Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Gute Chancen auf Gehaltserhöhung
Auch tariflich Beschäftigte können individuelle Verbesserungen aushandeln
BERLIN - Seit Langem war die Situation für Beschäftigte in der Bundesrepublik nicht mehr so gut wie jetzt. Die Erwerbslosigkeit sinkt. Und permanent steigt die Zahl der Arbeitsplätze. Zwischen diesen beiden Größen liegt, was Ökonomen einen „Arbeitnehmermarkt“nennen. In vielen Branchen können die Beschäftigten Ansprüche stellen, auch für höhere Gehälter – unabhängig von Tarifverhandlungen.
„Je knapper die Fachkräfte, desto größer die Bereitschaft der Firmen zur Gehaltserhöhung“, sagt der Hamburger Karriereberater Martin Wehrle. „In meiner Praxis erlebe ich fast täglich: Wo ein Wille ist, ist auch ein Gehaltsetat.“Die Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) bestätigt: „Beschäftigte mit bestimmten Fachqualifikationen, zum Beispiel EDV-Spezialisten, haben in vielen Branchen gute Chancen, ihre Entgeltvorstellungen durchzusetzen.“
Dies gilt nicht nur für die Bezahlung von Führungskräften, die sowieso individuell mit den Geschäftsführungen über ihre Arbeitsverträge verhandeln. Es trifft auch für die Mehrheit der Arbeitnehmer zu, deren Löhne sich an Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen orientieren. Einerseits stecken die Gehälter von Millionen Arbeitnehmern zwar in festgefügten Systemen, andererseits herrscht durchaus Spielraum.
Christian Lorenz von der Deutschen Gesellschaft für Personalführung: „Die Entlohnung kann aus einer Kombination von kollektiven Regeln und individuellen Vereinbarungen bestehen.“Auf letztere können Beschäftigte Einfluss nehmen, wenn sie ihre Vorgesetzten um ein Gehaltsgespräch bitten. In einem ersten Schritt sollten Arbeitnehmer den für sie gültigen Tarifvertrag lesen, auch wenn er langweiliger Stoff zu sein scheint.
Leistung entsprechend entlohnen
Darin enthalten sind die sogenannten Entgeltstufen. Man erfährt, wo man mit seiner Qualifikation eingruppiert ist. Wichtig dabei: „Tarifgehälter stellen eine Abgrenzung nach unten dar“, sagt Berater Wehrle, Autor des Buches „Noch so ein Arbeitstag, und ich dreh durch“. Er sagt: „Wer eine außerordentliche Leistung bringt, muss auch ein außerordentliches Gehalt bekommen.“
Tarifverträge schreiben somit die Mindestbedingungen fest. Wer gute Gründe vorbringt, kann durchaus ein paar hundert Euro mehr pro Monat herausholen. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine besteht darin, einen individuellen Aufschlag auf das Tarifentgelt anzustreben. Oder man setzt sich zum Ziel, vom Arbeitgeber in eine höhere Gehaltsgruppe eingestuft zu werden.
Sollte sich die Verhandlung über das Gehalt schwierig gestalten, mag es helfen, weitere Bestandteile des Arbeitsvertrages einzubeziehen. „Kompromisse können darin bestehen, bessere Bezahlung und geldwerte Leistungen zu kombinieren“, erklärt Artur Jagiello von der Vergütungsberatung Personalmarkt in Hamburg. „Unter Umständen ist die Firma bereit, eine Weiterbildung zu finanzieren, sich am Beitrag für das Fitnessstudio zu beteiligen oder ein Dienstfahrrad zu stellen.“
Auch die Arbeitszeit ist ein wichtiger Punkt. „Besonders in höheren Gehaltsgruppen kann zusätzliche Zeit eine größere Rolle spielen als mehr Geld“, erläutert Lorenz. „Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigen sich mitunter auf zusätzliche Urlaubstage oder eine verkürzte Arbeitszeit.“
Wer in eine solche Verhandlung einsteigen will, muss sich vorher die Argumentation zurechtlegen. Es bedarf einer guten, nachvollziehbaren, möglichst dokumentierten Begründung. Hier kann eine Rolle spielen, dass der Beschäftigte seit Abschluss des Arbeitsvertrages oder der vergangenen Beförderung neue Qualifikationen erworben hat.
Verantwortung und Erfahrung
Möglicherweise hat er Aufträge erfolgreich abgewickelt oder neue hereingeholt. Sollte seine Tätigkeit dazu geführt haben, dass Umsatz und Gewinn stiegen, ist dies ebenfalls ein wichtiger Gesichtspunkt. „Gründe für eine Neueinstufung können unter anderem die Übernahme von Personalverantwortung oder mehr Berufserfahrung sein“, ergänzt Jagiello.
Wahrscheinlich ist es klug, die Arbeitgeber und Vorgesetzten nicht ständig mit solchen Ansinnen zu nerven, sondern beispielsweise anderthalb Jahre ins Land gehen zu lassen. Außergewöhnliche Umstände können den Zeitraum zwischen Gehaltsgesprächen aber auch verkürzen. Wer etwa ein Abwerbe-Angebot von einem Konkurrenzunternehmen erhält, hat gute Gründe, auf bessere Bezahlung beim aktuellen Arbeitgeber zu drängen. Oft sind die Personalmanager in solchen Fällen bereit, gute Fachkräfte zu halten und ihnen bessere Bedingungen einzuräumen.
Beschäftigten in höheren Gehaltsgruppen kann es auch passieren, dass ihnen die Firma den Wechsel von tarifvertraglicher zu außertariflicher Bezahlung anbietet. Das kann Vorteile haben, doch gleichzeitig ist Vorsicht angezeigt. Erlaubt ist dieser Wechsel, wenn die jeweilige Tätigkeit oberhalb der höchsten Entgeltstufe des Tarifvertrags angesiedelt ist. Wer das Angebot akzeptieren will, sollte darauf achten, dass das gesamte Bezahlungspaket inklusive Versicherungen und Nebenleistungen besser ausfällt als die bisherige Vergütung. All das individuell auszuhandeln, ist oft nicht einfach. Außerdem sollte man die Arbeitszeit berücksichtigen. Denn Überstunden und lange Arbeitszeiten von außertariflich Beschäftigten bezahlen die Unternehmen meist nicht extra – im Gegensatz zur Entlohnung von tariflichen Arbeitnehmern.