Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Dieses Olympia
Den Menschen Andreas Wellinger hat Gold nicht verändert – aber den Skispringer?
HERZOGENAURACH - Lausbubengrinsen? Wie immer. Schlagfertigkeit? Wie immer. Freundlichkeit? Wie immer. „Ich bin“, sagt Andreas Wellinger – mit jetzt ernsterem Blick – „immer noch der gleiche Andi Wellinger wie vorher.“Wie vor dem 10., 17. und 19. Februar, den Tagen von Pyeongchang, an denen der Skispringer vom SC Ruhpolding erst Olympiasieger auf der Normalschanze, dann Zweiter vom großen Bakken, Zweiter auch mit der Mannschaft wurde. Drei Medaillen, mit 22. „Die Erfolge“, Andreas Wellinger versichert es nochmals, „haben mich als Mensch nicht verändert.“
Das mag das Wichtigste sein, was es über den seit August 23-jährigen Wahl-Münchener aus Schneizlreuth, Gemarkung Weißbach an der Alpenstraße, zu berichten gibt im Herbst 2018. Weil aber dieses Wochenende (beginnend mit der Qualifikation heute, 18 Uhr/Eurosport) auf Wislas Adam-Malysz-Schanze die WeltcupSaison anhebt, interessiert die Befindlichkeit auch des Sportlers Andreas W. „Er hat gut trainiert, er hat brav trainiert“, skizziert Bundestrainer Werner Schuster dessen Sommer. „Aber er ist nie so richtig aufgefallen. Man merkt schon: Es macht was mit einem, dieses Olympia.“
Macht es. Fünf Wochen Wettkämpfe noch nach den Spielen, Empfänge, Ehrungen, PR-Termine danach – „das dauert einfach, bis man dann wirklich mal zur Ruhe kommt“. Ruhe, die Andreas Wellinger im Mexiko-Urlaub fand: Cancún, mit Freundin, mit Surfbrett. Kopf frei kriegen, Gedanken sortieren. Den Blick erweiterte danach der Florida-Trip mit dem FC Bayern München, ein Herzenswunsch (und Privileg) des Olympiasiegers. Antrieb zudem, merke: Gewinnen macht hungriger, nicht satt. So sind die Bilder, die Emotionen aus Südkorea Motivation, „wieder jeden Tag ins Training zu gehen – dass man’s, auch wenn man mal nicht die beste Laune hat oder keinen Bock, trotzdem durchzieht“. Auch eine heuer eher harzige Mattenschanzen-Phase lang. Da taten die jüngsten Lehrgänge auf Eisspur in Innsbruck, Garmisch-Partenkirchen und Oberstdorf gut; „effizient“seien sie gewesen.
Heißt für den nacholympischen Winter? Für Andreas Wellingers Ziele? „Am liebsten jeden Wettkampf ganz oben stehen – aber da kann ich euch beruhigen: Das wird nicht passieren.“Sondern? „Ich hoff’, dass ich den anderen das Leben schwer machen kann und jetzt über die ersten Springen Wochenende für Wochenende das Gefühl find’, die Leichtigkeit find’.“Sprich: eine „stabile Basis“, von der aus „man bei den Höhepunkten noch mal die letzten Prozent drauflegen kann“. Da nämlich hat Andreas Wellinger, 123 Weltcup-Starts bisher, drei Siege (plus sechs im Team), einiges zu verteidigen. Bei der Vierschanzentournee war er 2017/18 Zweiter, die Nordische WM in Seefeld kommenden Februar geht er als Vizeweltmeister von beiden Schanzen und Weltmeister mit dem Mixed-Team an.
Die Frage nach dem Druck stellt sich zwangsläufig. Öffentliche Erwartung und eigener Anspruch sind nicht geringer geworden nach Goldsilbersilber. Andreas Wellinger weiß das, Andreas Wellinger lächelt. Er springt in einem deutschen Team, das so breit aufgestellt ist, so stark werden könnte wie seit Zeiten nicht. Da gibt es kein Zurücklehnen, schon lange nicht mehr, „da müssen wir Sportler uns selber auch wieder pushen“. Denn: „So schnell kann man gar nicht schauen, dann sind die Nächsten da und nehmen einem den Platz weg.“
„Cool“sei diese Leistungsdichte – zumal in einer intakten Gruppe. Und, so glaubt Werner Schuster, für Andreas Wellinger wohl kein Problem: „Er ist einer, der sich in der Wettkampfphase steigert.“Auch jetzt, nach „diesem“Olympia? Des Bundestrainers Antwort: „Das ist nicht so leicht, wenn du mit 22 Olympiasieger wirst. Diese Unbeschwertheit, die ihn immer wieder ausgezeichnet hat – das wird unser Trumpf sein, die wieder herzustellen.“Mit nicht den schlechtesten Chancen: „An sich ist er nach wie vor sehr natürlich unterwegs.“Also: Uhren auf null stellen, aufgabenorientiert arbeiten, nach vorne blicken. „Er hat ja noch genug Ziele.“