Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Syrlinsteg wehrt sich gegen Demontage

Arbeiten an Fußgängerb­rücke müssen abgebroche­n werden - Wie es zum Fehlschlag kam

- Von Thomas Heckmann

ULM - Verärgerte Gesichter in der Nacht zum Samstag am Syrlinsteg: Der monatelang geplante Austausch der Fußgängerb­rücke über die Bahngleise muss gegen 0.30 Uhr abgebroche­n werden. Der Vorbereitu­ngsaufwand war immens, denn es musste nicht nur ein Mobilkran mit 350 Tonnen Hubkraft organisier­t werden, sondern auch eine Genehmigun­g von der Bahn vorliegen.

Das Wochenende war für die Stadt perfekt, denn auf der Bahnstreck­e Ulm–Stuttgart rollt zwei Wochen lang keinen Durchgangs­verkehr, nur Regionalzü­ge und Güterzüge, die in den Rangierbah­nhof wollen. Jedes Mal, wenn ein Zug vorbei fährt, müssen die Arbeiten unter der Brücke unterbroch­en werden. Die Buslinie 7 muss umgeleitet werden. Auf der Schwabstra­ße ist auf voller Breite eine Schutzfoli­e ausgelegt, auf der die Brücke abgelegt und transportf­ertig gemacht werden soll.

Am Abend beginnen Arbeiter mit Presslufth­ämmern und Trennschle­ifern, um die Brücke von den Auflagen abzutrenne­n. Löcher sind in die Brücke geschnitte­n worden, durch die die Hebeketten des Mobilkrane­s gefädelt werden. Um 0.20 Uhr passiert der letzte Reisezug vor einer Fahrplanlü­cke den Steg, auf diesen Zeitpunkt sind die Arbeiten ausgericht­et.

Dann soll die Brücke zuerst an der Südseite angehoben werden. Und es bewegt sich – nichts. Noch mal wird gehämmert, gesägt, gebohrt, nach einer übersehene­n Verankerun­g gesucht. Die Brücke kann dann irgendwann ein paar Zentimeter hin- und hergerutsc­ht werden, aber nach oben geht es einfach nicht.

Ein neuer Versuch wird an der Michelsber­gseite gestartet, die Ketten angelegt und angehoben. Als über Funk der Kranführer die Zahlen der Lastanzeig­e durchgibt, kommen Irritation­en auf: „15 Tonnen, 17 Tonnen…“Das passt nicht zu den Berechnung­en eines beauftragt­en Ingenieurb­üros.

Keine belastbare­n Zahlen mehr verfügbar

Vom ursprüngli­chen Bau im Jahr 1909 und auch von der Sanierung 1974 lagen keine aussagekrä­ftigen Unterlagen mehr vor, daher wurde das Gewicht neu berechnet.

Mit dem Meterstab wird nochmals die Brücke gemessen, Zahlen in den Taschenrec­hner eingetippt. Ergebnis der Überschlag­srechnung: Die Brücke ist weit schwerer als berechnet.

Wie es nun weitergeht, war in der Nacht offen, denn nun muss man entweder die Brücke erleichter­n, etwa durch einen Abbau von Seitenteil­en, oder es muss ein leistungss­tärkerer Kran organisier­t werden.

Gerhard Fraidel, Sachgebiet­sleiter Ingenieurb­auwerke bei der Stadt Ulm, ist so verärgert, dass er nicht bis Montag zur Fehlersuch­e warten will. Kurz vor zwei Uhr morgens fährt er direkt in sein Büro, um die Zahlen der Ingenieure nachzurech­nen.

Die Problemlös­ung kann dagegen länger dauern, denn es muss erst wieder eine neue Gleissperr­ung bei der Bahn beantragt werden, Fahrleitun­gen müssen abgeschalt­et werden. Wenn es gelingt, die Brücke leichter zu machen, kann am kommenden Samstag ein neuer Versuch gestartet werden. An diesem Tag sollte eigentlich die bereitlieg­ende neue Brücke eingesetzt werden.

 ?? FOTO: THOMAS HECKMANN ?? Schwerer als gedacht: der Syrlinsteg. Die Fußgängerb­rücke konnte am Wochenende noch nicht abgebaut werden.
FOTO: THOMAS HECKMANN Schwerer als gedacht: der Syrlinsteg. Die Fußgängerb­rücke konnte am Wochenende noch nicht abgebaut werden.

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