Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Mann will aus Liebeskummer sein Haus sprengen
Prozess: Als seine Frau ihn verlässt und Kind und Hund mitnimmt, sieht ein 37-Jähriger keinen Ausweg mehr
ULM/LANGENAU - Weil er von seiner Frau verlassen wurde und diese auch noch seinen einzigen Sohn und den geliebten Hund mitnahm, versuchte sich ein 37-Jähriger in seiner Verzweiflung umzubringen. Elf Tage nach Neujahr 2016 legte er mehrere Brände in seinem Haus und wollte es mit einer Gasexplosion in die Luft sprengen. Das misslang. Jüngst musste sich der Mann, der für ein Entsorgungsunternehmen in der Region arbeitet, wegen Brandstiftung und versuchter Herbeiführung einer Explosion vor dem Ulmer Schöffengericht verantworten – und kam mit einem blauen Auge davon.
So viele Milderungsgründe, die für den Angeklagten sprechen, führt ein Gericht nicht oft auf. Der Mann hatte eine traumatische Kindheit. Vater und Mutter waren dem Alkohol verfallen und schlugen ihren Sohn häufig. Der Kleine fand Schutz in einem Kinderheim. Später machte er den qualifizierten Hauptschulabschluss und bekam einen sicheren Arbeitsplatz bei dem Entsorgungsunternehmen. Dort rackerte er sich 18 Jahre lang für sein großes Ziel ab: eine intakte Familie zu gründen und ein eigenes Haus zu bauen. Er heiratete jung und wurde früh Vater eines heute 15 Jahre alten Sohns.
Der sollte es mal besser haben als er, schwor sich der Angeklagte. Er machte Überstunden, um das Haus im Alb-Donau-Kreis zu bauen. Den Innenausbau erledigte er mit einem Arbeitskollegen an den Wochenenden. Der Haussegen hing jedoch von Anfang an schief. Seine Frau, eine gebürtige Ulmerin, wollte nie aufs Land ziehen. Doch sie willigte auf Drängen ihres Mannes ein. Der flippte zuhause immer wieder aus, was der Frau vermehrt auf den Geist ging. Im Betrieb war der Familienvater angesehen. Die Ehe dagegen bekam im Lauf der Jahre Risse. Das Paar fetzte sich immer häufiger, zu körperlichen Auseinandersetzung kam aber es nie. 2015 spürten Vater und Sohn, dass sich die Mutter verändert hatte. Die beiden mutmaßten, sie habe einen neuen Freund.
Entscheidung fällt an Neujahr
Ein Kollege der Mutter und andere Gäste feierten an Silvester 2015 bei dem Ehepaar. An Neujahr tat die Frau, was sie schon länger vorhatte. Sie zog aus und fand bei dem Kollegen, der bald auch ihr Liebhaber wurde, Unterkunft. Der Angeklagte war fassungslos und verzweifelt. Jetzt ist alles aus, was ich mühsam erarbeitet habe, sagte er sich. Er fürchtete sich vor der Einsamkeit. Doch die Frau hatte noch den Hausschlüssel und kam regelmäßig, um ihre Wäsche zu waschen und mit dem Verlassenen zu plaudern. Das gab dem Angeklagten Mut, um ihre Rückkehr zu werben. Den letzten Versuch wagte er mit einem großen Blumenstrauß. Die Abfuhr folgte auf den Fuß.
Der Mann tat, war schon sein Vater getan hatte: Er soff flaschenweise Bier und Whisky, um Verzweiflung und zu Wut dämpfen. In Kombination mit den Antidepressiva, die er seit Jahren verschrieben, führt das dazu, dass sich das Gefühl des Ausweglosigkeit beim 37-Jährigen weiter verschlimmerte. Wenige Tage nach Silvester fasste der Mann den Entschluss, Selbstmord zu begehen.
Seine Frau sollte das Haus, dass er allein finanziert hatte, nicht erben. Dass sie dort mit ihrem neuen Freund einziehen könnte, war eine Horrorvorstellung für den Angeklagten. Also entschloss er sich, das Haus anzuzünden und im Heizungskeller die Gasleitung zum Explodieren zu bringen.
Der Mann verrammelte Türen und Fenster und ließ die Rollos herunter. Dann legte er zehn Feuerstellen im Haus und im Heizungskeller an den Gasdruckreglern. In diesem Raum wurde es so heiß, dass ein Wasserrohr aus Plastik schmolz und das Wasser nach außen drang. Beim Umgang mit den Brandherden ging er so dilettantisch vor, dass sich ein Brand nicht selbstständig entwickeln konnte. Das sagte ein Polizeitechniker im Zeugenstand. Der Angeklagte zündete Gardinen und verstreute Kleider mit einem kleinen Feuerzeug an. Das Feuer verlosch schnell, aber es entwickelte sich sehr viel Rauch. Als dieser durch die Ritzen nach draußen drang, alarmierte Nachbarn die Feuerwehr.
Lebensgefährliche Rauchvergiftung
Der Angeklagte schleppte sich zur Tür. Dabei fiel er halb ohnmächtig in die Arme eines Feuerwehrmanns. Der Rettungsdienst brachte den Mann mit einer lebensgefährlichen Rauchvergiftung ins Krankenhaus, wo er ins Koma versetzt wurde. Als er aufwachte, war die Noch-Ehefrau bei ihm, einen Tag später vernahm ihn die Kripo.
Die Staatsanwältin folgte dem Gutachter, der eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten feststellte und beantragte eine Gesamtstrafe von einem Jahr und neun Monaten wegen Brandstiftung. Die Verteidigerin hielt das „tragische Ereignis“mit einer kleinen Geldstrafe wegen Sachbeschädigung für abgegolten. Das Schöffengericht entschied sich für die Mitte zwischen beiden Forderungen und verurteilte den Angeklagten wegen versuchter Brandstiftung zu einem Jahr und drei Monaten Haft – die Strafe befindet sich am unteren Ende des gesetzlichen Rahmens.
Der Sohn wohnt inzwischen aus eigenem Antrieb wieder bei dem Angeklagten. Mit der Trennung habe er sich abgefunden, sagte der 37-Jährige vor Gericht. Er bereue die Tat – und werde wieder ackern. Der Mann muss den entstandenen Schaden von rund 50 000 Euro wieder gutzumachen.