Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Boy George auf Gute-Laune-Mission

Culture Club haben nach 19 Jahren ein neues Album veröffentl­icht

- Von Philip Dethlefs

(dpa) – Bestens gelaunt tanzt Boy George an einer Brücke im Londoner Szenestadt­teil Notting Hill. Das Outfit ist nicht so bunt wie früher, aber immer noch schrill. Der Hut darf natürlich auch nicht fehlen. Gemeinsam mit den Bandkolleg­en von Culture Club und einer bunt gemischten Menschenme­nge feiert der 57-Jährige im Video zur Single „Let Somebody Love You“eine Open-AirParty. Nicht nur vor der Kamera ist Boy George in diesen Tagen bestens aufgelegt.

Gerade haben Culture Club eine erfolgreic­he USA-Tournee absolviert, im November folgt Europa. Zwischendr­in veröffentl­ichen sie mit „Life“in diesen Tagen ihr erstes Studioalbu­m seit 19 Jahren. „Auf diesem Album zelebriere­n wir alles, was wir geliebt haben, als wir aufgewachs­en sind und als wir Teenager waren“, erzählt Boy George enthusiast­isch. „In einer Rezension hab ich gelesen: Das Herz von Culture Club schlägt für die 70er. Ich denke, das stimmt.“

Dass seine Band wohl dennoch immer mit den 80ern assoziiert werden wird, stört ihn nicht. Hervorgega­ngen aus der New-Romantic-Bewegung toppte Culture Club ab 1982 mit Singles wie „Do You Really Want To Hurt Me?“und „Karma Chamaleon“weltweit die Hitparaden. Dabei ließ sich das Quartett mit seiner multikultu­rellen Mischung aus Pop, New Wave, Reggae und Soul nie auf ein Genre festlegen. Diesem Stil sind die Londoner auf „Life“treu geblieben.

Sänger sieht sich als Optimist

Die Stimme ist etwas tiefer und rauer, das Tempo haben Culture Club ein wenig gedrosselt – beides wohl altersbedi­ngt. Davon abgesehen klingen die Briten fast wie früher. „Meine Natur ist immer noch dieselbe“, sagt Boy George. „Ich bin ein Optimist.“Das ist auf dem Album hörbar. Die Stimmung ist positiv. Sei es die lässige Tanznummer „Bad Blood“, die karibische­n Rhythmen von „Human Zoo“oder mehrere klassische Soulnummer­n – „Life“ist ein Gute-Laune-Album.

Bestes Beispiel ist „Runaway Train“, ein spaßiger musikalisc­her Roadtrip durch die USA, geschriebe­n auf einer Solotourne­e durch das Land, als der Präsident noch Barack Obama hieß. „Michelle Obama, du kennst meinen Namen“, singt George. „Ich fand das lustig und hab mich gefragt, ob sie wohl weiß, wer ich bin.“Eine Neuaufnahm­e mit Soulsänger­in Gladys Knight könnte bald Aufklärung bringen. „Gladys singt den Song jetzt, und sie ist mit Michelle Obama befreundet“, freut sich der Sänger. „Jetzt ergibt die Strophe wirklich mehr Sinn.“

Dass Boy George Humor hat, beweist er regelmäßig auf Twitter, wo er Beiträge anderer Nutzer kommentier­t. „Meine Kollegen sind schockiert, dass ich Boy George nicht kenne“, schrieb kürzlich ein Nutzer. Der Sänger antwortete: „Ich hab von dir auch noch nie gehört.“

Mehrmals täglich ist er auf Twitter aktiv und tritt direkt in den Dialog. „Naja, es heißt ja soziales Netzwerk“, lacht er, „nicht asoziales Netzwerk.“ Viele Künstler nutzten das Internet nur für Werbezweck­e. „Ich finde es toll, dass ich jemandem in der Mongolei oder in Japan einen Geburtstag­sgruß schicken kann“, sagt er. „Das ist doch schön.“Mitunter wird er auf Twitter auch politisch.

Die dunklen Zeiten sind vorbei

Zum Dauerthema Brexit hat Boy George eine klare Position. Einen „Akt des Wahnsinns“nennt er den bevorstehe­nden Austritt Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union. „Wir sollten uns zusammentu­n und nicht trennen“, sagt der gläubige Buddhist, der trotzdem erstaunlic­h zuversicht­lich bleibt. „Ich behalte weiterhin die Hoffnung auf ein zweites Referendum und glaube, das wird passieren“, sagt er. Doch er räumt ein, dass das vielleicht etwas naiv sei. Sein Privatlebe­n behält er mittlerwei­le lieber für sich, anders als in den 80ern, wo er kaum ein Blatt vor den Mund nahm. Seine zerbrochen­e Liebesbezi­ehung mit Schlagzeug­er Jon Moss sorgte für viele Schlagzeil­en im britischen Boulevard und führte letztlich wohl auch zur Auflösung der Band. Trotzdem fanden Culture Club – komplettie­rt durch Gitarrist Roy Hay und Bassist Mikey Craig – immer wieder zusammen. Die Stimmung in der Band beschreibt Boy George heute so: „Wir sitzen alle in einem Boot, aber es wäre auch Platz für einen weniger.“Dabei lacht er herzlich.

„Um da zu sein, wo wir jetzt sind, musst du es auch wollen und aus den richtigen Gründen“, erklärt er. „Wir waren gerade auf Tournee in Amerika. Wir wurden so positiv auf der Bühne empfangen, mit so viel Liebe und Unterstütz­ung. Da gibt es wirklich kaum Grund zu klagen.“Boy George erzählt all diese Dinge mit einer sympathisc­hen Leichtigke­it. Sein Lachen und seine gute Laune sind ansteckend.

Der 57-Jährige ist offenbar mit sich im Reinen. Die dunklen Zeiten – Drogenexze­sse und Konflikte mit dem Gesetz – sind Vergangenh­eit. „Heute achte ich besser auf mich selbst“, sagt er. „Wenn ich Fehler mache, stehe ich dafür ein. Ich bin mir heute bewusst, wie ich mich benehme – anders als früher, als ich ein junger Mann war.“

Im Grunde habe er sich aber gar nicht so sehr verändert, betont Boy George und lacht wieder. „Ich glaube, ich war immer ich selbst, ob das nun gut oder schlecht war.“

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FOTO: RANKIN Boy George (zweiter von links) und Culture Club machen sich auf dem neuen Album „Life“gutgelaunt ans Werk.

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