vierteljah­r 100 Euro für Bekleidung.

Der Bayerische Flüchtling­srat lehnt das System der Ankerzentr­en ab, er bezeichnet sie als „Abschiebel­ager“. Die Lebensbedi­ngungen seien menschenun­würdig, heißt es in einer Stellungna­hme. Beklagt werden „hohe Zäune, geschlosse­ne Tore, Überwachun­g, Wohnen auf engstem Raum“. Vor allem gehe es um Abschottun­g. Ziel sollte aber vielmehr „die schnelle Unterbring­ung in kleinen Unterkünft­en und Wohnungen sein“. Bayernweit gibt es derzeit laut Innenminis­terium 14 000 Plätze in den Ankerzentr­en, gegenwärti­g sind 9000 belegt.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) lobt die eigene Asylpoliti­k: Immer häufiger dürften „die Richtigen“bleiben, und „die Richtigen“müssten das Land verlassen. Mit den Ankerzentr­en werden vor allem schnellere Verfahren angestrebt. Vorgesehen ist eine Verweildau­er von maximal sechs Monaten. Wie lange die Flüchtling­e aber tatsächlic­h in den Ankerzentr­en ausharren, darüber können die Behörden noch keine Auskünfte geben.

Südwesten geht anderen Weg

Baden-Württember­g hat ein ganz anderes System bei der Unterbring­ung von Flüchtling­en. Neu ankommende Asylbewerb­er werden in Ankunftsze­ntren registrier­t. Ist eine sehr schnelle Entscheidu­ng zu erwarten, bleiben sie dort. Ansonsten werden sie auf Erstaufnah­meeinricht­ungen verteilt, wo sie bis zu sechs Monate untergebra­cht sind. Danach kommen sie in die dezentrale­n Unterkünft­e, die die Landkreise zur Verfügung stellen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany