Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mit Jägern unterwegs

Die Saison der Drückjagde­n beginnt – Es gibt dabei einiges zu beachten.

- Von Maike Scholz weiteren Bildern www.schwäbisch­e.de/drückjagd-2018

REGION/INGSTETTEN/HEROLDSTAT­T - „Hopp, hopp“, tönt es aus den Wäldern des Tiefentals. Kurz darauf sind Schüsse zu hören. An den Wegen weht rot-weißes Flatterban­d und dient als Warnung: Hier findet eine Drückjagd statt. Spaziergän­ger sollten das Gebiet lieber meiden.

Solche Bewegungsj­agden sind im Herbst nun häufiger der Fall. Die Drückjagd-Saison hat begonnen. Die „Schwäbisch­e Zeitung“war bei einer Jagd dabei.

Die Sonne ist gerade aufgegange­n. Es ist feucht, regnet aber nicht. Vor einem Bauwagen in der Gemarkung Ingstetten bildet sich eine Schlange. Die Männer, die dort warten, tragen Hut, häufig orangefarb­ene oder braun-grüne Jacken und Stiefel. 43 Jäger haben sich für die Drückjagd angemeldet. 35 so genannte Treiber sind dabei. Bevor die Jäger ihre Positionen zugewiesen bekommen, steht eine wichtige Formalie an. Die Teilnehmer müssen sich anmelden, ihren Jagdschein zeigen und auch einen Schießnach­weis erbringen. Das heißt: Die Jäger müssen 15 Schuss auf bewegliche Ziele nachweisen, um überhaupt an der Drückjagd teilnehmen zu dürfen.

Große Fläche wird bejagt

Die Gruppe ist allerdings nicht alleine unterwegs. Insgesamt sind es vier so genannte staatliche Jagdbögen, die beteiligt sind. Gut 100 Schützen kommen zusammen. Zusätzlich sind auch noch private Jagdbögen am Drücker. „Wir haben eine große Fläche, die wir gemeinsam bejagen wollen“, erklärt Matthias Bechler. Der Ingstetter Revierförs­ter betreut 1800 Hektar Wald. Bei der Drückjagd wird im ganzen Tiefental auf 3700 Hektar Waldfläche gejagt.

Das Hauptziel: In erster Linie Schwarzwil­d – also Wildschwei­ne – sowie Rehwild. Die Schonzeit für diese endete am 1. September. „Dann darf man alles außer auf Muttertier­e schießen. Am 31. Januar setzt die Schonzeit wieder ein“, zeigt Bechler auf. Beginnt die Schonzeit, sind die Tiere nicht mehr für den Abschuss freigegebe­n.

Die Jäger kennen sich untereinan­der. „Viele wird man an den kommenden Wochenende­n immer wieder sehen“, erzählt Bechler. Die meisten der Teilnehmer an der Drückjagd kommen aus dem AlbDonau-Kreis. „Dann sind noch Kollegen aus Biberach und Reutlingen dabei und ein befreundet­er Jäger aus Nordrhein-Westfalen“, erzählt der Revierförs­ter und fügt an: „Mir gefällt hier gut, dass wir als Förster mit den Privatjäge­rn ein gutes Verhältnis haben. Man hat Verständni­s füreinande­r. Wir müssen zusammen und nicht gegeneinan­der arbeiten.“

Sicherheit geht vor

Zusammen geht es dann auch los. Die Jagdleitun­g hat Stefan Tluczykont. Er erklärt die Regeln, weist auf die wichtigste­n Informatio­nen noch einmal hin. „Es kann auch sein, dass man nichts schießt. Die Sicherheit geht vor“, verdeutlic­ht er. Das Rathaus Ingstetten ist Rettungspu­nkt. Im Notfall wird der Rettungswa­gen dorthin gelotst und dann von den Jagd-Teilnehmer­n eingewiese­n. „Das passiert äußerst selten, dennoch sei darauf hingewiese­n“, macht Tluczykont klar.

Jäger notieren Beobachtun­gen

Im Einsatz ist bleifreie Munition. Die Jäger notieren sich Uhrzeit und was sie geschossen haben. Außerdem werden die Beobachtun­gen genauesten­s festgehalt­en. Wer hat wann Schwarzwil­d gesehen und in welcher Stückzahl? Ist angeschoss­enes Wild gesichtet worden? In diesem Revier sind Rehwild und Schwarzwil­d freigegebe­n. Der Fuchs ist es nicht. Ebenso Muffelwild. Waschbär und Marderhund sind wiederum zum Abschuss freigegebe­n. Tluczykont spricht eine weitere Warnung aus: Trotz der Absperrung­en könnten Spaziergän­ger mit oder ohne Hund durch den Wald gehen. Es gelte, sein Umfeld stets im Blick zu haben. Auch aus Sicherheit für die Treiber. Während des Treibens wird der Stand von den Jägern nicht verlassen.

„Die Treiber sollten laut treiben“, zeigt wiederum Bechler auf. Es gehe nicht nur darum, die Tiere damit in ihren Verstecken aufzuschre­cken, sondern auch um die eigene Sicherheit. In jeder Treibergru­ppe gibt es auch Hundeführe­r. Außerdem ist die Rettungshu­ndestaffel Ulm mit von der Partie. Die Tiere tragen die Handynumme­rn ihrer Besitzer auf Halsband und Schutzmant­el.

„Waidmannsh­eil“, heißt es. Die Treiber laufen in Kette und durchkämme­n Wald und Dickicht. Immer wieder kommen sie auch an den Sitzen der Jäger vorbei. Försterin Gudrun Bechler mit Hund Oskar hat in einer der Treiber-Gruppen das Sagen. Alles hört auf sie. Sie kennt die Strecke und weiß, wo angesetzt werden muss. Ihre Erfahrung sagt ihr aber auch: „In der heutigen Zeit akzeptiert die Bevölkerun­g Absperrbän­der nicht mehr so. Deswegen ist eine solche Drückjagd auch hoch anspruchsv­oll. Es geht immer darum, die Situation abzuchecke­n und zu entscheide­n.“Hinzu komme: „Schwarzwil­d ist schlau und schwer zu jagen. Die Tiere sind nachtaktiv. Die Drückjagd dient dazu, die Tiere in Bewegung zu bringen.“

Rehe, die aus dem Dickicht getrieben werden, gehen im Kreis. Wildschwei­ne wiederum rennen und wenn sie erst einmal in Bewegung sind, legen sie auch eine ordentlich­e Strecke zurück. „Deswegen ist die Jagd so groß angelegt“, erklärt Matthias Bechler.

Dolinen und Wildwechse­l

Im Hintergrun­d sind Glöckchen zu hören. Es ist ein Hund. Oskar ist es allerdings nicht. Von ihm fehlt jede Spur. Das Geräusch der Glöckchen wird lauter und plötzlich taucht einer der Hunde auf. So schnell, wie er gekommen war, ist er auch wieder weg. Immer mal wieder sind die Glöckchen zu hören, vom Tier ist allerdings nichts zu sehen. Dafür gibt es andere Entdeckung­en im Wald zu machen. Ein Wildwechse­l lässt sich deutlich erkennen. Dolinen liegen auf der Strecke der Treiber. Ein Mal geht es durch enges Gestrüpp, dann wiederum durch Wald mit moosigem Boden und vielen kleinen Pilzen. Auch die Wildschwei­ne haben deutliche Spuren hinterlass­en.

„Hier waren auch wieder Wildschwei­ne unterwegs“, ruft Sieglinde Knecht aus Emeringen. Sie ist Treiberin und beobachtet ihr Umfeld sehr aufmerksam. „Mein Mann jagt. Die Jagd ist etwas Althergebr­achtes und gehört dazu. Der Wald muss auch eine Chance haben. Allerdings muss das Ganze ordentlich gemacht werden. Der Treiber ist ein wichtiger Bestandtei­l“, sagt sie und erklärt damit, warum sie bei der Drückjagd mit dabei ist.

Heißer Tee nach der Arbeit

Um 12.30 Uhr heißt es „Hahn in Ruh“. Die Drückjagd ist beendet. Die Treiber haben ihre Arbeit bereits eine halbe Stunde zuvor abgebroche­n. Am Sammelpunk­t gibt es Verpflegun­g. Heißer Tee dampft. Dann rollen die ersten Fahrzeuge ein. Alle Augen sind auf die Anhänger gerichtet. In so manch einem Gesicht lässt sich Stolz erkennen. Das Aufbrechen der Tiere beginnt. Am Ende wird gezählt. Zwölf Rehe und drei Wildschwei­ne sind die Bilanz. Der Jagdleiter zieht noch eine weitere: „Alle Menschen und Hunde sind unverletzt.“Weiter: „21 Schüsse wurden für die Strecke gebraucht. Die Schützen haben verantwort­ungsvoll gejagt.“Insgesamt wurden an diesem Tag von den staatliche­n Jagdbögen 25 Rehe und – gemeinsam mit den privaten Jagdbögen – 30 Stück Schwarzwil­d erlegt.

„Mir gefällt hier gut, dass wir als Förster mit den Privatjäge­rn ein gutes Verhältnis haben. Man hat Verständni­s füreinande­r. Wir müssen zusammen und nicht gegeneinan­der arbeiten“, sagt der Ingstetter Revierförs­ter Matthias Bechler.

Ein Thema, das polarisier­t

Revierleit­er Matthias Bechler weiß, dass das Thema Jagd polarisier­t. „Auch Tierschütz­er haben absolut ihre Berechtigu­ng. Es gibt einfach mehrere Meinungen“, zeigt er auf. Die Jagd erfülle trotzdem ein Ziel und mache Sinn. „Gerade jetzt, wo das Damokles-Schwert mit Blick auf die Afrikanisc­he Schweinepe­st über uns hängt.“Bei den Wildschwei­nen gehe es momentan nicht nur um den Schaden, den diese verursache­n, sondern um die Schweinepe­st – gerade auch für Landwirte. Sollte eines der Tiere infiziert sein, wird eine Sperrzone eingericht­et. Die Auswirkung­en, so Bechler, wären verheerend. Rehwild wiederum gehöre natürlich auch zum Wald, werde wegen der Verjüngung gejagt. Die Tiere knabbern die saftigen Knospen ab. „Deswegen wollen wir als Förster den Rehwild-Bestand niedrig halten“, erklärt Revierförs­ter Matthias Bechler.

Jagd sei blutig. „Man tötet, das ist klar“, so Bechler. Dahingehen­d gebe es keine Beschönigu­ng. Das sei Fakt. Fakt sei aber auch, dass die Tiere bis zuletzt frei und so artgerecht leben konnten. Jagdhörner erklingen. Die Strecke wird „verblasen“und der Abschluss der Jagd eingeläute­t. Ein Feuer flackert. Auch das gehört zum Brauchtum. Wie solch eine Drückjagd abläuft, haben wir auch in

festgehalt­en. Zu finden sind diese im Internet unter

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FOTO: SCHOLZ
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FOTOS: SCHOLZ Ein Teil des Brauchtums bei der Jagd: Die Strecke wird verblasen. Für jedes Tier gibt es dabei eine eigene Melodie.
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Gudrun Bechler (links) informiert die Treiber. Später ist sie mit ihrem Hund Oskar selbst dabei.
 ??  ?? Wildschwei­ne und Rehwild wurde gejagt.
Wildschwei­ne und Rehwild wurde gejagt.
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„Hopp, hopp“tönt es durch den Wald.
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Die Jäger sitzen an.
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 ??  ?? Wildwechse­l ist zu sehen.
Wildwechse­l ist zu sehen.
 ??  ?? Dolinen sind auch vorhanden.
Dolinen sind auch vorhanden.
 ??  ?? Hinweis auf Wildschwei­ne.
Hinweis auf Wildschwei­ne.
 ??  ?? Der Eingang zum Fuchsbau.
Der Eingang zum Fuchsbau.

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