Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Syrlinsteg wehrt sich gegen Demontage
Arbeiten an Fußgängerbrücke müssen abgebrochen werden - Wie es zum Fehlschlag kam
ULM - Verärgerte Gesichter in der Nacht zum Samstag am Syrlinsteg: Der monatelang geplante Austausch der Fußgängerbrücke über die Bahngleise muss gegen 0.30 Uhr abgebrochen werden. Der Vorbereitungsaufwand war immens, denn es musste nicht nur ein Mobilkran mit 350 Tonnen Hubkraft organisiert werden, sondern auch eine Genehmigung von der Bahn vorliegen.
Das Wochenende war für die Stadt perfekt, denn auf der Bahnstrecke Ulm–Stuttgart rollt zwei Wochen lang keinen Durchgangsverkehr, nur Regionalzüge und Güterzüge, die in den Rangierbahnhof wollen. Jedes Mal, wenn ein Zug vorbei fährt, müssen die Arbeiten unter der Brücke unterbrochen werden. Die Buslinie 7 muss umgeleitet werden. Auf der Schwabstraße ist auf voller Breite eine Schutzfolie ausgelegt, auf der die Brücke abgelegt und transportfertig gemacht werden soll.
Am Abend beginnen Arbeiter mit Presslufthämmern und Trennschleifern, um die Brücke von den Auflagen abzutrennen. Löcher sind in die Brücke geschnitten worden, durch die die Hebeketten des Mobilkranes gefädelt werden. Um 0.20 Uhr passiert der letzte Reisezug vor einer Fahrplanlücke den Steg, auf diesen Zeitpunkt sind die Arbeiten ausgerichtet.
Dann soll die Brücke zuerst an der Südseite angehoben werden. Und es bewegt sich – nichts. Noch mal wird gehämmert, gesägt, gebohrt, nach einer übersehenen Verankerung gesucht. Die Brücke kann dann irgendwann ein paar Zentimeter hin- und hergerutscht werden, aber nach oben geht es einfach nicht.
Ein neuer Versuch wird an der Michelsbergseite gestartet, die Ketten angelegt und angehoben. Als über Funk der Kranführer die Zahlen der Lastanzeige durchgibt, kommen Irritationen auf: „15 Tonnen, 17 Tonnen…“Das passt nicht zu den Berechnungen eines beauftragten Ingenieurbüros.
Keine belastbaren Zahlen mehr verfügbar
Vom ursprünglichen Bau im Jahr 1909 und auch von der Sanierung 1974 lagen keine aussagekräftigen Unterlagen mehr vor, daher wurde das Gewicht neu berechnet.
Mit dem Meterstab wird nochmals die Brücke gemessen, Zahlen in den Taschenrechner eingetippt. Ergebnis der Überschlagsrechnung: Die Brücke ist weit schwerer als berechnet.
Wie es nun weitergeht, war in der Nacht offen, denn nun muss man entweder die Brücke erleichtern, etwa durch einen Abbau von Seitenteilen, oder es muss ein leistungsstärkerer Kran organisiert werden.
Gerhard Fraidel, Sachgebietsleiter Ingenieurbauwerke bei der Stadt Ulm, ist so verärgert, dass er nicht bis Montag zur Fehlersuche warten will. Kurz vor zwei Uhr morgens fährt er direkt in sein Büro, um die Zahlen der Ingenieure nachzurechnen.
Die Problemlösung kann dagegen länger dauern, denn es muss erst wieder eine neue Gleissperrung bei der Bahn beantragt werden, Fahrleitungen müssen abgeschaltet werden. Wenn es gelingt, die Brücke leichter zu machen, kann am kommenden Samstag ein neuer Versuch gestartet werden. An diesem Tag sollte eigentlich die bereitliegende neue Brücke eingesetzt werden.