Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Brexit-Befürworter wollen May stürzen
Misstrauensvotum gegen britische Premierministerin geplant – Regierungsfraktion gespalten
LONDON - Nach dem Rücktritt von einem halben Dutzend Regierungsmitgliedern und Forderungen nach einem Misstrauensvotum hängt die Zukunft der britischen Premierministerin Theresa May am seidenen Faden. Bei der Debatte im Londoner Unterhaus über die vorläufige Austrittsvereinbarung mit der EU wurde am Donnerstag deutlich, dass die konservative Regierungsfraktion tief gespalten ist.
Nach nur fünf Amtsmonaten gab Brexit-Minister Dominic Raab am
Morgen sein Ministerium auf. In seinem Rücktrittsschreiben warnte er davor, „die Integrität des Vereinigten Königreiches“sei durch die Sonderlösung für Nordirland bedroht. Nach ihm demissionierten auch die Sozialministerin Esther McVey, die seit Monaten in der Kritik stand, sowie vier Staatssekretäre.
Am Nachmittag warb eine Gruppe von konservativen EU-Feinden darum, ein Misstrauensvotum gegen die Parteivorsitzende zu beantragen. May handele nicht nach ihren Worten, begründete der prominente Brexit-Ultra Jacob Rees-Mogg seine Forderung
nach einem Wechsel im Parteiund Staatsamt.
Im Unterhaus stellte sich die Regierungschefin mehr als drei Stunden lang den Fragen und der Kritik der Abgeordneten. May sprach von einem „bestmöglichen Deal für unser Land: Er ist im nationalen Interesse.“In ihrer Regierungserklärung pries die Premierministerin die 585 Seiten starke Austrittsvereinbarung sowie die sieben Seiten einer vorläufigen Erklärung zur zukünftigen Zusammenarbeit als „gut für Jobs, für die Sicherheit und die Integrität des Landes“.
Aus der Wirtschaft erhielt May Rückendeckung. Das Ziel im innereuropäischen Handel müsse immer „so wenig Reibungsverlust wie möglich“sein, sagte Jürgen Maier von Siemens UK. Deshalb begrüsse er die Vereinbarung: „Wir müssen jetzt wirklich vorankommen.“
An den Finanzmärkten geriet das Pfund am Donnerstag unter Druck. Es verlor gegenüber Dollar und Euro um 1,5 Prozent an Wert. Die Aktien von Banken wie der halbstaatlichen Royal Bank of Scotland und Baufirmen stürzten sogar um bis zu zehn Prozent ab.