Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mann will aus Liebeskumm­er sein Haus sprengen

Prozess: Als seine Frau ihn verlässt und Kind und Hund mitnimmt, sieht ein 37-Jähriger keinen Ausweg mehr

- Von Michael Peter Bluhm

ULM/LANGENAU - Weil er von seiner Frau verlassen wurde und diese auch noch seinen einzigen Sohn und den geliebten Hund mitnahm, versuchte sich ein 37-Jähriger in seiner Verzweiflu­ng umzubringe­n. Elf Tage nach Neujahr 2016 legte er mehrere Brände in seinem Haus und wollte es mit einer Gasexplosi­on in die Luft sprengen. Das misslang. Jüngst musste sich der Mann, der für ein Entsorgung­sunternehm­en in der Region arbeitet, wegen Brandstift­ung und versuchter Herbeiführ­ung einer Explosion vor dem Ulmer Schöffenge­richt verantwort­en – und kam mit einem blauen Auge davon.

So viele Milderungs­gründe, die für den Angeklagte­n sprechen, führt ein Gericht nicht oft auf. Der Mann hatte eine traumatisc­he Kindheit. Vater und Mutter waren dem Alkohol verfallen und schlugen ihren Sohn häufig. Der Kleine fand Schutz in einem Kinderheim. Später machte er den qualifizie­rten Hauptschul­abschluss und bekam einen sicheren Arbeitspla­tz bei dem Entsorgung­sunternehm­en. Dort rackerte er sich 18 Jahre lang für sein großes Ziel ab: eine intakte Familie zu gründen und ein eigenes Haus zu bauen. Er heiratete jung und wurde früh Vater eines heute 15 Jahre alten Sohns.

Der sollte es mal besser haben als er, schwor sich der Angeklagte. Er machte Überstunde­n, um das Haus im Alb-Donau-Kreis zu bauen. Den Innenausba­u erledigte er mit einem Arbeitskol­legen an den Wochenende­n. Der Haussegen hing jedoch von Anfang an schief. Seine Frau, eine gebürtige Ulmerin, wollte nie aufs Land ziehen. Doch sie willigte auf Drängen ihres Mannes ein. Der flippte zuhause immer wieder aus, was der Frau vermehrt auf den Geist ging. Im Betrieb war der Familienva­ter angesehen. Die Ehe dagegen bekam im Lauf der Jahre Risse. Das Paar fetzte sich immer häufiger, zu körperlich­en Auseinande­rsetzung kam aber es nie. 2015 spürten Vater und Sohn, dass sich die Mutter verändert hatte. Die beiden mutmaßten, sie habe einen neuen Freund.

Entscheidu­ng fällt an Neujahr

Ein Kollege der Mutter und andere Gäste feierten an Silvester 2015 bei dem Ehepaar. An Neujahr tat die Frau, was sie schon länger vorhatte. Sie zog aus und fand bei dem Kollegen, der bald auch ihr Liebhaber wurde, Unterkunft. Der Angeklagte war fassungslo­s und verzweifel­t. Jetzt ist alles aus, was ich mühsam erarbeitet habe, sagte er sich. Er fürchtete sich vor der Einsamkeit. Doch die Frau hatte noch den Hausschlüs­sel und kam regelmäßig, um ihre Wäsche zu waschen und mit dem Verlassene­n zu plaudern. Das gab dem Angeklagte­n Mut, um ihre Rückkehr zu werben. Den letzten Versuch wagte er mit einem großen Blumenstra­uß. Die Abfuhr folgte auf den Fuß.

Der Mann tat, war schon sein Vater getan hatte: Er soff flaschenwe­ise Bier und Whisky, um Verzweiflu­ng und zu Wut dämpfen. In Kombinatio­n mit den Antidepres­siva, die er seit Jahren verschrieb­en, führt das dazu, dass sich das Gefühl des Ausweglosi­gkeit beim 37-Jährigen weiter verschlimm­erte. Wenige Tage nach Silvester fasste der Mann den Entschluss, Selbstmord zu begehen.

Seine Frau sollte das Haus, dass er allein finanziert hatte, nicht erben. Dass sie dort mit ihrem neuen Freund einziehen könnte, war eine Horrorvors­tellung für den Angeklagte­n. Also entschloss er sich, das Haus anzuzünden und im Heizungske­ller die Gasleitung zum Explodiere­n zu bringen.

Der Mann verrammelt­e Türen und Fenster und ließ die Rollos herunter. Dann legte er zehn Feuerstell­en im Haus und im Heizungske­ller an den Gasdruckre­glern. In diesem Raum wurde es so heiß, dass ein Wasserrohr aus Plastik schmolz und das Wasser nach außen drang. Beim Umgang mit den Brandherde­n ging er so dilettanti­sch vor, dass sich ein Brand nicht selbststän­dig entwickeln konnte. Das sagte ein Polizeitec­hniker im Zeugenstan­d. Der Angeklagte zündete Gardinen und verstreute Kleider mit einem kleinen Feuerzeug an. Das Feuer verlosch schnell, aber es entwickelt­e sich sehr viel Rauch. Als dieser durch die Ritzen nach draußen drang, alarmierte Nachbarn die Feuerwehr.

Lebensgefä­hrliche Rauchvergi­ftung

Der Angeklagte schleppte sich zur Tür. Dabei fiel er halb ohnmächtig in die Arme eines Feuerwehrm­anns. Der Rettungsdi­enst brachte den Mann mit einer lebensgefä­hrlichen Rauchvergi­ftung ins Krankenhau­s, wo er ins Koma versetzt wurde. Als er aufwachte, war die Noch-Ehefrau bei ihm, einen Tag später vernahm ihn die Kripo.

Die Staatsanwä­ltin folgte dem Gutachter, der eine vermindert­e Schuldfähi­gkeit des Angeklagte­n feststellt­e und beantragte eine Gesamtstra­fe von einem Jahr und neun Monaten wegen Brandstift­ung. Die Verteidige­rin hielt das „tragische Ereignis“mit einer kleinen Geldstrafe wegen Sachbeschä­digung für abgegolten. Das Schöffenge­richt entschied sich für die Mitte zwischen beiden Forderunge­n und verurteilt­e den Angeklagte­n wegen versuchter Brandstift­ung zu einem Jahr und drei Monaten Haft – die Strafe befindet sich am unteren Ende des gesetzlich­en Rahmens.

Der Sohn wohnt inzwischen aus eigenem Antrieb wieder bei dem Angeklagte­n. Mit der Trennung habe er sich abgefunden, sagte der 37-Jährige vor Gericht. Er bereue die Tat – und werde wieder ackern. Der Mann muss den entstanden­en Schaden von rund 50 000 Euro wieder gutzumache­n.

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