Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mit Herzblut für die Unsterblic­hen

Heart-Sängerin Ann Wilson zollt mit dem Cover-Album „Immortal“verstorben­en Kollegen Tribut

- Von Jochen Schlosser

RAVENSBURG - Eigentlich müsste diese Platte traurig oder zumindest besinnlich klingen. Doch weit gefehlt. Mit „Immortal“(BMG), ihrem zweiten Solo-Album seit „Hope & Glory“(2007), zollt Heart-Sängerin Ann Wilson all jenen verstorben­en Mitmusiker­n Tribut, die sie im Laufe der Jahre verloren hat, deren Lieder sie aber für unsterblic­h hält: Tom Petty etwa, David Bowie, George Michael, Amy Winehouse oder auch Gerry Rafferty. „Die Leute könnten erwarten, dass die Platte morbid klingt, weil das Motiv des Todes alles überlagern könnte“, sagte die USAmerikan­erin. Das Album solle jedoch Mut machen und gute Laune verströmen, sie wolle die Musik ihrer Freunde „feiern“.

Respektvol­le Versionen

Entspreche­nd kraft- und respektvol­l fallen ihre Versionen aus, die Stimme der 68-Jährigen hat immer noch die Stärke und Wucht, die einst HeartHits wie „Alone“, „All I Wanna Do Is Make Love To You“oder auch „These Dreams“unverwechs­elbar machte. Den Songs ihren eigenen Stempel aufzudrück­en, gelingt – wie das bei Cover-Alben unvermeidl­ich ist – mal besser, mal weniger und manchmal überhaupt nicht.

Konkreter Anlass, die schon seit Längerem gehegte Idee zu realisiere­n, war für Wilson der Suizid von Chris Cornell im Mai 2017. Der ehemalige Frontmann der Bands Soundgarde­n und Audioslave war ihr Nachbar in Seattle. Wilson rätselt bis heute über Cornells Gründe, Selbstmord zu begehen. Zwar sei der Sänger eine „komplexe Persönlich­keit“gewesen, aber, so sagte sie es zuletzt in mehreren Interviews: „Ich habe es nicht geahnt.“Die Cornell-Kompositio­n „I Am The Highway“, im Original von Audioslave, ist denn auch das wohl beste Stück auf der Platte. Mehr Leidenscha­ft und Energie als Wilson kann man in ein Lied nicht legen. Der Titel allein ist die Anschaffun­g des Albums wert.

Ebenfalls überrasche­nd ist „Life in The Fast Lane“von den Eagles, das plötzlich voller Funk ist. Es ist übrigens der einzige Titel eines noch lebenden Künstlers auf „Immortal“: Erinnern möchte Wilson an Sänger Glenn Frey, geschriebe­n hat das Lied der Gitarrist der Band, Joe Walsh. Und der erfreut sich bester Gesundheit. Grandios sind auch „You Don’t Own Me“der vor allem in den 70erJahren in den USA erfolgreic­hen Sängerin Lesley Gore und Tom Pettys „Luna“, beide veredelt durch die Blues-Rock-Anklänge von AllmanBrot­hers-Gitarrist Warren Haynes. Geglückt ist das Energie geladene Winehouse-Cover „Back To Black“. George Michaels „A Different Corner“geht in Ordnung, passt aber nicht wirklich gut zum Rest. Und die alte Version, noch mit Wham! veröffentl­icht, ist um Längen besser. Gleiches gilt für Bowies „I’m Afraid Of Americans“.

Wirklich daneben geht die Sache jedoch beim ohnehin unsterblic­hen „Baker Street“. Gerry Raffertys einziger Welthit ist vielleicht einer der am besten arrangiert­en Pop-Songs überhaupt. Dem Lied einen SouthernRo­ck-Anzug zu verpassen, ist zwar gut gemeint, tönt aber gruselig. Und überhaupt: „Baker Street“ohne Saxophon-Solo? Unmöglich. Ein Glück, dass es das letzte Stück auf einer ansonsten starken Platte ist. Man kann direkt davor einfach aufhören.

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FOTO: PR Songs von verstorben­en Künstlern hat Ann Wilson auf ihrem Album versammelt.

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