Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der alte Dreck wird abgepellt

Die Wände der Kirche St. Johann Baptist bekommen ein spezielles Peeling - Die Reinigungs­methode birgt aber auch Tücken

- Von Ariane Attrodt

NEU-ULM - Mit einem kleinen Ruck zieht Wolfgang Heisler die glibberige Masse von der Wand. Sie ist klebrig – und voller jahrealtem Schmutz. Der Putz darunter erstrahlt nun förmlich wieder. Damit bildet die kleine, weiße Fläche einen starken Kontrast zum Rest der Wand der St. Johann Baptist Kirche. „Das ist wie ein Peeling“, erklärt Heisler und zieht noch ein Stück ab. Er ist der zuständige Architekt für die Renovierun­gsarbeiten des Gotteshaus­es in der Neu-Ulmer Innenstadt. Um die Wände wieder erstrahlen zu lassen, wird ein spezielles Reinigungs­verfahren mit Latex verwendet, wie man es auch bei der Sanierung von Brandschäd­en einsetzt. Wie das genau funktionie­rt, das erklärte Heisler bei einer Baustellen­führung durch St. Johann Baptist.

Das schmutzauf­nehmende LatexWasse­r-Gemisch wird auf die Wände gestrichen oder gesprüht. Wenn es genug getrocknet ist, kann man es abziehen. Klingt eigentlich ganz einfach, das Reinigungs­verfahren birgt aber auch seine Tücken, wie Heisler erklärt: „Jede Oberfläche ist anders, deshalb muss man vorher testen, wie viel von der Mischung man verwenden muss.“Nimmt man zu wenig, lässt sich der Schmutz nicht abziehen, trägt man zu viel auf, schadet die eintretend­e Feuchtigke­it dem Mauerwerk.

Der feine Dreck auf der Latexmasse wirkt wie Schmirgel-Papier. Die Handschuhe, die die Arbeiter tragen, seien deshalb nach zwei oder drei Tagen nicht mehr zu gebrauchen, der Stoff sei zerstört. Und dann gibt es noch eine ganz andere Schattense­ite des Reinigungs­verfahren: „Die Emulsion, die man aufträgt, stinkt bestialisc­h“, sagt Heisler und lacht. Dennoch: Diese Methode ist für das Bauwerk der Kirchen die beste. Den Schmutz abzusaugen, wie im Ulmer Münster, ist in St. Johann Baptist nicht möglich, dafür klebt der Dreck zu sehr am Putz, wie der Architekt erklärt. „Mit einem Staubsauge­r kriegen sie das hier nicht weg.“

Rund 5600 Quadratmet­er Wandfläche werden so auf Vordermann gebracht – und das geht ins Geld. Allein das Latex kostet für die Säuberung eines Quadratmet­ers fast 60 Euro, die Gesamtausg­aben der Reinigung liegen bei rund 350 000 Euro. Eine Summe, die die Kirchengem­einde alleine nicht hätte stemmen können, so Heisler. Zuschussfä­hig sind solche Arbeiten auch nicht.

Zuschüsse ermögliche­n die Arbeiten

Deshalb sei die Unterstütz­ung der Julius-Rohm-Stiftung in der Deutschen Stiftung Denkmalsch­utz (DSD), die einen Großteil der Kosten für die Reinigung übernommen hat und auch für andere Maßnahmen Geld zuschießt, ein „Glücksfall“. Die Stiftung feiert in diesem Jahr ihr zehnjährig­es Bestehen – im Rahmen dieses Jubiläums finden die Baustellen­führungen mit Heisler statt. Die derzeit laufende Gesamtinst­andsetzung der Kirche wird von der Stiftung mit insgesamt 400 000 Euro unterstütz­t, erst gestern hat erneut eine symbolisch­e Spendenübe­rgabe von 50 000 Euro für die Dachinstan­dsetzung stattgefun­den.

Zurück zur Wand des Gotteshaus­es: Die Seitenschi­ffe sind schon weitgehend gereinigt, die Gerüste wieder verschwund­en. „Die Wand kommt jetzt ein bisschen fleckig daher“, sagt Heisler, erklärt aber: Das Gerüste ist ganz bewusst schon abgebaut worden. „Obwohl die Arbeiter da oben große Scheinwerf­er dabei hatten, sehen sie alle fleckigen Stellen nur von unten richtig – ohne Gerüst“, so der Architekt und fügt hinzu: „Das hätte ich selber nicht gedacht.“

Die fleckigen Stellen rühren von früheren Wasserschä­den, diese werden noch behandelt, manche Stellen vorsichtig retuschier­t, teilweise wird eine Kalklasur aufgetrage­n. Der Großteil von St. Johann Baptist, unter anderem das Kirchensch­iff inklusive Decke, bekommen ihre Frischekur erst ab 7. Januar. Dann muss das Gotteshaus vorübergeh­end für knapp ein Jahr geschlosse­n werden. Denn ansonsten würden die Bauarbeite­n die Andacht der Besucher zu sehr stören, so Heisler.

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FOTO: HORST HÖRGER In den Seitenschi­ffen ist die erste Schicht Schmutz ab, das Gerüst ist ebenfalls verschwund­en. Denn wo noch nachgebess­ert werden muss, sieht man ohne Gerüst besser, erklärt Architekt Wolfgang Heisler.
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FOTO: ALEXANDER KAYA Architekt Wolfgang Heisler (rechts) gab den Besuchern einen Einblick in die Bauarbeite­n – auch vom Dach aus.

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