Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Bestseller „Altes Land“auf der Bühne
Theaterei Herrlingen setzt Buch von Dörte Hansen im Ehinger Franziskanerkloster um
EHINGEN - Der Roman „Altes Land“von Dörte Hansen stand 2015 lange auf den Bestsellerlisten, die Theaterei Herrlingen hat ihn auf die Bühne gebracht und jetzt im ausverkauften Ehinger Franziskanerkloster gespielt.
Die drei Schauspielerinnen Ursula Berlinghof, Agnes Decker und Lisa Wildmann in immer wieder anderen Rollen blieben unter der Regie von Edith Ehrhardt ganz eng am Roman. Nur durch immerwährenden Kostümwechsel – sehr geschickt gemacht mit der Garderobenstange, die die ganze Bühnenbreite einnimmt – schlüpften sie in immer andere Rollen. Da ist mal die aus den Masuren geflüchtete Gräfin Vera von Kamke mit erhobenem Kopf voller Läuse und 300 Jahre altem preußischen Adel im Rücken mit ihrer Tochter Vera. Ihr Gegenpol Ida Eckhoff, Obstbäuerin im Alten Land, einem riesigen Obstbaugebiet vor den Toren Hamburgs, ein stabiles norddeutsches Bauerngewächs und ihr als seelisches Wrack aus dem Krieg heimgekehrter Sohn Karl. Den und den Hof erobert sich Hildegard Stück für Stück. Ida Eckhoff und Hildegard von Kamke machen das Haus zu einer Schlammschlacht. Die kleine Vera pendelt zwischen den Fronten. „Stalingrad too Hus“, kommentierte Nachbar Lührs. Und doch muss Ida mit winzigen Gesten der Schwiegertochter Respekt zollen. Auch wenn sie bei der Stallarbeit Mozart Arien singt. Ein alter Bauernschrank, Idas ganzer Stolz, muss Hildegards Klavier weichen. Während Hildegard es wie eine Stalinorgel bearbeitet, erhängt sich Ida auf dem Dachboden. Doch die Geschichte erstreckt sich über 70 Jahre. Vera bleibt bei Karl, den ihre Mutter für einen anderen Mann und ein anderes Kind verlassen hat.
Diese Tochter hat ein Kind Anne, das als junge Frau im letzten Teil des Handlungsbogens zur Protagonistin wird. Die umfassende Handlung, mit knochentrockenem Humor von Dörte Hansen gespickt, wird teilweise erzählt, dann wieder gespielt. Tragik und feine Ironie liegen ganz nah beieinander bei Dörte Hansen und genauso wird es auf die Bühne gebracht. Wunderbar, wie die Hamburger Mamis im angesagten Stadtteil Ottensen auf die Schippe genommen werden. Oder die Akademiker Güteklasse zwei, die versuchen im Alten Land hobbymäßig den Gartenbau neu zu erfinden und dann dazu die Kommentare der alten Obstbauern. Umwerfend Ursula Erlinghof, die ein astreines norddeutsches Platt spricht, wie man es auf keiner Schauspielschule lernen kann. Vera wird Zahnärztin, bleibt im Ort, kümmert sich um Karl bis zu seinem Tode. Männer tauchen in ihrem Leben auf und wieder ab, die leise Zuneigung zum Nachbarn Lührs wird nicht ausgelebt. Anne flüchtet sich mit ihrem kleinen Sohn zu ihrer Tante Vera ins Alte Land, zieht in Ida Eckhoffs Altenteil, soll auf Veras verwahrlosten Hof alles „schier“machen. Schier steht im norddeutschen Dialekt für in Ordnung bringen, sauber und rein. Sprünge zwischen verschiedenen Zeitebenen, Rückblenden, zeitkritische Überzeichnungen lassen den langen Theaterabend nicht langweilig werden, obwohl das ein oder andere Mal der Rotstift nicht geschadet hätte.