Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Munderkinger Erwin Nisch kämpft gegen Impfmüdigkeit in der Region
Als Kind an Kinderlähmung erkrankt – Heute unterstützt Nisch andere Betroffene
MUNDERKINGEN - Als Kind ist der Munderkinger Erwin Nisch im Jahr 1954 an Polio, der sogenannten Kinderlähmung, erkrankt. Noch heute hat er mit den Spätfolgen der hochansteckenden Krankheit zu tun. Auch wenn Polio nahezu als ausgerottet gilt, setzt sich der 69-Jährige für eine flächendeckende Impfung ein und hat eine Beratungsstelle für Betroffene gegründet. Zum Weltpoliotag am Sonntag, 28. Oktober, will er die fast vergessene Krankheit wieder in Erinnerung rufen.
Als Fünfjähriger erkrankte Erwin Nisch an der Kinderlähmung. Die Viruserkrankung kann das Nervensystem befallen. Im Fall des Munderkingers führte sie anfangs zu einer kompletten Lähmung seines Körpers. „Ich erinnere mich, dass der große Metallkasten, die eiserne Lunge, immer bedrohlich unter meinem Bett lag“, so Nisch. Das Gerät stand für den schlimmsten Fall bereit, dass auch die Atemmuskulatur des Munderkingers gelähmt wird. Dann hätte schnell reagiert werden müssen, um zu verhindern, dass der damals Fünfjährige qualvoll erstickt.
Kampf gegen Spätfolgen
Auch wenn die völlige Lähmung sich heute stark verbessert hat, kämpft Nisch immer noch gegen die Spätfolgen der verhängnisvollen Krankheit. „Meine rechte Körperhälfte ist gelähmt, vor allem mein rechter Arm und mein rechtes Bein sind betroffen“, erklärt er. Auch seine Atmung ist eingeschränkt und läuft fast ausschließlich über den linken Lungenflügel. Mehrfach die Woche muss er sich Therapien unterziehen, damit sich sein Zustand nicht wieder verschlechtert. „Aber das Training ist ein schmaler Grat, die Muskulatur darf auch nicht überfordert werden, auch das schädigt sie“, erklärt Nisch.
Als er 1954 erkrankte, gab es in Westdeutschland noch keine Schutzimpfung gegen Polio. „Die Schluckimpfung wurde 1960/61 eingeführt, dann hat es noch einige Zeit gedauert, bis sie sich flächendeckend durchgesetzt hatte“, berichtet der Munderkinger, der heute, da eine Impfung von Kindern risikoarm möglich ist, an alle Eltern appelliert, diese Möglichkeit auch wahrzunehmen. „Ist man einmal an Polio erkrankt, gibt es keine Heilung“, betont Erwin Nisch. Selbst wenn die Krankheit anfangs harmloser als bei dem Munderkinger verläuft, können Jahrzehnte später Folgeerkrankungen durch das sogenannte Post-PolioSyndrom auftreten. Müdigkeit, Muskelund Gelenkschmerzen sowie Muskelschwächen und Lähmungen können die Folge sei.
Obwohl die Kinderlähmung heute in der westlichen Welt als ausgerottet gilt, bedeute das nicht, dass eine Impfung unnötig ist, sagt Erwin Nisch. „Sie könnte reimportiert werden.“Die Menschen sind heute überall auf der Welt unterwegs, könnten sich dort anstecken und den Virus so wieder nach Deutschland zurückbringen. Nisch hält es deshalb wie der Nobelpreisträger Harald zur Hausen: „Wer verantwortlich handelt, kann kein Impfgegner sein.“
Der Munderkinger beobachtet, dass die Impfmüdigkeit zunehme. „Nicht Geimpfte profitieren vom Herdenschutz, der funktioniert aber nur bei einer hohen Durchimpfungsrate“, so der 69-Jährige.
Hilfe für Betroffene
Seit zehn Jahren engagiert sich Erwin Nisch in der Selbsthilfe für Menschen, die an den Folgen einer PolioErkrankung leiden. Vor zwei Jahren hat er in seinem Haus eine Kontaktund Beratungsstelle für Betroffene eingerichtet. Angesprochen sind nicht nur Munderkinger, sondern Menschen aus dem ganzen Alb-Donau-Kreis, Ulm und dem Kreis Biberach. Nisch schätzt, dass es etwa 100 Betroffene in seinem Einzugsgebiet geben könnte. Diese möchter er bei der Suche nach geeigneten Ärzten und Therapeuten gerne unterstützen, aber auch beim Stellen verschiedenster Anträge.
Erwin Nisch ist telefonisch am besten vormittags von 9 bis 12 Uhr unter 07393/952 56 30 zu
erreichen. Kontakt ist aber auch per Mail an e.nisch@gmx.de möglich. Weitere Informationen unter ●» www.polio-selbsthilfe.de