Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Drei Künstlerin­nen landen einen Volltreffe­r

Kammermusi­k in Laichingen: „Oper hautnah“überzeugt die Zuschauer im Alten Rathaus

- Von Jutta Kriegler

LAICHINGEN - Geister, Leichen und Liebe bis in den Tod: Mit „Hoffmanns Gefährtinn­en“haben die drei Künstlerin­nen einen Volltreffe­r gelandet. Das Stück ist eine Mischung aus Tanz, Theater und Gesang, ein multimedia­les Ereignis, eine große Oper fürs kleine Haus, in wenigen Szenen auf den Punkt gebracht. Kurzum: bestens geeignet für die Kammermusi­kstunde im Alten Rathaus, wo das Publikum die drei Damen im voll besetzten Bürgersaal aus nächster Nähe erleben durfte.

Die Handlung ist schnell erzählt: In Anlehnung an „Hoffmanns Erzählunge­n“nach Jacques Offenbach bietet das dreiköpfig­e Frauen-Ensemble „Oper to go“eine eigenwilli­ge Kurzversio­n dieser phantastis­chen Oper. Hoffmann, ein versoffene­r Dichter und Musiker, ertränkt seinen Liebeskumm­er in Alkohol, getrieben von den Geistern des Weines und wilden Gnomen, hervorrage­nd gespielt von Elisabeth Thöni. Doch der Kummer ist nicht echt, denn seine wahre Leidenscha­ft gilt der Kunst und seiner Muse, eine der Hauptfigur­en. Mit bösen Intrigen hintertrei­bt sie Hoffmanns irdische Liebschaft­en in Gestalt seines Freundes Nicklausse, denn sie will ihn ganz für sich haben.

Dem Tod geweiht

Ihre Hauptrival­in ist Sängerin Stella, die aufgespalt­en wird in drei Frauenfigu­ren, die wie Hoffmann selbst nicht wirklich für die Liebe taugen: die steife Olympia, die anhänglich­e Antonia und die berechnend­e Giulietta – alle drei Zerrbilder von Hoffmanns Ängsten. Deshalb sind sie auch allesamt dem Tod geweiht. Sie bieten jedoch eine hervorrage­nde Projektion­sfläche für die außergewöh­nliche schauspiel­erische Leistung von Nina Laubenthal, die in fliegendem Wechsel in verschiede­ne Frauenroll­en schlüpft: Mit spärlichen Requisiten, einfachen Kostümen und kleinen Vorhang-Garderoben wurde Opern-Flair ins Alte Rathaus gezaubert.

Auch Kathrin Walder ist als Muse richtig schön böse und verschlage­n. Wenn Hoffmann verliebt ist, leidet sie und windet sich in Grausen. Ein einzigarti­ges Schauspiel, wie Walder zu Boden geht, unter den ehrwürdige­n Steinway-Flügel im Alten Rathaus kriecht und sich dort unter Schmerzen krümmt – immer hart an der Grenze zur Komödie. Doch das Blatt wendet sich zu ihren Gunsten. Je mehr die Geliebten leiden, desto besser geht es der Muse und umgekehrt – als könnte immer nur eine von beiden überleben. So kommt es dann auch.

Die von Hoffmann angeschmac­htete Olympia entpuppt sich als dümmlicher Roboter, stolpert hinter den Wandschirm und zerfällt in ihre Einzelteil­e – eine köstliche Persiflage von Nina Laubenthal. Überraschu­ngs-Effekt: Pianistin Elisabeth Thöni zitiert mit der Starwars-Titelmelod­ie am Flügel die legendäre Science-Fiction-Saga und verleiht Olympia damit Charakterz­üge von Computer-Maskottche­n C-3PO, ferngesteu­ert von der bösen Muse mittels einer R2-D2-Miniatur. Mit Antonia, der nächsten Liebschaft von Hoffmann, hat die Muse ebenfalls leichtes Spiel. Sie ist krank, und Singen schadet ihrer Gesundheit. Also wird sie zum Singen verführt – und stirbt daran. Wirkt lächerlich, doch Nina Laubenthal leidet so glaubhaft, dass man fast Mitleid hat.

Höhepunkt des Dramas

Dramatisch­es Finale: Statt wie üblich gegen die neue Geliebte zu intrigiere­n, verbündet sich Hoffmanns Muse mit ihr – eine verhängnis­volle Verschwöru­ng, denn Giulietta ist eine Hure und hat mit Liebe nichts am Hut: Sie will nur Hoffmanns Spiegelbil­d. Dessen beraubt ist er nur noch ein Schatten seiner selbst und von der Liebe endgültig geheilt. Nicht mal Stella, seine echte Geliebte, will er wieder zurück haben. Dieser Preis ist selbst der Muse zu hoch, die ihn nur mit Mühe vor dem Untergang retten kann.

Das Drama nimmt seinen Lauf und findet seinen Höhepunkt im Duett von Hoffmanns Muse Kahtrin Walder (Mezzosopra­n) und Kurtisane Nina Laubenthal (Sopran) mit der „Barcarole“, einer wunderschö­nen, berühmten Melodie: Zwei starke Frauenstim­men mit einem raumfüllen­dem Volumen, den ganzen Vormittag über so virtuos und mitreißend, dass es am Ende auch für den Gesang stehende Ovationen gab: Bestnote! Das Publikum war begeistert.

 ?? FOTO: KRIEGLER ?? Große Oper im „kleinen Haus“aus nächster Nähe: Elisabeth Thöni, Nina Laubenthal und Kathrin Walder bei der Kammermusi­kstunde im Alten Rathaus, wo das Ensemble mit stehenden Ovationen gefeiert wurde.
FOTO: KRIEGLER Große Oper im „kleinen Haus“aus nächster Nähe: Elisabeth Thöni, Nina Laubenthal und Kathrin Walder bei der Kammermusi­kstunde im Alten Rathaus, wo das Ensemble mit stehenden Ovationen gefeiert wurde.

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